Wie will die ÖVP diesen Skandalregen und neue Enthüllungen überstehen? Der Chat über die "Hure der Reichen" wird die Partei lange nicht mehr loslassen.
Kennen Sie das? Man ist schockiert, aber zugleich überhaupt nicht überrascht. Gar nicht überrascht. So geht es aufmerksamen Nachrichtenkonsumenten, wenn wieder einer der ÖVP-Skandale aufgedeckt wird. Da bezeichneten die türkisen Ministeriumsstrippenzieher die ÖVP selbst als "Hure der Reichen". Schön, dass sie so offen aussprechen, was sowieso jeder weiß. Den Geldleuten und Wichtigtuern wird noch beim Wegbiegen der Steuer geholfen, dafür gibt's dann Beförderung für die willfährigen Helfer. Schließlich müssen die Prahlhanse ja im Luxus leben, denn sonst sind sie ja nicht ausreichend motiviert. Ganz im Gegensatz zu den Gering-und Normalverdienern übrigens, denen muss man das Leben extra schwer machen, um sie anzuspornen.
In der Justiz schob man offenbar alle möglichen Postenbesetzungen, damit keine entschlossenen Bekämpfer der ÖVP-Korruption an Schlüsselstellen gelangen können. Man liest nicht ohne Vergnügen, wie da glänzende Karrieren versprochen werden. Versprechen, die dann gar nicht eingelöst werden, was die Betreffenden dann sehr ungehalten macht. Tja, selber schuld, wenn man mit Kurz &Co. Handel treibt.
Probleme verschärfen, statt sie zu lösen
Der oberste Stratege und Möchtegern-Rasputin von Sebastian Kurz hat direkt beim Innenministerium den nächsten "fremdenrechtlichen Knaller" bestellt. Soll heißen: Man wollte mit dem Thema Migration das gesellschaftliche Klima vergiften, die Bevölkerung aufganseln, denn Sebastian Kurz, der Donald Trump für Gutfrisierte, brauchte das für seinen Aufstieg. Man war darauf aus, mit Polarisierung die "Integrationsprobleme" zu verschärfen, statt sie zu lösen, und das Innenministerium war für die Propaganda zuständig. Dort reagierte man diensteifrig.
Nichts von all dem überrascht einen. Jeder weiß über die Gewissenlosigkeit und Moralbefreitheit dieser Leute Bescheid. Es überrascht auch nicht, dass sie dem Land vorsätzlich schadeten, wenn sie glaubten, dass es ihnen und Sebastian Kurz nützt. Es kommt nicht gerade spektakulär unvermutet, dass diese Apparatschiks von keinen ethischen Hemmungen geplagt sind und von keiner Grundloyalität zum Staatsganzen gebremst.
Und doch ist man schockiert, wenn man es dann so schwarz auf weiß liest. Es kommt dann richtig Wut auf, dass einige der Beteiligten noch immer recht weich gefallen sind. Eigentlich sollte, wer dabei mitgemacht hat, nie wieder ein Bein auf den Boden bekommen. Sebastian Kurz hat sich schon ans Ende der Welt davongemacht. Der Rest der Kamarilla sollte das als Vorbild nehmen.
Erneuerung an Haupt und Gliedern
Die ÖVP braucht eine moralische Erneuerung an Haupt und Gliedern. Mit dem Abgang von drei, vier der Hauptbelasteten und darüber hinaus dem Mauern und Abstreiten wird es nicht getan sein. ÖVP-Chef Karl Nehammer hat es aber nicht gerade leicht. Seine Partei ist bis ins Mark verrottet. Würde er eine wirkliche moralische Erneuerung der Türkis-Schwarzen wollen, müsste er wohl die Hälfte der Spitzenfunktionäre aus der Partei werfen und umpflügen, bis nur mehr Brocken herumliegen. Tut er das aber nicht, versucht er zu blockieren und abzustreiten, wird er selbst mit im Sumpf untergehen.
Der Laden f liegt ihm so oder so um die Ohren. Im Grunde kann die ÖVP jeden Tag drei Stoßgebete zum Himmel schicken und dem Herrn oder der Fledermaus danken, dass sie eine Pandemie geschickt haben. Würde die Seuche nicht die Affären der ÖVP weitgehend aus den Schlagzeilen verdrängen, wäre die Partei wohl schon gesunken wie ein rostiger Kahn bei hohem Seegang.