Koalition
Nur noch wenige Knackpunkte für SPÖ und ÖVP
21.12.2006
Ein Scheitern der Koalitionsverhandlungen ist mit der Einigung im Sozialbereich ein Stück unwahrscheinlicher geworden. Es gibt aber noch Knackpunkte.
Bestenfalls die Eurofighter-Frage, die Steuerreform und die Studiengebühren taugen jetzt noch für ein Sprengen der Verhandlungen, will man das Projekt nicht an Kleinigkeiten oder der Ressortaufteilung scheitern lassen. Ansonsten blieben nach dem ersten Durchgang der Gespräche an ein wenig größeren Themen vorerst nur das Wahlrechtspaket und der Modus zur Flexibilisierung des Kindergelds offen.
Sozialpaket
Auf der Habenseite verfügen die Koalitionsverhandler
in erster Linie über das Sozialpaket, wenngleich Kosten und Verantwortung
dafür zu großen Teilen anderen umgehängt wurden. Gemäß dem derzeit
vorliegenden Mindestsicherungsmodell von 726 Euro im Vollausbau würden die
Länder ordentlich zur Kasse gebeten. Und beim Generalkollektivvertrag über
1.000 Euro Mindestlohn sind in erster Linie die Sozialpartner und dabei
speziell die Dienstgeber gefordert.
Flexibilisierung der Arbeitszeit
Dafür können sich die
Selbstständigen über eine Einbeziehung in die Arbeitslosenversicherung und
die Mitarbeitervorsorge (=Abfertigung neu) freuen. Zudem wird dem Wunsch der
Wirtschaft nach einer weiteren Flexibilisierung der Arbeitszeit Rechnung
getragen. Für Arbeitnehmer günstig: Freie Dienstnehmer sollen vollen
Sozialversicherungsschutz erhalten.
Raucher-Debatte
Verständigt hat man sich beim "Nichtraucherschutz".
Künftig soll in Lokalen nur noch in abgetrennten Räumlichkeiten geraucht
werden dürfen. Im Gesundheitsbereich soll für chronisch Kranke eine maximale
Rezeptgebühr, die je nach Vorstellung bei 150 Euro (SPÖ) bzw. 250 Euro (ÖVP)
jährlich liegen soll, eingeführt werden.
Verwaltung und Verfassung
Einig ist man in der potenziellen
großen Koalition auch in Sachen Verwaltungs- und Verfassungsreform.
Festgelegt wurde, dass bis Mitte nächsten Jahres eine große
Verfassungsnovelle, nicht aber eine neue Verfassung an sich ausgearbeitet
werden soll. Die Causa Ortstafeln wollen SPÖ und ÖVP mit einer
Verfassungsbestimmung regeln. Die Verwaltungsreform soll u.a. die Straffung
der Schul-Verwaltung durch die Schaffung eine Landesschuldirektion pro
Bundesland bringen.
Umweltfragen
Keine offenen Fragen gibt es im Bereich ländlicher
Raum und Umwelt, wo unter anderem die Errichtung eines mit 500 Millionen
Euro dotierten Energie- und Klimaschutzfonds vereinbart wurde. Im Bereich
innere Sicherheit gibt es zwar wenig Konkretes, aber auch wenig Trennendes.
Bei der Justiz ist man sich in einer Reihe von Kleinigkeiten einig, etwa der
Verbesserung der Auswahl von Laienrichtern oder einem verstärkten Fokus auf
den Schadensersatz beim Opferschutz, allerdings fehlen der Konsens beim von
der SPÖ geforderten weisungsfreien Bundes-Staatsanwalt, der gemeinsamen
Obsorge und bei der von den Sozialdemokraten propagierten eingetragenen
Partnerschaft, die für Homosexuelle offen stehen soll.
Sorgenthema: Familien
Beim Familienthema tun sich Rot und Schwarz
traditionell schwer, auf einen grünen Zweig zu kommen. Das ist auch diesmal
so. Streitpunkt ist vor allem das Kindergeld, wo einzig das Ziel einer
kostenneutralen Flexibilisierung außer Streit steht. Die SPÖ will, dass die
Leistung künftig auch kürzer und dafür entsprechend höher ausgeschüttet
werden kann. Aus Sicht der ÖVP ist das nicht leistbar. Die Volkspartei
möchte lediglich die Zuverdienstgrenze aufheben und auch das nur, wenn das
Kindergeld statt 30 (+6 Monaten) nur 15 (+3 Monate) bezogen wird.
Ungelöst: Studiengebühren
Auch ein anderes jahrelanges
Streitthema der Großparteien liegt vorerst ungelöst am Tisch. Die
Abschaffung der Studiengebühren ist von der SPÖ wieder zum Kernthema erklärt
worden, nachdem einzelne Mandatare zunächst bereits Absetzbewegungen gezeigt
hatten. Bei der Gesamtschule ist man zwar noch nicht einig, allerdings
zeichnet sich hier ein Kompromiss mit einer stärkeren Differenzierung in der
AHS-Unterstufe ab.
Briefwahl vs. wählen ab 16
Ebenfalls seit Jahren Zankapfel
ist die Briefwahl, für die die ÖVP verbissen kämpft. Und ebenso beständig
junktimiert die SPÖ diese Frage mit Wählen mit 16 auf allen Ebenen, was
wiederum von der Volkspartei abgelehnt wird. Auch das wird zum Fall für die
letzten beiden Verhandlungsrunden am 29. Dezember bzw. 8. Jänner und ein
allfälliges Vier-Augen-Gespräch der Parteichefs Wolfgang Schüssel (V) und
Alfred Gusenbauer (S).
Eurofighter
Dort wird auch der Eurofighter nicht fehlen. Die SPÖ
hat ihre Haltung, wonach das Ziel ein möglichst kostengünstiger Ausstieg
ist, noch nicht aufgegeben. Eine endgültige Entscheidung will man ohnehin
erst, wenn der U-Ausschuss zu den Eurofightern fertig getagt hat. Für die
ÖVP ist dies nicht akzeptabel, eine Entscheidung müsse jetzt her, hieß es
bisher von Schüssel abwärts.
Privatisierungen
Eher unbeachtet blieb das früher so strittige
Thema Privatisierungen. Einig ist man bezüglich der künftigen Strategie
freilich weiter nicht. Offen sind Fragen wie der SPÖ-Wunsch nach einer
Auffanggesellschaft für insolvente Betriebe und eine weitere Reduktion des
staatlichen Anteils z.B. bei der OMV. Als echter Knackpunkt gelten die
Privatisierungen aber nicht.
Kein Thema: Steuerreform
Bisher überhaupt kein Thema in den
Koalitionsverhandlungen ist seltsamerweise die eigentlich von beiden Seiten
im Wahlkampf propagierte Steuerreform. Entsprechende Entlastungen waren in
keiner der großen Runden auf der Agenda. Konfliktpotenzial gibt es vor allem
beim ÖVP-Verlangen nach Abschaffung der Schenkungs- und Erbschaftssteuer
sowie bei der SPÖ-Forderung nach einem Aus für die Gruppenbesteuerung. Das
Nein der Volkspartei zu einer Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage in der
Krankenversicherung hat die SPÖ vorerst ein wenig ratlos zurückgelassen,
daran zerbrechen werden die Verhandlungen aber sicher nicht.
Last but not least: die Ressortaufteilung
Von den Finanzen ist es
nicht weit zu den Personalia, die angeblich erst ganz am Ende der Gespräche
stehen. Am Umstrittensten ist vermutlich das Finanzministerium, auf das
beide Parteien Anspruch erheben. Wer das Finanzressort erhält, wird dafür
wohl das Innenministerium opfern müssen. Das Sozialministerium wird an die
SPÖ gehen, Wirtschafts- und Landwirtschaftsministerium an die ÖVP, der Rest
ist Verschubmasse.