SPÖ/ÖVP

Durchbruch bei Koalitions-Verhandlungen

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Die neunte Runde brachte den großen Durchbruch: SP und VP einigten sich bei den großen "Brocken" Pensionen und Mindestsicherung. Unverändert starr sind aber die Positionen bei den Studiengebühren.

Mittwoch erlebten die Verhandlungen um die Große Koalition eine erste Sternstunde. Die Elefantenrunde schob einige der großen Brocken weg, der Weg für Rot-Schwarz ist frei, der Fahrplan bis Jänner könnte also halten.

SPÖ und ÖVP haben am Mittwoch unter anderem die so genannte Hacklerregelung verlängert und werden die Kindererziehungszeiten besser bewerten, was für Mütter eine höhere Pension ergeben wird. Bei der Grundsicherung, die nunmehr offiziell bedarfsorientierte Mindestsicherung genannt wird, wurden als Richtwert 726 Euro festgelegt.

Die Einigungen im Detail:

Einigung 1: Mindestsicherung
Neuer Name, gleiches Konzept. In Österreich wird es in Hinkunft eine Grundsicherung für alle geben, die nun Mindestsicherung genannt wird. Höhe: 726 Euro. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) begründete das Ja seiner Partei damit, dass zwischen den im Endausbau 2010 festgelegten 726 Euro und dem angepeilten Mindestlohn von 1.000 Euro (den die SPÖ gefordert hatte) doch ein großes Stück liege. Zudem sei klar festgehalten worden, dass für den Bezug Arbeitswilligkeit vorliegen müsse.

Finanzierung noch offen
Da die Länder durch diese Vereinheitlichung der Sozialhilfe auf höherem Niveau besonders belastet sind, wird auch der Bund einen finanziellen Beitrag leisten. Insgesamt 200 Millionen Euro sollen fließen, kündigte SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer an. Daraus wird einerseits die Anhebung der Mindestpension finanziert, andererseits eine Aufstockung der Notstandshilfe. Hier wird die Nettoersatzrate auf 60 Prozent angehoben, bei Familien auf 80 Prozent. Damit ergibt sich laut Schüssel, dass keine Familie mit einem Notstandshilfebezieher unter der Armutsgrenze (1.091 Euro) leben wird müssen.

"Das Modell liegt noch nicht in der erforderlichen Präzision vor", sagte der Vorarlberger Landeshauptmann Sausgruber zur Finanzierungsfrage. Nötigenfalls müssten die für 2008 vorgesehenen Finanzausgleichsverhandlungen vorgezogen werden, so Sausgruber.

Einigung 2: Hacklerregelung verlängert
Bei der Pensionsreform ist der auffälligste Punkt, dass die so genannte Hacklerregelung, mit der man nach 45 Versicherungsjahren mit 60 bzw. als Frau nach 40 Jahren mit 55 abschlagsfrei in den Ruhestand treten kann, um zwei Jahre bis 2010 verlängert wird. Danach steigt das mögliche Antrittsalter in zehn Halbjahresschritten, bis dann eben die 65 bzw. 60 erreicht sind. Aber auch nach 2010 sollen keine Abschläge bei der Nutzung anfallen.

Bei der Schwerarbeiterpension fallen die Abschläge bei jenen Berufsgruppen weg, die eine deutlich niedrigere Lebenserwartung aufweisen. Schließlich werden für Frühpensionisten, die Abschläge auf 2,1 Prozent halbiert.

Einigung 3: Annäherung bei Gesamtschule
Im Schulbereich zeigten sich die Verhandler zuversichtlich. Einerseits hat man ohnehin bereits ein ganzes Paket geschnürt, von dem Bildungsministerin Gehrer unter anderem die Bildungsgarantie bis 18 und SPÖ-Chefverhandler Niessl die anvisierte Senkung der Klassenschülerhöchstzahl auf 25 hervorhob, andererseits gibt es auch bei der Gesamtschule zarte Annäherungen.

Problem Studiengebühren
Unverändert starr sind die Positionen hingegen bei den Studiengebühren. Niessl lehnte sie als "sozialpolitische Barriere" ab, Gehrer verteidigte sie unter anderem mit dem Argument, dass durch die Einführung der Studienbeiträge in Deutschland ansonsten der Druck auf Österreichs Unis zu groß würde.

Die Studiengebühren und die Gesamtschule werden wohl noch in einer der zwei noch vereinbarten großen Runden oder allenfalls bei einem Vier-Augen-Gespräch der Parteichefs besprochen.

Einigung 4: Nichtraucher-Schutz
Künftig soll laut Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (V) und Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (S) generelles Rauchverbot in Lokalen herrschen. Geraucht werden soll nur noch in räumlich abgetrennten Nichtraucherzonen. Über Details - etwa über Sanktionen gegen Wirte oder Raucher bei Zuwiderhandlung - wurde laut Rauch-Kallat noch nicht gesprochen: "Wie die Ausformulierung genau sein wird, wird noch zu verhandeln sein."

Einigung 5: Vereinheitlichung der Patienten-Leistungen
Aufgewertet werden sollen die Gebietskrankenkassen: Die neun GKKs sollen auf Bundesebene eine gemeinsame Sparte bilden und dort gemeinsam Entscheidungen treffen. Für alle Versicherten werde künftig ein einheitliches Leistungsrecht gelten. Außerdem ist eine "Finanzierung aus einem Guss" geplant. Bund, Ländern, Krankenkassen und Gemeinden sollen sich bis zum Finanzausgleich 2008 darüber einigen.

Noch etwas Verhandlungsbedarf gibt es in Sachen Selbstbehalte und Rezeptgebühren für chronisch und mehrfach Kranke. Hier soll es jährliche Obergrenzen für Belastungen geben. Die konkrete Höhe muss aber noch ausverhandelt werden

Einigung 6: Drogen-Prävention
In der Jugendpolitik setzen ÖVP und SPÖ auf Prävention gegen Drogen- und Alkohol-Probleme. Beim Thema Frauen wurden Maßnahmen gegen Gewaltschutz vereinbart. Nicht durchgekommen ist die ÖVP vorerst mit ihrem Wunsch nach einer steuerlichen Förderung von Mehrkinder-Familien.

Einigung 7: Ja für Heeres-Auslandseinsätze
Dafür ist man sich im Bereich äußere Sicherheit ein weiteres Stück näher gekommen. Nun hat offenbar auch die SPÖ akzeptiert, dass trotz der Neutralität gegebenenfalls auch Auslandseinsätze österreichischer Soldaten möglich sind, wenn sie nicht unter UNO-Flagge laufen. Dies käme dann zum Tragen, wenn etwa OSZE oder EU friedensstiftende Maßnahmen setzen, die mutwillig innerhalb der UNO blockiert würden, erklärte Schüssel.
Umsetzen will man die Ergebnisse der Bundesheer-Reformkommission, was Schüssel auch angesichts der diversen anderen Grundsatz-Verständigungen am Dienstag von einem "durchaus erfolgreichen Tag" sprechen ließ.

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