Die Regelung zur Zusammensetzung des ORF-Stiftungs- und Publikumsrates ist laut Verfassungsgerichtshof (VfGH) teils verfassungswidrig.
In einem am Dienstag veröffentlichten Erkenntnis ortet das Höchstgericht "Verstöße gegen das Unabhängigkeits- und Pluralismusgebot" nach dem Bundesverfassungsgesetz Rundfunk. Als problematisch bewertet man vor allem den übermäßigen Einfluss der Regierung bei der Besetzung der ORF-Gremien. Das ORF-Gesetz muss bis März 2025 repariert werden.
Im Gegensatz zu den im Parlament vertretenen Parteien und dem Publikumsrat, die je sechs Stiftungsratsmitglieder bestellen, zeichnet die Regierung für die Nominierung von neun Räten verantwortlich. "Bei diesen Mitgliedern handelt es sich um eine relativ große Gruppe, die ein deutliches Übergewicht zu den vom (gesellschaftlich repräsentativ zusammengesetzten und staatsfernen) Publikumsrat bestellten sechs Mitgliedern hat. Das verstößt gegen die Verfassungsgebote der Unabhängigkeit und des Pluralismus bei der Bestellung und Zusammensetzung der Leitungsorgane des ORF", heißt es in der Erkenntnis. Ebenso stößt man sich an der vorzeitigen Abberufungsmöglichkeit von Mitglieder nach Wahlen. Einzig die sechs Parteienvertreter und die fünf Belegschaftsvertreter im Stiftungsrat sind davon ausgenommen.
Gesetz muss repariert werden
Auch an den Bestellungsmodalitäten zum Publikumsrat stößt sich der VfGH. Der Gesetzgeber müsse die Regelung so austarieren, "dass die unmittelbar von repräsentativen Einrichtungen bestellten Mitglieder zumindest im selben Ausmaß im Publikumsrat vertreten sind wie die vom Bundeskanzler (bzw. von der Medienministerin) in Auswahl aus Vorschlägen bestellten Mitglieder." Durch die aktuellen Bestimmungen sei der Spielraum des Bundeskanzlers bei der Wahl zu weit: Die Bestellung "der 17 Mitglieder des Publikumsrats" sei "so weitgehend in das Belieben des Bundeskanzlers (bzw. der Medienministerien) gestellt, dass die verfassungsrechtlichen Gebote der Unabhängigkeit und pluralistischen Zusammensetzung dieses Leitungsorgans des ORF verletzt sind", heißt es.
Da der VfGH den Gesetzgeber für eine Reparatur der aufgehobenen Regelungen bis 31. März 2025 Zeit gibt, ändert in der operativen Tätigkeit der Gremien vorerst nichts. Auch bisherige Entscheidungen der Gremien sind vom VfGH-Erkenntnis nicht betroffen.
Unabhängigkeit auf dem Prüfstand
Der Verfassungsgerichtshof hatte am Dienstag vor zwei Wochen öffentlich über das ORF-Gesetz verhandelt. Dabei stand die in der Verfassung vorgesehene Unabhängigkeit des ORF auf dem Prüfstand. Konkret beanstandete die Burgenländische Landesregierung die Zusammensetzung von ORF-Stiftungsrat und -Publikumsrat. So soll der maßgebliche Einfluss der Bundes- und Landesregierung bei der Bestellung der Mitglieder der beiden Kollegialorgane im Widerspruch zur gebotenen Unabhängigkeit stehen. Die Richterinnen und Richter des VfGH hatten zur Klärung der Rechtssache Fragen an die Vertreter des Bundeskanzleramts und der burgenländischen Landesregierung.
Der ORF-Stiftungsrat ist das oberste Aufsichtsgremium des ORF und hat 35 weisungsfreie, ehrenamtliche Mitglieder. Die Mitglieder des Gremiums werden von Regierung (9), Parlamentsparteien (6), Bundesländern (9), ORF-Publikumsrat (6) und Zentralbetriebsrat (5) beschickt und sind - abgesehen von wenigen Ausnahmen - in parteipolitischen "Freundeskreisen" organisiert. Seit längerem verfügt die ÖVP mit von ihr entsendeten und türkis-nahen Räten über eine Mehrheit. Aufgabe der Stiftungsräte ist unter anderem, alle fünf Jahre den ORF-Generaldirektor und kurze Zeit später auf dessen Vorschlag höchstens vier Direktoren und neun Landesdirektoren zu bestellen.
Im Falle des Publikumsrats bestimmt das Bundeskanzleramt 17 Personen aus 14 Vertretungsbereichen auf Basis von Vorschlägen repräsentativer Einrichtungen. Die weiteren 13 Mitglieder werden direkt bestellt - etwa von diversen Kammern. Der Publikumsrat entsendet sechs Mitglieder in den ORF-Stiftungsrat.