ÖSTERREICH

Ruf nach Gehalts-Strip

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Hochspannung nach der ÖSTERREICH-Story zur Gehaltsoffenlegung der Politiker. SPÖ und ÖVP halten Zusatzverdienste unter Verschluss.

Der ÖSTERREICH-Bericht über die Einkommenstransparenz unter den Nationalratsabgeordneten war ein Stich ins Wespennest. Parlamentspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) hatte gefordert, die zusätzlichen Einkünfte der Mandatare offenzulegen – ist aber damit bei SPÖ und ÖVP abgeblitzt.

Abgeordnete erhalten 8.023,60 Euro brutto im Monat für ihre Tätigkeit. Doch ihre Nebeneinkünfte bleiben im Dunkeln. Prammer wollte ein Modell ähnlich wie in Deutschland einführen, wonach die Neben-Einnahmen aller Parlaments­abgeordneten zumindest in Kategorien angegeben werden: Und zwar in drei Stufen (bis 5.000, 5.000-7.000, über 7.000 Euro). Doch der Zweite Parlamentspräsident Michael Spindelegger (ÖVP) verweigert seine Zustimmung zu der notwendigen Gesetzesänderung. Der Konflikt verschärfte sich zusätzlich, nachdem auch der SPÖ-Klub Prammer im Regen stehen ließ. Für Klubchef Josef Cap ist diese Transparenz „nicht nötig“.

Unmut bei Opposition
Die politische Konkurrenz schäumt. Die grüne Vizechefin und Dritte Parlamentspräsidentin Eva Glawischnig verlangt kompromisslos die Offenlegung aller Einkünfte auf den Cent genau. FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky erhebt schwere Beschuldigungen gegen die rot-schwarzen Verhinderer. Er ortet in der Koalition Vertuscher: „Rot und Schwarz wollen die fetten Nebenverdienste, die dem Steuerzahler nicht einmal im Ansatz erklärbar sind, unter den Teppich kehren“, vermutet Vilimsky.

BZÖ-Chef will Politiker in Bedrängnis bringen. Auch BZÖ-Chef Peter Westenthaler hat das deutsche Modell als Vorbild auserkoren. Der Vorreiter von „Law and Order“ will sich nicht lumpen lassen und versucht sich mit dem Ruf nach harten Sanktionen zu profilieren: Falls Politiker die Auskunft verweigern, könnte man die Abgeordneten­bezüge ja auch einfrieren, regt Westenthaler an.

Meldepflicht
Tatsächlich haben unsere Politiker schon seit zehn Jahren die Pflicht, Nebeneinkünfte zu melden – konkret jeden Job mit einem Monatseinkommen von mehr als 1.123,23 Euro brutto. Diese Auflistung soll transparent machen, in wessen Sold die Politiker sonst noch stehen.

Etappensieg
Immerhin hat Prammer erreicht, dass die Liste der Beschäftigungen im November im Internet abrufbar ist. Denn die jetzige Regelung ist ein Hohn: Nur beim Parlaments­portier kann man die brisante Liste einsehen, dazu muss man sich allerdings extra ins Hohe Haus nach Wien bemühen.

Einflussreiche Politiker
Derzeit geht also Geheimniskrämerei noch vor Offenlegung. Obwohl man manchem Mandatar einen bemerkenswerten Background nicht absprechen kann: SPÖ-Mann Kurt Eder etwa arbeitet seit 25 Jahren beim OMV-Konzern. Auch beim ÖVP-Abgeordneten Michael Ikrath liegt es in der Natur seiner Nebentätigkeit – Generalsekretär beim Sparkassenverband –, welche Interessen er vertritt.

Lobbyisten
Der Wiener Schwarze Ferdinand Maier ist nicht nur General des Raiffeisen-Verbandes – er ist auch für zwei Medienunternehmen tätig. ÖVP-Kollege Günter Stummvoll bezieht unter anderem eine Pension der Industriellenvereinigung – und eine ganze Reihe von SPÖ-Abgeordneten werkt bei ÖGB oder AK (siehe Liste links).

Sehr bescheiden
Bei einem ÖSTERREICH-Rundruf wollten einige Politiker, die laut Liste Einkünfte beziehen, nichts davon wissen. Obwohl sie ihren Namen selbst auf diese Liste gesetzt hatten, erklärten sie, ihr Zusatz-Verdienst sei so bescheiden, dass er unter die entscheidende Grenze von 1.123,23 Euro brutto fällt. Warum sie trotzdem auf der Liste aufscheinen, sagten sie nicht.

Kampf gegen Windmühlen
So lange Rot und Schwarz den Widerstand aufrecht­erhalten, steht Prammer mit ihrer Forderung allerdings auf verlorenem Posten. Denn für die Enthüllung der Gehälter ist eine Gesetzesänderung notwendig. Stellen sich die Regierungsparteien weiter gegen sie, muss die Präsidentin ihre Pläne begraben.

Vorbild im Nachbarland
In Deutschland gibt es den viel beschworenen „gläsernen“ Politiker seit dem Sommer. Dort hat man verordnet, alle Nebentätigkeiten und Lobbyisten-Jobs im Internet publik zu machen. In einer Bandbreite werden auch die Gehälter angeführt, damit sich das Volk ein Bild machen kann, wer die Abgeordneten noch bezahlt.

Wer extra verdient - Die geheime Liste

Josef Broukal: Der rote Quereinsteiger hat diverse Jobs nebenher laufen. So ist er etwa als Moderator zu buchen.

Erwin Niederwieser: Der SPÖ-Mann ist nicht nur Schulsprecher im Klub, sondern auch Funktionär der AK Tirol.

Sabine Oberhauser: Die SPÖ-Gesundheitssprecherin ist Beamtin und Ärztin bei der Gemeinde Wien.

Gertrude Brinek: Sie verbindet zwei Jobs: ÖVP-Wissenschaftssprecherin und einen Lehrauftrag an der Uni.

Peter Ikrath: Vertritt Anliegen des Österreichischen Sparkassenverbandes und der Volkspartei.

Fritz Neugebauer: Der berühmteste schwarze Multifunktionär: Beamtengewerkschafter, ÖAAB-Chef, Abgeordneter.

Peter Pilz: Grüner Aufdecker publiziert seine Storys zwischen Buchdeckeln und hat so netten Nebenverdienst.

Wolfgang Zinggl: Der Grüne lässt sich sein Engagement als Künstler nicht nehmen – geringes Einkommen daraus.

Bruno Rossmann: Grüner Budgetexperte will Anstellung bei der Wiener ­Arbeiterkammer nicht aufgeben.

Harald Vilimsky: Der Blaue hat einen Vertrag bei der Wiener Partei. Einer der wenigen, der sein Gehalt offenlegt.

Werner Neubauer: Als FPÖ-Abgeordneter findet er noch Zeit für seine Tätigkeit beim Magistrat in Linz.

Josef Bucher: Der BZÖ-Mandatar lässt sich Job als Aufsichtsratvorsitzender bei Kärnten Tourismus nicht nehmen.

Veit Schalle: Sitzt seit der Wahl 2006 für die Orangen im Nationalrat. Parallel diverse Tätigkeiten als Unternehmer.

Herbert Scheibner: Der BZÖler versucht, seine Firma Scheibner Business Development zum Laufen zu bringen.

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