"Inakzeptabel"

Schwere Vorwürfe gegen Justizministerium

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Ministerium soll Gesetz-Entwurf nach Begutachtungsfrist geändert haben.

Im Zusammenhang mit einer geplanten Änderung der Strafprozessordnung (StPO) erhebt der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) schwere Vorwürfe gegen Justizministerin Beatrix Karl (V). Das Justizministerium soll einem Gesetzesentwurf nach Ablauf der Begutachtungsfrist und vor der Vorlage an den Ministerrat gravierende Änderungen hinzugefügt haben, die laut ÖRAK der Begutachtung bewusst entzogen waren. ÖRAK-Präsident Rupert Wolff spricht von einem "versteckten Angriff auf Grundpfeiler des demokratischen Rechtsstaates" und "demokratiepolitischem Unverständnis", wie er am Donnerstag in einer Presseaussendung feststellte.

Angriff auf Berufs-, Redaktionsgeheimnis
Der Gesetzesentwurf sieht unter anderem eine Neuregelung des § 112 StPO vor, der die Sicherstellung von schriftlichen Aufzeichnungen oder Datenträgern bei Berufsgruppen regelt, die die verschwiegene Behandlung ihnen überlassener Daten und Informationen zu wahren haben. Dies betrifft unter anderem Rechtsanwälte, Steuerberater, Notare, Ärzte, Geistliche und Journalisten. Der Regierungsvorlage zufolge sollen einer Straftat beschuldigte Vertreter dieser Berufe künftig nicht mehr wie bisher der Sicherstellung von Aufzeichnungen und Datenträgern widersprechen können. Die Befürchtung: Anwälte oder Journalisten könnten von den Anklagebehörden künftig formell als Beschuldigte geführt werden, um die Sicherheitsbehörden in den Besitz des gesamten Akten- bzw. Datenmaterials einer Kanzlei oder Redaktion zu bringen.

Wie ÖRAK-Präsident Wolff betonte, hätte diese Änderung "in der Begutachtung verheerende Kritik erfahren. Diese Pläne wären im Rahmen eines ordentlichen Begutachtungsverfahrens von allen Experten in der Luft zerrissen worden. Das wusste auch das Justizministerium und ließ die betreffende Passage deshalb erst nach Ende der Begutachtung hinzufügen". Die betroffenen Berufsgruppen und die Öffentlichkeit seien darüber nicht einmal im Nachhinein informiert worden.

Wolff ortet eine "inakzeptable Vorgehensweise", zumal es - sollte der Gesetzesentwurf abgesegnet werden - "künftig ein Leichtes sei, die Verschwiegenheit eines Rechtsanwaltes oder das Redaktionsgeheimnis auszuhebeln, indem man den Betroffenen in die Position eines Beschuldigten versetzt". Der ÖRAK-Präsident fordert daher das Parlament nachdrücklich auf, die geplante Gesetzwerdung zu verhindern: "Sollten die Regierungsparteien im Parlament dieses Gesetz nun einfach durchwinken, wäre der Skandal perfekt. Wenn wir in Österreich noch einen Funken politischen Anstand besitzen, muss das Parlament diesen Gesetzesentwurf ablehnen."

Karl: "Will Berufsgeheimnis stärken"
In einer Aussendung nahm die Justizministerin zu den Vorwürfen Stellung: Mit der Gesetzes-Änderung wolle sie keine Aushebelung des Redaktionsgeheimnisses bewirken, sondern "das Berufsgeheimnis durch doppelte Absicherung stärken." Hausdurchsuchungen seien weiterhin nur mit richterlicher Bewilligung zulässig, bekräftigte die Justizministerin. Während aber derzeit noch ein Haft- und Rechtschutzrichter nach Beschlagnahmung in Anwesenheit der Staatsanwaltschaft und des Betroffenen prüft, welche Unterlagen verwertet werden dürfen, sollen in Zukunft Staatsanwälte mit den Betroffenen eine "Ersteinsicht" durchführen. Widerspruchsrecht kommt dem einer Straftat Beschuldigten dabei keines mehr zu.

Ministerium kontert Vorwürfe
Auch das Ministerium lässt die Kritik an der geplanten Änderung des Strafprozessordnung nicht gelten. "Die Debatte geht von falschen Voraussetzungen aus. Der Entwurf ist auf ganz normalem Weg begutachtet worden. Niemand hat was vorbeigeschummelt", erklärte Sektionschef Christian Pilnacek gegenüber der APA. Nach zahlreichen Stellungnahmen habe man sich am Ende entschieden, die geplanten Änderungen an den § 112 und 116 StPO in einen Entwurf zu gießen, mit dem neben der Strafprozessordnung auch das Tilgungsgesetz und das Strafregistergesetz geändert werden sollen. "Ein ganz normaler Vorgang. Da war auch keine Heimlichkeit dabei. Der Entwurf ist auf der Homepage des Parlaments einsehbar."

Laut Pilnacek sei weder an eine Einschränkung des Redaktionsgeheimnisses noch an einen Eingriff in die berufliche Verschwiegenheitspflicht gedacht. "Wie schon bisher kann ein Staatsanwalt nicht ohne gerichtliche Bewilligung in eine Anwaltskanzlei oder Redaktionsräumlichkeiten hinein. Der Entwurf ändert nichts daran. Laut StPO können bei verdächtigen Anwälten, Steuerberatern oder Notaren Unterlagen nur bei besonders dringendem Tatverdacht beschlagnahmt werden."

Jarolim: "SPÖ wird nicht mitspielen"
Wie SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim gegenüber der APA betonte, waren die vom Justizministerium beabsichtigten Änderungen des § 112 StPO koalitionsintern "nicht abgestimmt". Es sei "erstaunlich und bedenklich", wenn das Justizministerin nach Abschluss des Begutachtungsverfahrens "in einem extrem heiklen Bereich Überarbeitungen vornehmen lässt". Die SPÖ werde bei einer Einschränkung des Redaktionsgeheimnis "nicht mitspielen. Dazu gibt es von unserer Seite ein glattes Nein."

Scharfe Kritik erntete Justizministerin Karl von der Opposition. "Dieser Gesetzesentwurf ist abzulehnen", verlautete der freiheitliche Justizsprecher Peter Fichtenbauer. Der Entwurf ziele auf eine klare Aushöhlung der Schutzwirkungen der Verschwiegenheitspflicht und widerspreche der EMRK, da nach Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte das Anwaltsgeheimnis ein verfassungsrechtlich abgesichertes Grundrecht darstellt.

Für das BZÖ wandelt die Justizministerin "auf den Spuren Metternichs", wie Justizsprecher Gerald Grosz und Mediensprecher Stefan Petzner bekundeten. Sie interpretierten den Gesetzesentwurf als "unglaublichen Versuch, mittels Umgehung der Grundrechte direkten Einfluss auf missliebige Aufdecker zu nehmen. Zuerst hat die ÖVP versucht, mittels der Zeugenregelung an Unterlagen und Informanten von Journalisten und Oppositionsabgeordnete heranzukommen, jetzt ändert man die Strategie und will mittels einer Beschuldigtenregelung den Aufdeckern des Landes habhaft werden". Gross und Petzner bezeichneten Karl als "endgültig rücktrittsreif".
 

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