Mitterlehner will vom Kanzler Sacharbeit im Mittelpunkt sehen.
Die ÖVP will dem Koalitionspartner SPÖ nicht die heiß umworbene Mittelschicht überlassen und diese in den nächsten Wochen mit einer Initiative für mehr Wohneigentum locken. Von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) erwarte man wieder mehr Sacharbeit, betonte ÖVP-Chef Vizekanzler Reinhold Mitterlehner am Montag bei einer Pressekonferenz nach den Parteigremien.
Die Wahl in Frankreich bestätigte die These, dass "der Peak des Populismus erreicht worden ist" und in Europa eine "Abwärtstendenz" feststellbar sei, meinte Mitterlehner. Auch für Österreich erkennt er den Hinweis, dass Sacharbeit einen gewissen Stellenwert haben müsse. In der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik gehe die Bundesregierung den richtigen Weg, es brauche aber weitere Maßnahmen, wie die geplante Erhöhung der Forschungsprämie auf 14 Prozent.
Man erwarte nun von Kern, "dass er sich nicht nur als Bundeskanzler inszeniert oder gar als Pizzaverkäufer", konnte sich Mitterlehner den ein oder anderen Seitenhieb nicht verkneifen. Der Kanzler müsse die Sacharbeit in den Mittelpunkt stellen.
Ringen um Einigung
Die Regierung ringt gleich bei einigen dieser Sachthemen seit Wochen um eine Einigung: So ist etwa die Dämpfung der Kalten Progression im Arbeitsprogramm ebenso mit dem Etikett "Ministerrat im April" versehen wie die "Aktion 20.000", mit der Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose über 50 gefördert werden sollen. In beiden Fragen gebe es noch "Klärungsbedarf", sagte Mitterlehner auf entsprechende Journalistenfragen Montagvormittag. Ob sich eine Einigung bis zur morgigen Regierungssitzung - der letzten im April - ausgeht, ist offen, zumal sich Regierungschef Kern noch bis morgen in Israel befindet. "Die Qualität bestimmt die Vorgangsweise", wollte sich Mitterlehner nicht auf einen Termin festlegen.
Im "Großen und Ganzen" halte man den Plan ein, betonte Mitterlehner. Auf Fragen, wie es mit der Kürzung der Familienbeihilfe für Kinder im Ausland weitergeht, bei der es zuletzt auch ÖVP-intern Unstimmigkeiten gegeben hatte, ging Mitterlehner nicht im Detail ein.
Neue Wohneigentums-Initiative
Der Parteivorstand und die Bundesparteileitung legten sich in ihren Sitzungen jedenfalls darauf fest, in den nächsten Wochen eine Initiative zu leistbaren Eigentumswohnungen und -häusern zu starten. Mit einer Wohneigentumsquote von lediglich 55,7 Prozent (2015) liege Österreich EU-weit nur an vorletzter Stelle, erklärte der ÖVP-Chef. Man werde sich dem Thema auf allen Ebenen widmen - es gehe um Grunderwerbssteuer und Umsatzsteuer, Miet-Kauf-Modelle oder technische Vorschriften im Bauwesen. Auch sprach sich Mitterlehner einmal mehr gegen Steuererhöhungen bei Eigentum und Vermögen aus.
Im Bereich Europa will die ÖVP in den kommenden Tagen einen Stellungnahmenentwurf zu den Thesen für ein neues Europa fertigstellen, wobei Mitterlehner hier durchaus konkrete Unterschiede zur SPÖ sieht: Man wolle ein Europa mit mehr Subsidiarität und weniger Anlassgesetzgebung und außerdem weg von einer EU mit "sozialen Utopien" hin zu mehr Leistungsorientierung. Auch das Programm für die EU-Präsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 steht auf der Agenda. Gefragt nach einem möglichen zeitgleichen Nationalratswahlkampf meinte der ÖVP-Chef: "Es hat Vorteile, es hat Nachteile - und es ist entsprechend miteinander vereinbar."