Kanzler vor Aus

SPÖ für Misstrauen gegen gesamte Regierung

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Das beschloss das SPÖ-Präsidium am Sonntagabend noch einstimmig.

Das Bundesparteipräsidium der SPÖ hat sich am Sonntagabend einstimmig für eine Empfehlung an den SP-Parlamentsklub ausgesprochen, Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und der gesamten Bundesregierung das Misstrauen auszusprechen. Das hat Parteichefin Pamela Rendi-Wagner nach mehrstündigen Beratungen bekannt gegeben.

Kurz habe die vergangenen zehn Tage keine vertrauensbildenden Maßnahmen gesetzt, begründete sie vor Journalisten die Empfehlung für das Misstrauensvotum. Er habe für eine "ÖVP-Alleinregierung" gesorgt, ohne sich vorher mit den anderen Fraktionen abgestimmt zu haben.

Kurz-Kanzlerschaft trotz VP-Europawahl-Triumph akut bedroht

Die ÖVP hat dem europäischen Trend getrotzt und bei der EU-Wahl einen rauschenden Erfolg für die Konservativen eingefahren. Die 34,5 Prozent bedeuten das beste Ergebnis einer österreichischen Partei bei einem europäischen Urnengang. Dennoch bleiben die Wahlverlierer SPÖ und FPÖ bei ihrem Vorhaben, Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Montag im Nationalrat abzuwählen.

Neben der Volkspartei, die rund sieben Prozentpunkte zulegte, sind die Grünen die großen Gewinner der EU-Wahl. Nur eineinhalb Jahre, nachdem sie aus dem Nationalrat flogen, kehrten sie wie Phönix aus der Asche zurück und holten 13,5 Prozent. Die Abspaltung JETZT, die diesmal mit dem ehemaligen EU-Parlamentarier Johannes Voggenhuber ins Rennen ging, scheiterte dagegen mit einem Prozent kläglich. Listengründer Peter Pilz regte daraufhin eine Zusammenarbeit der beiden Parteien bei der Nationalratswahl an.

Die NEOS blieben am Sonntag bei ihren gut acht Prozent von vor fünf Jahren hängen, konnten damit aber weit besser leben als Freiheitliche und vor allem SPÖ. Während erstere ihr Minus von zwei Prozentpunkten auf 18 Prozent noch mit dem Ibiza-Skandal inklusive Rücktritt von Parteichef Heinz-Christian Strache erklären konnten, waren die Sozialdemokraten, die nur noch 23,5 Prozent haben, eher ratlos.

SP-Granden stellen sich vor Rendi

Dass Parteichefin Pamela Rendi-Wagner für das "Scheiß-Ergebnis" (Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer) mitverantwortlich ist, wollte zumindest öffentlich keiner der Granden sagen, die noch am Sonntagabend zu einer Präsidiumssitzung zusammengekommen waren. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser sprach sich vage gegen personelle Schnellschüsse aus.

SP braucht Unterstützung von FP

Lieber konzentrierte sich die SPÖ auf einen Gegenangriff: "Diese Wahl ist vorbei, und wir stehen ab morgen vor der nächsten Wahlauseinandersetzung." Dass man es da nicht mit einem Kanzler zu tun haben will, machte Rendi-Wagner klar. Kurz nutze das Scheitern seiner Regierung für einen "Ich-Wahlkampf", beklagte die SPÖ-Chefin schon einige Stunden, bevor das Parteipräsidium einstimmig einen Misstrauensantrag gegen die gesamte Regierung beschloss.

Um den erfolgreich zu gestalten, bräuchten die Sozialdemokraten die Unterstützung der Freiheitlichen. Deren Obmann Norbert Hofer hielt sich bedeckt, hat aber eine klare Tendenz. Die hat auch Spitzenkandidat Harald Vilimsky, er vertraut dem Kanzler nicht mehr.

Die Grünen haben nach ihrem Wahltriumph, nach dem sie spätestens nach dem Brexit ihre drei Mandate im Europaparlament wieder haben, ein Luxusproblem. Sie wissen nicht, ob sie ihren erfolgreichen Parteichef Werner Kogler auch als Spitzenkandidat in die Nationalratswahl schicken sollen. Er selbst peilt für den wohl im September stattfindenden Urnengang eine "Team-Lösung" an. Sein Ziel sei jetzt einmal, ins EU-Parlament einzuziehen.

Neben dem Misstrauensantrag gibt es in den kommenden Tagen noch zwei offene Fragen zu klären. Da geht es einerseits darum, dass das vorläufige Wahlergebnis noch um die Wahlkarten ergänzt wird, was wohl die FPÖ ein wenig nach unten drückt, die NEOS etwas nach oben hebt und den Grünen noch ein Mandat von der SPÖ bescheren könnte. Zusätzlich wird am Dienstag oder Mittwoch feststehen, wer wie viele Vorzugsstimmen erreicht hat. Das ist vor allem für die Volkspartei entscheidend, da sie ihre (sieben) Mandate nach der Anzahl der persönlichen Unterstützungen vergibt.

Einer ist schon jetzt zufrieden. Bundespräsident Alexander Van der Bellen freute sich über die klare Mehrheit der pro-europäischen Parteien. Positiv ist jedenfalls die Wahlbeteiligung, die knapp 59 Prozent erreichte, historisch der zweitbeste Wert bei EU-Wahlen überhaupt,
 

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