Mit dem Schulstart kommt ein Teil der Bildungsreform in den Klassenzimmern an.
Ab Montag beginnt (zunächst in Wien, NÖ und dem Burgenland, ab 12. September dann im Rest Österreichs) für 84.000 Taferlklassler der Ernst des Lebens – mit dem ersten Schultag.
Die Kids erwartet gleich eine große Neuerung: Sitzenbleiben und Noten wird es für sie am Anfang nicht mehr geben. Doch auch für die übrigen 1,1 Millionen Schüler in ganz Österreich wird sich mit diesem Schuljahr so einiges ändern:
Ausbildung bis zum 18. Lebensjahr, sonst Strafe
Die wichtigsten Neuerungen im Schuljahr 2016/17:
- Keine Noten: Jede Volksschule kann künftig autonom entscheiden, ob sie Noten an ihre Schüler (von der 1. bis zur 3. Klasse) oder lieber eine alternative Leistungsbeurteilung vergeben will. Den Beschluss fasst ein Gremium aus Eltern und Lehrern innerhalb der ersten neun Schulwochen.
- Übergreifend: Ebenfalls auf Wunsch der Eltern kann „schulstufenübergreifend“ unterrichtet werden.
- Kein Sitzenbleiben: Wer einen „Fleck“ hat, muss bis zur 3. Klasse Volksschule nicht mehr das Jahr wiederholen. Erleichtert werden aber Wechsel zwischen Schulstufen unter dem Schuljahr – also für leistungsschwache oder besonders gute Schüler.
- Schulstart: Taferlklasslern soll der Wechsel vom Kindergarten in den Schulalltag erleichtert werden – u. a. mit einem persönlichen Portfolio, in dem Interessen, Talente und Sprachstand des Kindes beschrieben sind
- Politische Bildung ist für Schüler der 6. bis 9. Schulstufe im Lehrplan verankert.
- Ausbildung: Heuer gilt erstmals die neue Ausbildungspflicht. Wer unter 18 ist, muss entweder Schule besuchen oder Lehre absolvieren. Bei Verstößen drohen Erziehungsberechtigten Geldstrafen bis zu 500 Euro. (fis)
Keine Noten: Schon 2.000 Schulen machen das so
Schon bisher wurde an 2.000 der 3.000 Volksschulen auf Noten verzichtet. Dafür war allerdings ein Schulversuch notwendig. Jetzt können Schulen aber ganz einfach, unter Einbeziehung der Eltern, autonom darüber entscheiden.
Erfahrung
Die Volksschule Darwingasse im 2. Bezirk in Wien (Bild) arbeitet schon seit Jahren mit alternativer Leistungsbeurteilung. „Wir haben bis jetzt nur gute Erfahrungen damit gemacht“, erzählt Direktorin Renate Kammer in ÖSTERREICH.
Sie ließ schon bisher jedes Jahr Eltern und Lehrer klassenweise über den Schulversuch abstimmen. Letztes Jahr machten drei Klassen mit. Die neue Möglichkeit zur Abschaffung der Noten, die die Schulreform bietet, will Kammer für ihre Schule nutzen.
Experte: "Kinder wollen ja Feedback bekommen"
Schul-Experte Andreas Salcher übt Kritik an der Reform und alternativer Benotung.
ÖSTERREICH: Was halten Sie von der Bildungsreform, die mit diesem Schuljahr in den Klassenzimmern ankommt?
Andreas Salcher: Dramatische Neuerungen kann ich nicht erkennen, ehrlich gesagt. Mit Ausnahme dessen, dass Eltern jetzt entscheiden können, ob ihre Kinder in der Volksschule Noten bekommen bis zur dritten Klasse. Was ich sehr gut finde, ist der jahrgangsübergreifende Unterricht. Aus Wien weiß ich, dass das in den Volksschulen gut ankommt.
ÖSTERREICH: Was fehlt Ihnen in dem Paket?
Salcher: Ich bin dafür, dass auch Lehrer von Schülern bereits in der Volksschule Feedback bekommen. Noch ist das ein Tabu.
ÖSTERREICH: Ist es eine gute Idee, Kinder in den ersten drei Schulstufen nicht zu benoten?
Salcher: Kinder brauchen und wollen auch Feedback. Ob das in Form von Noten oder verbalen Beurteilungen geschieht, halte ich nicht für spielentscheidend. Klar dürfen Noten den Kindern nicht die Lernfreude zerstören und ich halte das Modell auch für humanistisch in Ordnung. Aber wenn es dann ab der 4. Klasse plötzlich Noten gibt, erzeugt das enormen Druck. Ich bin neugierig, wie man das lösen wird.