Für Österreicher kommt EU-Konsolidierung vor weiteren Erweiterungen.
80 Prozent der Österreicher sind gegen einen EU-Beitritt der Türkei, nur mehr zehn Prozent befürworten einen solchen. Dies ergab eine am Dienstag veröffentlichte Umfrage der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE). "Mit dem unverhältnismäßigen Vorgehen gegen Kritiker verabschiedet sich die Türkei selbst aus dem Beitrittsprozess", analysierte ÖGfE-Generalsekretär Paul Schmidt.
Es gebe klare Beitrittskriterien der Europäischen Union, die für alle Kandidatenländer gelten würden. Dazu zählten Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte, Voraussetzungen, von denen sich die heutige Türkei entferne, so Schmidt. Die EU sei gefordert, "die Rückschritte klar zu benennen, ihre roten Linien zu kommunizieren und den Druck auf Ankara zu erhöhen", forderte Schmidt.
In der aktuellen ÖGfE-Umfrage hielten insgesamt 24 Prozent der Befragten die "Erweiterung der EU um weitere Mitgliedstaaten" für "sehr wichtig" (sechs Prozent) bzw. "wichtig" (18 Prozent). Insgesamt 72 Prozent betrachteten sie als "weniger wichtig" (40 Prozent) bzw. "gar nicht wichtig" (32 Prozent). Dagegen werde eine "Vertiefung der Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten" von insgesamt 85 Prozent als "sehr wichtig" (47 Prozent) oder "wichtig" (38 Prozent) empfunden.
Was die Zustimmung zu einem EU-Beitritt der einzelnen Länder am Westbalkan betreffe, habe sich in den vergangenen sechs Jahren wenig verändert, so Schmidt. Ein Viertel der Österreicher (24 Prozent) meine, Österreich sollte sich besonders dafür einsetzen, dass die Länder des Westbalkan Teil der EU werden würden. 57 Prozent würden dies nicht als Priorität österreichischer Außenpolitik sehen.
Die geringsten Vorbehalte, was eine zukünftige EU-Mitgliedschaft betrifft, brächten die Österreicher aktuell Bosnien-Herzegowina entgegen. 26 Prozent wären für den EU-Beitritt des Landes, ebenfalls 26 Prozent äußerten sich indifferent, 46 Prozent jedoch ablehnend (Rest auf 100 Prozent "weiß nicht/keine Angabe"). Etwa gleichauf liege Serbien, gefolgt von Montenegro, Mazedonien, dem Kosovo und Albanien (20 Prozent: "begrüßen", 22 Prozent: "egal", 52 Prozent: "ablehnen").
"Gerade für Österreich ist ein politisch und wirtschaftlich stabiles Umfeld in unserer Nachbarschaft besonders bedeutend", so Schmidt. Österreich solle daher die Integrationsbemühungen der Länder in der Region weiterhin aktiv unterstützen, insbesondere zivilgesellschaftliche Initiativen fördern und die Umsetzung notwendiger Reformen sowie den Ausbau der Rechtsstaatlichkeit einfordern. "Die EU muss sich allerdings erst selbst konsolidieren, bevor die Aufnahme weiterer Mitgliedsländer seriös ins Auge gefasst werden kann", so Schmidt.
Für die von der ÖGfE beauftragte Studie wurden im Oktober österreichweit 528 Personen per Telefon befragt. Die Schwankungsbreite beträgt 4,5 Prozent.