Kritische Fragen in Straßburg

VdB zerstreute Sorgen über Schwarz-Blau

Teilen

Bundespräsident an Parlamentarische Versammlung: Nicht 'in Panik' verfallen.

Überschattet von der Aufregung über die Causa Landbauer und dem Boykott der Israelitischen Kultusgemeinde der Gedenkveranstaltungen in Österreich hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Donnerstag den Europarat in Straßburg besucht. Vor der Parlamentarischen Versammlung musste er sich zahlreiche kritische Fragen wegen der Regierungsbeteiligung der FPÖ anhören.

Bereits in seiner Rede vor der Parlamentarischen Versammlung bemühte sich Van der Bellen, Sorgen über die Regierungsbeteiligung der FPÖ zu zerstreuen. Er versicherte, dass Österreich auch nach dem Regierungswechsel "klar pro-europäisch" eingestellt sei. Bei der anschließenden Fragerunde konfrontierten zahlreiche Abgeordnete den Bundespräsidenten dann mit kritischen Fragen zum Rechtsruck in Österreich.

"Abwarten, was die Regierung wirklich tut"

Van der Bellen appellierte, die Sorgen, die er bis zu einem gewissen Grad verstehe, "ernst zu nehmen, aber nicht in einen Zustand von Panik" zu verfallen. Es sei wahr, dass bei einem "der Koalitionspartner xenophobe Tendenzen in der Vergangenheit präsent waren" und eine sehr kritische Haltung zur EU. Aber "ich würde abwarten, was die Regierung wirklich tut", sagte der Bundespräsident.

Bereits im Jahr 2000 habe es große Besorgnis in der EU wegen der Regierungsbeteiligung der FPÖ gegeben. Aber wenn man unterscheide "zwischen Rhetorik und den konkreten Maßnahmen, die im Parlament präsentiert wurden", müsse man sagen, "OK, das war eine Mitte-Rechts-Regierung, aber es wurden keine Menschenrechte verletzt". Van der Bellen verwies auch auf seine beschränkten Befugnisse als Bundespräsident in Österreich. Zugleich betonte er, dass die Zivilgesellschaft in Österreich stark sei und der Verfassungsgerichtshof eine "Institution, in die man wirklich vertrauen kann".

Keine spezifisch österreichische Entwicklung

Der Bundespräsident wies schließlich darauf hin, dass die Situation in Österreich keine spezifisch österreichische politische Entwicklung sei. Auch in anderen Ländern Europas gebe es besorgniserregende Entwicklungen, sagte er. Er verwies auf den EU-Austritt Großbritanniens, und auf die Präsidentschaftswahl in Frankreich vergangenes Jahr, wo ihm "ein Stein vom Herzen gefallen" sei, als Emanuel Macron gegen die Front National-Kandidatin Marine Le Pen gewonnen habe. Zum Wahlsieg von ÖVP und FPÖ meinte er: "Das ist normale Demokratie, c'est la vie".

Ihm sei wichtig zu betonen, dass die weit überwiegende Mehrheit der Österreicher die EU-Mitgliedschaft ihres Landes befürwortet, so Van der Bellen. Er habe "bei der Regierungsbildung in Österreich allergrößten Wert daraufgelegt (...), dass die Regierung ein klares Bekenntnis zu Europa abgibt" und dass die "Kontinuität unserer Außenpolitik ebenso wie die Einhaltung unserer Grund- und Freiheitsrechte wichtige, unverhandelbare Grundprinzipien sind".

VdB lobte Europarat

In seiner Rede lobte Van der Bellen den Europarat fast 70 Jahre nach dessen Gründung als "eine der großen politischen Konstanten Europas". Und "diese Konstanz, diese grundlegende, wertefundierte Basis, braucht Europa heute mehr denn je", mahnte Van der Bellen. Der Europarat sei zwar nicht der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, verfüge aber doch über Instrumente, die - wenn sie richtig angewendet würden - einen Beitrag zur Stabilisierung und zur möglichen künftigen Lösung von Konflikten leisten könnten. Alle Länder sollten verstärkt daran arbeiten um dieses Potenzial voll auszuschöpfen, so Van der Bellen, der dafür appellierte, "den starken Grundkonsens früherer Jahre, insbesondere nach dem Fall des Eisernen Vorhangs", wiederzubeleben.

Mit Sorge sehe er, dass die Venedig-Kommission des Europarats öfter "wegen Gutachten angegriffen und infrage gestellt werde, die nicht den politischen Präferenzen der Regierung des betroffenen Landes entsprechen". Außerdem gebe es immer wieder Versuche, den "Menschenrechtsschutz und insbesondere auch Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht umzusetzen oder diese einschränkend zu interpretieren", kritisierte Van der Bellen. "Diesen Versuchen ist entschieden entgegen zu treten", forderte er.

Er hoffe sehr, dass die Frage der möglichen Rückkehr der russischen Parlamentarierdelegation in die Parlamentarische Versammlung im Konsens "ohne Sieger und ohne Besiegte" gelöst werden könne, so Van der Bellen. Auch in Bezug auf die schwierige Budgetsituation verlieh der Bundespräsident seiner Hoffnung Ausdruck, "dass die Russische Föderation ihre Entscheidung (zur Aussetzung der Beitragszahlungen, Anm.) mit der gebotenen Dringlichkeit noch einmal überprüfen wird".

Gedenkveranstaltung

Nach seinem rund einstündigen Auftritt in der Parlamentarischen Versammlung nahm der Bundespräsident an einer Gedenkveranstaltung des Europarats zum Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz teil. Am Nachmittag stattete er außerdem dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einen Besuch ab.

Der Europarat steckt fast 70 Jahre nach seiner Gründung in einer tiefen Krise. Der Konflikt mit Russland seit der Krim-Annexion sorgt nun auch für eine akute Budgetkrise. Die russische Delegation nimmt seit April 2014 nicht mehr an Sitzungen der Versammlung teil. Damals war ihnen als Reaktion auf die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim das Stimmrecht entzogen worden. Im Juni 2017 hat Russland zudem seine Mitgliedsbeiträge für den Europarat eingefroren.

Zudem weigert sich Russland, aber auch andere Länder immer wieder, Urteile des EGMR umzusetzen. Gegen Aserbaidschan läuft derzeit deshalb ein Verfahren des Europarats. Das Verfahren, das zum ersten Mal angewendet wird, könnte zu einem Ausschluss aus dem Europarat führen.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.