Ex-Bundespräsident kritisiert parteipolitisch motivierte Zuspitzung in Flüchtlingsfrage.
Ex-Bundespräsident Heinz Fischer und Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl rechnen nicht mehr mit einer SPÖ-ÖVP-Koalition nach der Nationalratswahl am 15. Oktober. "Die Große Koalition hat nach den Ereignissen der letzten Jahre schlechte Karten", meinte Fischer Montagabend bei einer gemeinsamen Buchpräsentation mit Leitl. "In einer Demokratie gehört Wechsel dazu", sagte Leitl.
Wenn eine Koalition aus SPÖ und ÖVP ein Jahrzehnt die Regierung stelle und dabei nicht alle Potenziale hebe, sei Kritik daran nachvollziehbar, erklärte der Chef des ÖVP-Wirtschaftsbundes. "Die Gesprächs- und Handlungsfähigkeit aller mit allen soll aber gegeben sein", so Leitl. Ähnlich der frühere SPÖ-Politiker Fischer: "Wenn SPÖ oder ÖVP in Opposition sind, dann wird es die Aufgabe sein, gewisse gemeinsame Werte und Themen außer Streit zu stellen." Fischer nannte etwa die Europapolitik.
Kritik an ausländerfeindlichen Tönen
Kritik übte das ehemalige Staatsoberhaupt an ausländerfeindlichen Tönen im laufenden Wahlkampf. Fischer zielte damit auf ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz, ohne diesen namentlich zu erwähnen. "Migration ist nichts Neues. Die größte Migrationswelle hat es nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben. Es ist ein Problem, Menschen aus anderen Ländern und Kulturen aufzunehmen. Es ist umso schlimmer, wenn man dieses Problem aus parteipolitischen Gründen zuspitzt und dramatisiert." Der Satz, wonach jene, die nicht ins Sozialsystem eingezahlt haben, auch keine Sozialleistungen erhalten sollen, ist laut Fischer ein "sehr gefährlicher", wenn man Integration will. Damit "sabotiere ich eigentlich Integration".
Fischer und Leitl präsentierten in Wien ihr gemeinsames Buch "Österreich für Optimisten". Trotz mancher beunruhigender Entwicklungen hätte Österreich allen Grund, optimistisch zu bleiben, so die Grundaussage der Neuerscheinung. Leitl: "Bei allen Defiziten leben wir in einem tollen Land." Seine frühere Aussage, Österreich sei "abgesandelt", sei in diesem Sinne als "Weckruf" zu werten gewesen. Inzwischen geige Österreich wirtschaftlich wieder auf.
"Die Grundidee ist, dass Österreich ein Land ist, in dem eine solide Basis für Optimismus da ist", erklärte Fischer. "Der Satz 'Wir schaffen das' ist ja schon von der deutschen Bundeskanzlerin besetzt, aber die Botschaft ist es."