Angriffige Sprüche

Wahlkampf: Stellvertreter-Kriege sind richtig schmutzig

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Experten: Das wirklich Schmutzige auf Stellvertreterebene verlagert.

Der Präsidentschafts-Wahlkampf ist laut Experten durchaus "schmutzig", allerdings eher in zweiter oder dritter Reihe. Die Kandidaten versuchten sich derzeit aus Untergriffigkeiten rauszuhalten, meint etwa Politberater Thomas Hofer, die sozialen Netzwerke dienten als "Brandbeschleuniger". "Das wirklich Schmutzige ist verlagert worden auf die Stellvertreterebene", so Demoskop Wolfgang Bachmayer.

Bachmayer verwies etwa auf FPÖ-Politikerin Ursula Stenzel, die am Rande der Fernseh-Konfrontation im Privat-TV-Sender Puls 4 (wie auch am Rande der Konfrontation auf oe24.tv, Anm.) für angriffige Sprüche gesorgt hatte. In die gleiche Kategorie falle das Herbeiziehen von "Beweisen" für dirty campaigning in den sozialen Medien durch die beiden Kandidaten selbst - "mit entsprechender sofortiger Parierungen auf der anderen Seite".

Als Beispiel brachte Bachmayer jenes (mittlerweile wieder gelöschten) Facebook-Posting eines Funktionärs der Kapfenberger FPÖ, das Van der Bellens Wahlkampf-Sujet in den Bergen mit einem Foto Adolf Hitlers verglich (und das von Hofers Wahlkampfleiter Martin Glier auf Twitter mit dem Kommentar "Autsch" und drei Smileys geteilt wurde). Hofer habe - von Van der Bellen damit konfrontiert - sofort eine Mappe mit Beispielen von Negativ-Campaigning gegen ihn präsentiert, sagte der OGM-Chef.

Als "schmutzigsten Wahlkampf aller Zeiten" will Bachmayer den derzeitigen aber nicht bezeichnen. Das Zusammentreffen der Kandidaten auf Puls 4 sei "viel weniger angriffig als erwartet" abgelaufen. Die Tiefschläge werden sich (weiterhin) vor allem auf den Social Media Kanälen abspielen, ist der Meinungsforscher überzeugt. Es könne aber auch sein, dass einer der beiden Kandidaten - sollte er sich im Hintertreffen wähnen - seine Angriffe auf das Gegenüber auch in den beiden noch ausstehenden TV-Konfrontationen auf ATV oder im ORF noch verstärkt - dieser Meinung ist auch Polit-Berater Hofer.

Das erste Ziel einer jeder Polit-Kampagne sei die Emotionalisierung der Wählerschaft, so Hofer - und das überlasse man lieber Dritten. "Wenn die Kandidaten das selber machen, kann das auch nach hinten losgehen."

Polit-Berater Hofer sprach gegenüber der APA von der "brandbeschleunigenden Funktion der Sozialen Netzwerke", über die vor allem die eigene Klientel angesprochen werde. Die FPÖ habe schon lange derartige Kanäle aufgebaut, aber auch die Grünen hätten hier schon nachgezogen. Wenn man eine ungefilterte Botschaft verbreiten kann, verursache das auch eine immer weitere Radikalisierung. "Da wird es dann natürlich in der zweiten und dritten Reihe schmutzig. Das ist keine große Überraschung", so Hofer.

Tiefschläge verortet der Experte auf beiden Seiten. So wurden etwa auf Seite Van der Bellens in der Anti-ÖXIT-Kampagne von Hans-Peter Haselsteiner ebenfalls Bilder aus dem Zweiten Weltkrieg verwendet.

Für Social Media-Expertin Judith Denkmayr von der Agentur "digitalaffair" ist es schon durch die Länge des Wahlkampfes bedingt, dass es zur einen oder anderen Untergriffigkeit kommt. Sie sieht diese aber nicht unbedingt in den sozialen Netzwerken verwurzelt, wenn von dort auch viel davon komme, sagte sie im Gespräch mit der APA. Mittlerweile hätten sich viele Menschen klar deklariert, auch Medien würden teils klar Stellung beziehen. Dies habe insgesamt zu einem zugespitzten Meinungskampf geführt, was sich "natürlich über Social Media auch entlädt".

Der Wahlkampf-Manager von Van der Bellen, Lothar Lockl, hatte am Montag gegenüber der "Tiroler Tageszeitung" den "schmutzigsten Wahlkampf der letzten Jahrzehnte" beklagt und im Ö1-"Morgenjournal das Hitler-Sujet als "Geschmacklosigkeit" und "Neuen Tiefpunkt" bezeichnet. Grünen-Chefin Eva Glawischnig sagte dazu, sie wünsche sich, dass das Rennen um die Hofburg "auf respektvolle Art und Weise" ausgetragen wird.

Kein Verständnis für die Grüne Empörung zeigte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Erstens sei das thematisierte Posting kein Teil der FPÖ-Kampagne, sondern ein Einzelposting eines Funktionärs, so Kickl in einer Aussendung. Außerdem habe die Person, die das Sujet gepostet hatte, nur die Frage in den Raum gestellt, "was Linke reflexartig getan hätten, hätten die Freiheitlichen Norbert Hofer auf diese Art am Plakat in Szene gesetzt" (nämlich einen NS-Vergleich gezogen, Anm.). Beispielsweise habe eine Bezirksrätin der Grünen aus Wien ein Foto von Strache mit einem Hund sofort auf Facebook mit einem entsprechenden Foto von Hitler mit Hund in Verbindung gebracht, so Kickl, der von einer "inszenierten Empörung" Lockls sprach.

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