Die am 3. April abgehaltenen serbischen Parlamentswahlen haben sich mittlerweile in einen endlosen Prozess verwandelt.
1.908 Stimmberechtigte in der albanisch-serbischen Gemeinde Novi Trnovac, dicht an der Grenze zum Kosovo, werden an diesem Donnerstag nämlich schon zum fünften Mal wegen angeblichen Unregelmäßigkeiten zu den Urnen gebeten. Dahinter soll das Bestreben der Regierung stehen, wichtige Entscheidungen wie den Beschluss von Russland-Sanktionen aufzuschieben.
Serbiens Parlament hat 250 Mandatare, von denen 249 längst feststehen. Um den 250. Sitz bemühen sich in Novi Trnovac sowohl ein Bündnis lokaler albanischer Parteien und die mitregierenden Sozialisten des Parlamentspräsidenten Ivica Dacic. Eine ähnliche Situation hat es im Balkanland noch nie gegeben.
Die Wahlwiederholung sei formell betrachtet nicht gesetzwidrig, meint der Belgrader Anwalt und ehemalige Informationsbeauftragte Rodoljub Sabic. Allerdings würde die anhaltende Verzögerung der Konstituierung des Parlaments und der Regierungsbildung den Staat in eine "tragikomische" Situation versetzen. Sabic hält die Wahlwiederholung für einen Vorwand. Für ihn steht fest, dass hinter allem pragmatische Interessen der Behörden steckten. Dies erklärte er am Montag gegenüber der Tageszeitung "Nova".
Mittlerweile liegt alle Entscheidungsmacht bei Präsidenten Aleksandar Vucic, der Ende Mai seine zweite Amtszeit angetreten hat. Eigentlich sind die Befugnisse des Staatschefs laut der Verfassung recht bescheiden. Im serbischen Alltag ist es jedoch längst nicht mehr so. Erst am Samstag hatten Mitarbeiter der serbischen Tochter des Autoherstellers Fiat Chrysler mit Vucic die Höhe der Entschädigungen für die anstehenden Entlassungen vereinbart, nachdem die Verhandlungen mit Ministerpräsidentin Ana Brnabic ergebnislos geblieben waren.
Es geht aber nicht nur um den Autohersteller. Auf die lange Bank wurde auch die Frage der Sanktionen gegen Russland geschoben. Serbien hatte den russischen Angriff auf die Ukraine verurteilt, sich aber den Sanktionen gegen Moskau, seinem wichtigsten Bündnispartner in der Kosovo-Frage, nicht angeschlossen. Der EU-Beitrittskandidat Serbien kann noch immer auf die Tatsache hinweisen, dass das neue Parlament nicht konstituiert worden sei und es auch gar keine neue Regierung gebe, die für solche Entscheidungen zuständig wäre.
Laut der Verfassung ist dem so, dem serbischen Alltag entspricht schon seit Jahren aber eher eine Vorgangsweise, wie sie im Fall Fiat Chrysler angewandt wurde. Die ganze Macht sei beim Präsidenten konzentriert, so Sabic. Das Parlament und die Regierung seien längst in eine bloße Wahlmaschine verwandelt worden.