Wien

Angebliches Opfer von Polizeigewalt zu 15 Monaten Haft verurteilt

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Ein angebliches Opfer von Polizeigewalt ist am Montag am Wiener Landesgericht für Strafsachen wegen Verleumdung und falscher Zeugenaussage verurteilt worden.  

Der 41 Jahre alte Mann fasste 15 Monate Haft aus, die ihm bedingt nachgesehen werden. "Sie haben diese Geschichte erfunden", stellte der Richter in der Urteilsbegründung fest. Verteidiger Helmut Graupner zeigte sich von dieser Entscheidung entsetzt: "Das ist der ultimative Freibrief für Polizeifolter."

"Ich empfinde das als ungerecht. Ich werde gegen den Beschluss vorgehen", legte der 41-Jährige gegen seine erstinstanzliche Verurteilung noch im Gerichtssaal Rechtsmittel ein. Damit muss sich jedenfalls noch das Oberlandesgericht (OLG) mit dem Fall auseinandersetzen. Nach der Verhandlung sagte der 41-Jährige zu den beiden anwesenden Medienvertretern: "So sind die Gerichte. Unfair."

Mann behauptet, Beamten hätten ihn misshandelt 

Der Mann behauptet, er sei am 13. April 2022 auf einer Polizeiinspektion von einem Beamten misshandelt worden. Die Verletzungen, die er nach dem Verlassen der Dienststelle aufwies - darunter ein blutunterlaufendes Auge, Prellungen im Gesichtsbereich und eine Rötung der Augenbindehaut - sind auf Fotos und in Form von Spitalsunterlagen dokumentiert. Der Polizist habe ihm vier bis fünf Schläge in die linke Gesichtshälfte, darunter einen knapp über dem Auge versetzt, hatte der Mann ursprünglich in seiner Anzeige dargelegt. Er gab auch an, er sei gewürgt worden, bis er keine Luft mehr bekam. "Ich habe die Wahrheit gesagt. Ich habe nicht gelogen", versicherte der bisher unbescholtene Angeklagte vor Gericht.

Die Staatsanwaltschaft Wien hatte ihn dessen ungeachtet wegen Verleumdung und falscher Zeugenaussage angeklagt, während das Amtsmissbrauch-Verfahren gegen den Polizeibeamten eingestellt wurde. Einem dagegen gerichteten Fortführungsantrag wurde seitens des Landesgerichts Ende Februar 2023 nicht Folge gegeben. Ausschlaggebend dafür war ein von der Anklagebehörde eingeholtes gerichtsmedizinisches Gutachten. Der Sachverständige kam zum Schluss, die festgestellten Verletzungen im Gesichtsbereich seien eher mit den Angaben des Beamten und nicht mit der Darstellung des Verletzten in Einklang zu bringen. Das verspätete Auftreten von Rötungen sei durchaus mit einer flächenhaften Kontaktierung nach einem Aufprall auf einer Tischplatte zu erklären, befand der Sachverständige.

Angeklagter soll Frau im Internet beleidigt haben 

Der 24-jährige Polizist hatte beim Verhandlungsauftakt im Juli als Zeuge unter Wahrheitspflicht angegeben, der Angeklagte sei während einer Beschuldigteneinvernahme auf seiner Polizeiinspektion - der 41-Jährige hatte einer Frau auf einer Internet-Plattform beleidigende Kommentare hinterlassen und sollte zum Vorwurf der fortdauernden Belästigung im Wege der Telekommunikation (§107c StGB) befragt werden - zunehmend aggressiv geworden. Er habe befürchtet, der in Rage geratene Mann würde vom Sessel aufspringen und auf ihn losgehen, daher habe er ihn mit beiden Händen nach unten drücken und am Aufstehen hindern wollen. Durch eine Ausweichbewegung sei der Mann mit dem Kopf heftig gegen den Tisch geprallt, wobei zunächst von der Tischplatte die Rede war. Es habe "offensichtliche Verletzungen" gegeben, räumte der Polizist ein, es sei "ein ziemlich heftiger Aufprall" gewesen, wobei daraus aber plötzlich die Tischkante wurde.

Für Verteidiger Graupner steht fest, dass diese Aussage insofern an die gutachterlichen Feststellungen angepasst wurde, als der Gerichtsmediziner in der Verhandlung ausgeschlossen habe, dass die Gesichtsverletzungen von einer Tischplatte herrührten. Die Verurteilung seines Mandanten sei ein "Signal, dass Polizeiübergriffe folgenlos bleiben", befürchtete Graupner.
 

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