"Liebes-Erklärung"

Zerrissene Jeans, Netflix: So lebt Kurz nach Polit-Aus

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In einer ''Liebeserklärung'' porträtiert die deutsche ''Welt'' das neue Leben von Ex-Kanzler Sebastian Kurz. Dieser hat den ''Welt''-Reporter in seiner Wohnung in Meidling in zerrissenen Jeans und betontem Freizeit-Look empfangen.

Wien. Ein "Welt"-Reporter besuchte Altkanzler Sebastian Kurz in dessen Wohnung in Wien-Meidling um mit ihm über sein neues Leben Abseits der Politik zu sprechen – in einer "Liebeserklärung" porträtiert er darin den ehemaligen Poliiker. "Acht Uhr, das Baby schläft, die Freundin guckt eine Serie ("Better Call Saul"), und der Altkanzler der Republik Österreich öffnet in zerrissenen Jeans, alten Turnschuhen und einem hellgrauen T-Shirt, das auch Selenskyj gut stehen würde, die Tür", beschreibt der Reporter, wie ihn Kurz empfangen habe.

Ein "Schock" für den Reporter, der Kurz nur im "legendären Sebastian-Kurz-Anzug" kannte. "Es ist, als würde man die Queen in Jeans sehen, was man sich ja unmöglich vorstellen kann und will", so der "Welt"-Reporter weiter.

Kurz sei "jünger, irgendwie zarter"

"Ich habe in meiner gesamten Laufbahn keinen Menschen gesehen, der so bei sich selbst war wie Sebastian Kurz", zitiert der Reporter die Ex-"Bild"-Chefin Tanit Koch in seinem Text über Kurz und stimmt dem Zitat zu – "Wohl wahr", so der "Welt"-Reporter. Kurz sei "auch jetzt die Natürlichkeit selbst. Kein bisschen angeschlagen, nicht eine Sekunde älter als vor den Skandalen. Alterslos Mitte zwanzig." Der Ex-Kanzler wirke sogar "jünger, stiller, irgendwie zarter als früher im Scheinwerferlicht".

Kurz habe "eine Flasche Campari gekauft, weil er von dieser meiner Vorliebe weiß, und Käsebrote gemacht, drei an der Zahl. Wohl er allein, denn Personal ist nicht mehr zu sehen. Er mixt uns zwei große Gläser mit Campari Orangensaft und nimmt selbst eines. Das alles passiert in seiner alten Wohnung in Wien-Meidling, wo er irgendwie immer schon wohnte. Ein Stockwerk darunter leben seine Eltern", beschreibt der "Welt"-Reporter die Szene.

Dann drehen die beiden eine Runde um den Häuserblock. "Und tatsächlich – sie kennen ihn alle. Die einfachen Leute, und natürlich auch die ein bisschen Aufgestiegenen. Er wird alle fünf Meter nett gegrüßt, in kleine Konversationen verwickelt", so der Reporter. "Ich bin seit meinem Rücktritt etwa 150 Mal auf der Straße angesprochen worden, nur zwei Mal war es negativ", sage Kurz später zu ihm.

"Gut gelaunter Lifestyle-Jesus"

Der "Welt"-Reporter erinnert sich in seinem Text: "Wie oft hatte ich ihn begleitet, wenn er über Land zog und von der bäuerlichen Bevölkerung wie ein gut gelaunter Lifestyle-Jesus geliebt und bejubelt wurde. Keine Frage, dass sie ihn liebten, und zwar alle. Nicht so hysterisch, wie Rockstars geliebt werden, aber doch still und ehrlich."

Dann sprechen die beiden über Kurz' neuen Job beim globalen Risikokapital-Investor und Multimilliardär Peter Thiel: Er reise viel – an zwanzig Tagen im Monat sei er unterwegs, so der Ex-Kanzler. Kurz stelle sein Wissen und seine guten Kontakte aus der Zeit als Kanzler dem Investor zur Verfügung, bekomme dafür ein Gehalt, und stecke dieses Geld in den Aufbau eigener Investitionen. Erst vor wenigen Tagen habe er seine zwei eigenen Firmen gegründet und dort sein erstes Geld reingesteckt, erzählt Kurz. 

"Wenn er es gut macht, es zur Meisterschaft bringt, wie in der Politik vorher, kann er Milliardär werden, nein, dann wird er zwangsläufig Milliardär! Es geht also, wenn er es gut macht, und er macht es ja immer gut, das ist die Konstante in seinem Leben und in seiner Persönlichkeit, immer aufwärts, während es in der Politik nur selten aufwärts geht", schreibt der "Welt"-Reporter. Kurz dementiere Milliardär zu werden. 

Kurz sei glücklicher Jungvater 

Konstantin, Kurz' Sohn beschreibt er als das "stets lachende, wirklich sehr vielversprechende Baby" und Kurz' Freundin Susanne als "schön, sehr blond und immer noch jung". Viel dürfte die vom Besuch des Reporters nicht mitbekommen haben: "Sie schläft inzwischen. Er streicht ihr vorsichtig mit dem Handrücken über die erhitzte Wange. Das Licht löscht er ebenso sanft durch eine lautlose Bewegung durch die Lichtschranke. Das Mädchen war bei ‚Diener des Volkes‘, letzte Staffel, eingeschlafen", schreibt er. 

Schließlich treten der Reporter und Kurz mit dem "dritten Glas Campari in der Hand" auf den Balkon und "schauen auf das Schloss Schönbrunn. Mitternacht ist vorbei." Ihr Treffen endet mit einem Gespräch über den Ukraine-Krieg. Sebastian Kurz habe Putin frühzeitig besucht, schon als Außenminister. "Ich war dabei, bin mit ihm deprimiert durch die zutiefst unsympathischen Kreml-Flure gestapft, habe dem Diktator in die gierigen, unzufriedenen Augen gesehen. Heute kämpft Sebastian Kurz gegen ihn womöglich an einer anderen, wirkungsvolleren Front. Möge er auch hier ein Glückskind bleiben." 

Alles nur Satire? Als Satire ist die "Welt"-Story jedenfalls nicht gekennzeichnet ... 

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