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Unsere Tiere

Deutschland beschließt verpflichtende staatliche Tierhaltungskennzeichnung

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Dies sei ein "Wichtiger Schritt hin zu einer zukunftsfähigen Tierhaltung", so der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir.  

Der vorgelegte Gesetzesentwurf zur Kennzeichnung von Lebensmitteln mit der Haltungsform der Tiere, von denen sie gewonnen wurden, wurde letzte Woche vom Bundeskabinett beschlossen (Tierhaltungskennzeichnungsgesetz – TierHaltKennzG).

Information für Verbraucher:innen

Verbraucherinnen und Verbraucher können so klar erkennen, wie ein Tier gehalten wurde, und diese Information bei ihren Kaufentscheidungen berücksichtigen. Die Bundesregierung hat mit dem Tierhaltungskennzeichnungsgesetz außerdem einen wichtigen Baustein beschlossen, um den Umbau hin zu einer zukunftsfesten Tierhaltung in Deutschland voranzutreiben.

Bundesminister Özdemir sagte dazu: "Heute ist ein guter Tag für die Verbraucherinnen und Verbraucher und für die deutsche Landwirtschaft. Es wurde jahrelang darüber gestritten und wiederholt angekündigt – wir setzen jetzt die staatlich verpflichtende und eben nicht nur freiwillige Tierhaltungskennzeichnung tatsächlich um. Mit der Haltungskennzeichnung gibt es bald endlich eine echte und verlässliche Wahl für mehr Tierwohl – an der Fleischtheke, am Kühlregal oder im Online-Handel. Man erkennt so mit einem Blick, wie ein Tier gehalten wurde, dessen Fleisch man kauft. Gleichzeitig macht die Kennzeichnung die Leistung von Landwirtinnen und Landwirten für eine artgerechtere Tierhaltung sichtbar. Ihre Investitionen und Veränderungsbereitschaft sollten uns dann auch etwas Wert sein.“

Für eine zukunftsfeste Tierhaltung

Diese verpflichtende Kennzeichnung sei ein erster wichtiger Schritt, um beim Umbau zu einer zukunftsfesten Tierhaltung voranzukommen. Das ist dringend notwendig, denn die deutsche Tierhaltung steckt schon länger in einer Krise. Seit Jahren wurde viel geredet, passiert sei aber nichts. Landwirtinnen und Landwirte wurden mit Unwägbarkeiten und Unsicherheiten lange allein gelassen. Betriebe mussten entweder wachsen oder weichen. Das hat dazu geführt, dass viele aufgegeben haben oder kurz davorstehen. Wenn Betriebe aufhören, ist das ein immenser Schaden für den ländlichen Raum.

Özdemir hielt auch fest, dass auch künftig gutes Fleisch aus Deutschland auf den Tisch kommt. Zukunftsfest wird die Tierhaltung, wenn sie dem Tierschutz und dem Klimaschutz gerecht wird, Transparenz beim Einkauf schafft und tierhaltenden Betrieben eine verlässliche Perspektive bietet. Dabei geht es auch darum, weniger Tiere besser zu halten. Nur so wird eine Tierhaltung geschaffen, die Teil einer nachhaltigen Landwirtschaft ist, die unsere Lebensgrundlagen schützt und sich an natürlichen Kreisläufen orientiert.

Ab Sommer 2023 soll das Tierwohl-Label im Handel zu finden sein. Den Umbau der Tierhaltung will Özdemir mit 1 Mrd. Euro bezuschussen. Die notwendigen Änderungen im Bau- und Emissionsrecht sollen in den kommenden Monaten beschlossen werden.

Initiative Tierwohl warnt vor Tierwohlgefährdung

Die Initiative Tierwohl (ITW) hatte noch einen Tag vor der Kabinettsitzung eindringlich an die Mitglieder der Bundesregierung appelliert, den Özdemir-Entwurf abzulehnen, weil diese Form der staatlichen Kennzeichnung ein gefährlicher Rückschritt für das Tierwohl in Deutschland bedeute. Lücken im Gesetzentwurf würden zu einer Gefährdung des Tierwohls führen. Der Gesetzentwurf erfasse zur Einführung einer verbindlichen Tierhaltungskennzeichnung (TierHaltKennzG) weniger als ein Drittel des deutschen Schweinefleischabsatzes, der nach den geplanten Regeln gekennzeichnet werden müsste.

Die staatliche Tierhaltungskennzeichnung soll im ersten Schritt für Schweinefleischprodukte eingeführt werden. Doch auch innerhalb dieses Segments soll die Kennzeichnung nur für einen Teilbereich gelten, da laut ITW der Verkauf von Schinken und Wurst sowie die Speisen in der Gastronomie nicht berücksichtigt werden. Nur frisches Fleisch vom Mastschwein aus dem Inland, das im Lebensmitteleinzelhandel, beim Metzger oder im Onlinehandel verkauft wird, wird laut Entwurf gekennzeichnet.

Weil also mehr als zwei Drittel des Schweinefleischabsatzes aus Deutschland kennzeichnungsfrei bleiben würden, appelliert die ITW an alle Kabinettsmitglieder, den Gesetzentwurf abzulehnen, bevor das parlamentarische Verfahren beginnt. „Das beabsichtigte Gesetz ist in weiten Teilen lückenhaft, so nicht erforderlich und birgt damit große Risiken für das Tierwohl in Deutschland“, heißt es in der Sonderausgabe des ITW-Politikbriefs.

Lückenhaft und "Verbraucher:innentäuschung"

Stattdessen solle die Politik auf die bewährten und funktionierenden Systeme der ITW und der Haltungsform-Kennzeichnung aufbauen. An diesen privatwirtschaftlichen Standards beteiligten sich bereits über 10.000 landwirtschaftliche Betriebe und die Verbraucher:innen seien mit ihnen bereits vertraut. Durch Einführung der staatlichen Kennzeichnung sei ihr Erfolg jedoch gefährdet. Für eine Zusammenarbeit mit der Politik stehe die ITW bereit; der vom BMEL erarbeitete Referentenentwurf müsse jedoch in seiner jetzigen Form abgelehnt werden. Auch die Tierschutzorganisation PETA kommentierte die beschlossene Tierhaltungskennzeichnung als „Verbrauchertäuschung, die keinem Tier hilft“

Ausbeutung von Lebewesen und klimaschädigender Konsum

Anhand des Labels sollen Verbraucherinnen und Verbraucher zukünftig erkennen, wie ein Tier gehalten wurde, bevor es getötet wurde, um diese Information entsprechend bei ihren Kaufentscheidungen zu berücksichtigen. Daniel Cox, Leiter des Kampagnenteams bei PETA, kommentiert: „Wir lehnen die heute beschlossene Haltungskennzeichnung strikt ab – für uns kommt sie einer dreisten Verbrauchertäuschung gleich und bedeutet einen herben Rückschlag für den Tierschutz. Verbraucherinnen und Verbrauchern wird mit dem Greenwashing-Label das irreführende Gefühl vermittelt, dass Fleischkonsum ethisch oder klimafreundlich möglich sei. Es signalisiert ein „Weiter so“ ohne echten Wandel. Dabei beutet die Tierindustrie nicht nur massiv fühlende Lebewesen aus und tötet diese auf grausame Weise. Die landwirtschaftliche Tierhaltung – und damit der Konsum tierischer Produkte – ist auch eine der Hauptursachen für die größten Umweltprobleme unserer Zeit: Klimakatastrophe, Regenwaldrodungen, Gewässerbelastung, Ressourcenverschwendung. Die Haltungskennzeichnung sieht keine konkreten Ausstiegspläne aus der Tierhaltung vor. Vielmehrzementiert sie den Status quo und bürdet die Verantwortung den Konsumentinnen und Konsumenten auf. Statt falscher ‚Fairsprechen‘ fordern wir daher eine Abkehr vom zerstörerischen Bankrott-System der Tierwirtschaft hin zu einer pflanzenbasierten Ernährungswende. Die Politik muss nun endlich handeln und neben der Etablierung einer Ausstiegsprämie für Landwirtinnen und Landwirte den veganen Ökolandbau fördern.“

Noch prekärere Situation in Österreich

Ganz anders sieht es in Österreich aus: die Umweltschutzorganisation Greenpeace behauptet, dass 90 Prozent des österreichischen Schweinefleischs in Deutschland nicht mehr verkauft werden könne. Der gesetzliche Mindeststandard in Österreich und auch Fleisch mit dem Gütesiegel AMA erfülle nicht die deutschen Tierhaltungs-Mindestkriterien. Etwas Vergleichbares wie die deutsche Haltungsformkennzeichnung habe Österreich nicht.

Greenpeace hat sich deshalb angesehen, wie österreichisches Schweinfleisch im deutschen System abschneiden würde: Das österreichische Biosiegel würde demnach der besten Haltungsstufe 4 entsprechen. Die Tierwohlprogramme der österreichischen Supermärkte würden meist die deutsche Haltungsstufe 3 erfüllen. Die derzeit geltenden österreichischen Mindeststandard würden aber nicht einmal die niedrigste deutsche Haltungsstufe erfüllen.

Unsere Tiere – Das große oe24.TV-Tierschutzmagazin von Sonntag, 23. Oktober 2022, hier in voller Länge sehen.

Nächste Ausgabe Unsere Tiere: 30. Oktober 2022, 18:30 Uhr.
  

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