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Unsere Tiere

Schwerer Unfall mit Fiakern in Wien

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VGT fordert endgültiges Verbot nach Massenkarambolage in Wiener Innenstadt.

Eine führerlose Fiaker-Kutsche, eine 58-jährige verletzte Passantin, vier verletzte Pferde. Eine Kettenreaktion, ausgelöst durch ein gerissenes Pferdegeschirr. Dieser Unfall am Fiaker-Standplatz Stephansplatz ist nur der Neueste in einer langen Liste an Unfällen, auf die der VGT wieder einmal händeringend aufmerksam macht. Wie groß die Gefahr ist, die vom Fluchttier Pferd ausgeht, wenn es erschrickt, haben letzten Sonntag Mensch und Tier wieder einmal schmerzhaft zu spüren bekommen.

Unfallhergang

Der 49-jährige Kutscher konnte das Gespann nicht mehr lenken, am Stephansplatz prallte er mit seiner Kutsche gegen eine abgestellte Kutsche. Durch den Aufprall aufgeschreckt, liefen die Pferde der zweiten Kutsche in eine dritte, davorstehende Kutsche. Auch hier wurden die Pferde dadurch aufgeschreckt und gingen durch. Passanten liefen weg, eine 58-Jährige und ein 41-Jähriger mussten zur Seite springen, die Frau verletzte sich dabei. An der Ecke Stephansplatz/Rotenturmstraße prallte die Kutsche gegen einen Pkw, dessen Fahrer kurz angehalten hatte. Dann gelang es laut Polizei einer Passantin, die Zügel zu ergreifen und die Pferde zum Stehen zu bringen. Die Pferde der ersten Kutsche sowie zwei weitere Pferde wurden leicht verletzt. An den Kutschen und an dem Pkw entstand Sachschaden.

VGT-Campaigner Georg Prinz: Dieser Unfall zeigt wieder auf tragische Weise, was für eine dauerhafte Gefahr für Mensch und Tier von Fiakergespannen ausgeht. Eine Stadt ist kein Ort für Pferde, und jeder Fiaker, der seine Pferde dort hinein bringt, kann kein Tierfreund sein! Wir fragen uns außerdem: wo sind die Kontrollen, die solche schadhaften Geschirre aus dem Verkehr ziehen? Wenn wir nicht weiterhin einen Unfall mit Fiaker-Beteiligung pro Monat beklagen wollen, muss es jetzt mit der Narrenfreiheit für Fiaker endlich vorbei sein! Wir wünschen allen betroffenen Menschen und Pferden eine schnelle Genesung.

Der VGT fordert zum Schutz der Tiere ein bundesweites Verbot von Fiakern sowie eine Aufklärung der Unfallursache. Wenn hier fahrlässig gehandelt wurde, muss der betreffende Fiaker dafür auch rechtlich belangt werden.

Tierschutzminister Rauch zieht Verbot in Betracht

Alleine im Jahr 2022 gab es bereits mehrere Vorfälle mit kollabierten Fiaker-Pferden, Kutschen, die in fahrende Autos stießen, verletzten Fiakerfahrern und schwer verletzten Passant:innen und Pferden.
Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) – der auch für den Tierschutz zuständig ist – empfiehlt, über ein Verbot von Fiakern zumindest nachzudenken. Es stelle sich die Frage, ob der Einsatz von Fiakern in einer Großstadt überhaupt noch zeitgemäß ist, hielt er im Mai 2022 fest. "Man sollte sich Gedanken darüber machen, nämlich wirklich aus Gründen des Tierschutzes, ob man ein Pferd diesem Stress aussetzen sollte", befand der Minister. Er würde eine Debatte darüber begrüßen, ob Wien auf Fiaker insgesamt verzichten könnte, sagte er.

Rauch plädierte dafür, diese Diskussion unabhängig von der Frage zu führen, ab wann die Pferde hitzefrei bekommen. In Wien gilt für Fiaker ein Hitzefahrverbot ab 35 Grad Celsius. Vergangenen Sommer kochte eine Debatte darüber hoch, diese Grenze auf 30 Grad zu senken – geschehen ist bisher aber nichts.

Zum Fiaker

Als Fiaker wird sowohl die typische zweispännige Pferdekutsche, als auch der;die Kutscher:in, bezeichnet. Das Wort entstammt dem französischen „Fiacre“, nach der gleichnamigen Rue de Saint Fiacre in Paris, an der sich der erste Standplatz für sogenannte Lohnkutschen befand. Der französische Kaufmann und Pferdehändler Nicolas Souvage begann 1662, Lohnkutschen in Einsatz zu bringen. Der Begriff Fiaker wird in Österreich und Bayern verwendet, andernorts setzte sich der Name „Droschke“ durch.

Wien

In Wien wurde die erste Fiaker-Lizenz 1693 erteilt. Um 1700 gab es in Wien bereits ca. 700 Fiaker, bis 1900 über Tausend. Im Juli 1800 wurde die erste Fiaker-Ordnung erlassen, ab den 1860er Jahren kamen mehr Ordnungen dazu. Seit dem ersten Weltkrieg werden Fiaker überwiegend nur noch für Stadtrundfahren und Anlässe engagiert.

Fiakerpferde gibt es weiterhin in der Stadt. Die traurigen Seelen müssen den ganzen Tag lang auf Asphaltböden schwere Lasten ziehen. Ihre Gelenke sind meist nach nur wenigen Jahren völlig überfordert. Sie sind oft untergewichtig und man sieht ihnen den Schmerz und Kummer in den Augen an. Pferde sind Arbeitstiere – das ist wahr. Doch sie sind nicht für die Bedingungen in der Großstadt gemacht, denn Pferde sind auch Fluchttiere, die bei lauten Geräuschen weglaufen würden. Im Stadtverkehr ist dies natürlich nicht möglich. Die Tiere sind dauernd reizüberflutet und fristen ein völlig unnatürliches und belastetes Leben inmitten der Großstadt. Sie leiden unter einer permanenten Bewegungseinschränkung, denn die Pferde müssen jederzeit abfahrbereit, also immer angeschirrt sein. 

Tierquälerei

Langes Stehen ist ungesund. Pferde sind Fluchttiere und daher ist ihr ganzer Körper auf viel Bewegung angepasst. Ewiges Stehen führt zu Problemen im Bewegungsapparat der Pferde. Sie bekommen Gelenksprobleme durch das Gehen auf Asphalt. Das andauernde Gehen auf hartem Untergrund hat gesundheitsschädigende Auswirkungen auf die Beine und Gelenke. Viele Pferde haben Fellabschürfungen, wenn das Geschirr nicht passt oder das Pferd unsachgemäß oder zu lange angeschirrt war.

Belastung durch Hitze

Direkte Sonneneinstrahlung und Hitze sind eine große Belastung. Die Pferde stehen auf ihren Standplätzen im Sommer meist in der prallen Sonne. Oft wird das damit abgetan, dass Pferde Steppentiere wären, die die Sonne lieben und ihre Körpertemperatur gut regulieren können. Das ist zwar richtig, aber sie leben nicht in ihrer natürlichen Umgebung. In der Steppe würden sie kühlere Plätze aufsuchen, an ihren Standplätzen in Wien stehen sie den ganzen Tag eingespannt in ihrem Geschirr. Auch die zusätzliche Hitzebelastung der Stadt darf nicht unterschätzt werden. Durch den Asphalt und die Häuser wird enorme Hitze abgestrahlt. Außerdem können die Pferde nicht immer trinken, wenn sie durstig sind, sondern nur dann, wenn der/die Fiaker-Fahrer:in Wasser bereitstellt. Auch das ist nicht artgerecht.
Lärm und Straßenverkehr sind für die Fluchttiere ein zusätzlicher Stressfaktor. Um den Fluchtreflex der Pferde zu minimieren, werden die Augen mit Scheuklappen und die Ohren mit Ohrstöpsel versehen. Das ist für die Tiere eine starke Einschränkung

Hufbeschlag mit gesundheitlichen Folgen

Der Hufbeschlag der Fiakerpferde ist oft mangehalft. Nur ein paar Fiakerpferde haben Dämpfungen zwischen Huf und Eisen, was beim Gehen auf hartem Asphalt eine Schonung der Hufe und der Gelenke mit sich bringt. Leider ist diese Dämpfung nicht gesetzlich vorgeschrieben. Oft versuchen die Halter:innen die Beschlagsperioden möglichst lang hinauszuzögern. Bei Fiakerpferden werden die Eisen mit 8 statt mit 6 Nägeln am Huf befestigt, damit sie diese nicht so leicht verlieren. Der Griff, ein Eisensteg am Hufeisen, soll dazu dienen, dass die Fiakerpferde weniger rutschen. Doch dadurch steht das Pferd nur auf 3 Punkten, wodurch es einen schlechteren Halt hat.Oft werden billige Pferde aus östlichen Ländern für den Fiakerbetrieb gekauft, die dann solange eingesetzt werden, bis sie körperlich komplett verbraucht sind. Darunter findet man immer wieder Pferde mit starken Fußfehlstellungen. Für diese Tiere ist das ständige Gehen auf Asphalt eine zusätzliche Belastung.

Gesetzeswidrige Maulkörbe

Fiakerpferde bekommen zudem oft Maulkörbe umgebunden. Einige Pferde sind der völlig unnatürlichen Belastung nicht gewachsen. Sie werden aggressiv und schnappen nach Passant:innen oder nach ihren Pferdenachbarn. Stundenlanges Stillstehen ist keine Ausnahme. Als einzige Abwechslung bleibt das Beknabbern des Geschirrs. Einige Pferde können sich nie an die Belastung gewöhnen, diese sollten aus dem Fahrbetrieb genommen werden. Stattdessen verpasst man ihnen einen Maulkorb, um sie wieder einsatzfähig zu machen. Die Maulkörbe sind aus Plastik oder aus Leder mit Löchern oder Ritzen. Sie erschweren die Atmung und die Pferde sind in ihrem Sozialverhalten noch stärker eingeschränkt. Da das Tierschutzgesetz in § 5 (2) 10. verbietet, ein Tier einer Bewegungseinschränkung auszusetzen, sind Maulkörbe bei Pferden verboten.

Festbinden des Schweifs

Immer öfter wird den Pferden der Schweif am Gespann festgebunden, um zu verhindern, dass sie mit dem Schweif die Leine erwischen und festhalten. Für die Pferde ist dies eine starke Einschränkung in ihrem Verhaltensrepertoire und in ihrem Wohlbefinden, da sie den Schweif u.a. auch verwenden, um lästige Fliegen zu verscheuchen. Da das Tierschutzgesetz in § 5 (2) 10. verbietet, ein Tier einer Bewegungseinschränkung auszusetzen und in § 13 (3) vorgeschrieben ist, dass Tiere so zu halten sind, dass ihre Körperfunktion und ihr Verhalten nicht gestört werden, ist auch das Schweifanbinden verboten.

Fehlendes Heu

Pferde bekommen an den Standplätzen kein Heu. Das ist sehr schädlich für den Stoffwechsel der Tiere, der eigentlich darauf ausgelegt ist, dass die Tiere normalerweise den ganzen Tag mit der Nahrungsaufnahme verbringen würden.

Gestörtes Sozialverhalten

Die Tiere sind gezwungen, tagein tagaus neben Artgenoss:innen zu stehen, die sie sich nicht aussuchen können. Das ist nicht natürlich und entspricht nicht dem komplexen Sozialverhalten der Tiere. In einer natürlichen Umgebung würden Pferde zum Beispiel von rivalisierenden Tieren einfach weggehen bzw. könnten sich bei Streitigkeiten wehren. Angeschirrt an der Kutsche ist dies nicht möglich. Das Gesetz schreibt den Pferden zwar einen sogenannten freien Auslauf zu, dieser muss allerdings nur der doppelten Box-Größe entsprechen. Auch ein natürlicher weicher Untergrund ist nicht vorgeschrieben, ein Innenhof auf hartem Asphalt reicht laut Gesetz als „freier Auslauf“ völlig aus. Die Pferde können sich dadurch nie auf natürliche Weise bewegen oder Sozialkontakte pflegen. Überlegen sie sich daher gut, ob sie die Fiaker mit einer Fahrt unterstützen möchten. Mit einer Unterschrift auf www.tierschutz-austria.at können sie ein Verbot der Fiaker in der Innenstadt fordern.

Unsere Tiere – Das große oe24.TV-Tierschutzmagazin von Sonntag, 11.Dezember 2022, hier in voller Länge sehen.

Nächste Ausgabe Unsere Tiere: 18.Dezember 2022, 18:30 Uhr.  

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