Die Vogelgrippe breitet sich erneut über Europa aus – und diesmal in einem Ausmaß, das Fachleute alarmiert. Allein in Deutschland mussten in den letzten Wochen über eine halbe Million Tiere getötet werden, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen.
Nun ist auch Österreich betroffen. Erste Fälle wurden bereits bestätigt, und die Behörden bereiten sich auf weitere Funde vor.
Das Virus, auch Aviäre Influenza genannt, ist nicht neu. Bereits Anfang der 2000er-Jahre tauchten erste Fälle in Asien auf, 2006 erreichte die Vogelgrippe Österreich. Damals wurden Tausende Tiere getötet, vor allem in Geflügelbetrieben im Burgenland und in Oberösterreich. Seitdem kehrt die Krankheit regelmäßig zurück – mit immer schwereren Verläufen und einer auffälligen geografischen Ausdehnung.
Während frühe Ausbrüche noch stark saisonal waren, beobachten Fachleute seit einigen Jahren, dass das Virus nun auch in den Sommermonaten aktiv bleibt. Vor allem Wasservögel und Zugvögel tragen das Virus über weite Distanzen, wodurch sich die Krankheit dauerhaft in Europa etabliert hat. Besonders hart traf es 2021 und 2022, als Millionen Tiere in Großbetrieben in ganz Europa getötet wurden.
Für Tierschutz Austria ist die aktuelle Situation ein weiterer Beweis, dass die bisherige Strategie gescheitert ist.
„Die Vogelgrippe ist kein Naturereignis, sondern das Ergebnis industrieller Tierhaltung“, sagt Martin Aschauer, Sprecher von Tierschutz Austria. „Solange Millionen Tiere dicht gedrängt in Hallen leben, schaffen wir ideale Bedingungen für Viren. Es braucht endlich Mut zur Veränderung – weniger Tierleid, mehr Vorsorge und eine klare Impfstrategie statt Massenkeulungen.“
Tatsächlich haben einige europäische Länder bereits begonnen, umzudenken. In Frankreich werden seit Monaten Enten flächendeckend gegen Vogelgrippe geimpft. In Italien und den Niederlanden laufen großangelegte Impfprogramme bei Legehennen und Puten. Erste Auswertungen zeigen, dass diese Impfungen die Virusverbreitung deutlich bremsen und Tierverluste minimieren.
Tierschutz Austria fordert nun, dass auch Österreich den Weg der präventiven Impfung einschlägt.
„Es ist moralisch und wirtschaftlich nicht mehr vertretbar, hunderttausende gesunde Tiere zu töten, während funktionierende Impfstoffe längst existieren“, betont Aschauer. „Wir müssen der Wissenschaft folgen und Handel, Veterinärbehörden und EU-Kommission an einen Tisch bringen.“
Doch die Organisation sieht das Problem nicht allein in der Bekämpfungsstrategie, sondern im System selbst. In der industriellen Tierhaltung leben oft über 50.000 Tiere in einem Stall. Enge, monotone Umgebung, hoher Leistungsdruck und fehlende genetische Vielfalt begünstigen die schnelle Verbreitung von Krankheitserregern. Wenn ein Virus auftritt, kann es sich explosionsartig ausbreiten.
„Wir müssen die Tierzahlen deutlich reduzieren und artgerechtere Haltungsformen fördern“, fordert Madeleine Petrovic, Präsidentin von Tierschutz Austria. „Kleinere, vielfältigere Betriebe sind die beste Prävention – für Tiere, Menschen und die gesamte Landwirtschaft.“
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Auch wirtschaftlich ist die derzeitige Praxis fragwürdig. Nach jedem Ausbruch folgen Sperrzonen, Exportstopps und Entschädigungszahlungen in Millionenhöhe. Ganze Regionen werden wochenlang lahmgelegt, obwohl präventive Impfprogramme langfristig deutlich kostengünstiger wären.
Tierschutz Austria ruft daher Bund, Länder und EU auf, die Seuchenbekämpfung neu zu denken: zugelassene Impfstoffe nutzen, Handelsbarrieren abbauen, Monitoring anpassen und klare politische Signale setzen.„Wer heute noch auf Keulung statt Prävention setzt, hat aus der Corona-Pandemie nichts gelernt“, sagt Aschauer abschließend. „Wir müssen Tierseuchen an der Wurzel bekämpfen – nicht mit der Schaufel, sondern mit Verantwortung, Wissenschaft und Weitsicht.“