Wahl-Kommentar

Stimmen nicht wegwerfen

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oe24.TV-Kommentator Sebastian Bohrn Mena in seiner Kolumne zum aktuellen Wahlkampf.

Bei dieser Wahl geht es um alles – bekommen wir erneut Schwarz-Blau, dann ist unser Sozialsystem massiv gefährdet. Dann kann etwa wirklich un­sere Arbeiterkammer zertrümmert werden. Wir müssen also diesmal besonders sorgsam mit unserer Stimme umgehen. Es geht um eine grundsätz­liche Richtungsentscheidung für Österreich. Das ist die schlechteste Zeit für politische Experimente, gerade angesichts von sinkenden Löhnen, Pensionen und Klimakrise.

Keine Chance auf Einzug

In dieser heiklen Situation muss man sich die Frage stellen, ob man diesmal wirklich seine Stimme den Kleinstparteien geben soll, von denen wir alle wissen, dass sie keinerlei Chance auf Einzug haben. Dazu gehört allen voran die Liste Jetzt von Peter Pilz, die seit Monaten nicht mehr als 1 Prozent in den Umfragen hat. Mehr wird’s jetzt nicht mehr, jede Stimme für diese Truppe ist also unwiederbringlich verloren. Einfach verschenkt, sie hilft im Gegenteil sogar der FPÖ.

Denn die komplexe Wahlarithmetik zeigt, dass diese verlorenen Stimmen für Parteien, die den Einzug nicht schaffen, zu „günstigeren“ Mandaten für jene Parteien führen, die vor allem auf Bun­desebene stark sind. Das bevorzugt etwa die FPÖ. Und so haben wir die paradoxe Situation, dass jede Stimme für die Liste Jetzt von Peter Pilz in Wahrheit der FPÖ am meisten hilft. Wer Pilz wählt, wählt also Kickl. Verrückt, aber so ist unser Wahlsystem. Das sollte man bedenken.

Diesmal für Demokratie

Viele Menschen in diesem Land sind besonders durch Themen sensibi­lisiert, die viel zu wenig Beachtung finden. Tierschutz etwa. Und weil sich Kleinstparteien gerne dieser vermeintlichen „Nischenthemen“ annehmen, dafür sogar bereit sind, radikale Kandidaten ins Rennen zu schicken, die nur für Aufsehen sorgen sollen, ist man geneigt, sie zu wählen. Verständlich. Aber leider kontraproduktiv. Weil diese Themen dann noch weniger politische Bedeutung erhalten.

Vorzugsstimmen

Wenn man sich für ein spezielles Thema interessiert und dieses in der Politik generell stärken will, dann sollte man vielmehr eine Vorzugsstimme vergeben für Kandidaten, die fix in den Nationalrat kommen. In fast jeder Partei findet man besonders glaubwürdige Menschen, die diesen persönlichen Schub benötigen würden, damit sie in ihrer Partei mehr Gewicht erhalten. Und dadurch auch ihre Themen. Denn die Parteispitzen achten sehr genau auf solche Signale.

Kleinstparteien weg

Eine traurige Erkenntnis aus vielen Wahlkämpfen ist auch, dass die Kleinstparteien nach der Wahl wieder in der Versenkung verschwinden. Da tauchen immer wieder kurz vor Wahlen irgendwelche Listen auf, die, so sie nicht an die Steuergeld-Tröge gelangen, sich auch bald wieder auflösen. Man wird das auch nach dieser Wahl beobachten können. Es ist also von großer Wichtigkeit, dass man den Einsatz seiner Wählerstimme gut überdenkt. Und sinnvoll handhabt.

Auch wenn man verleitet ist, nach Sympathie zu wählen – die eigene Stimme ist viel zu wertvoll, um sie dafür wegzuschmeißen. Die Gesetze werden im Parlament ­gemacht und dort sitzen am Ende genau 183 Abgeordnete. Und es ist jetzt schon sicher, dass diese von ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grünen und Neos entsendet werden. Die Entscheidung ist jetzt nur noch, in welchem Kräfteverhältnis sie sich zueinander befinden werden. Das zu beeinflussen, dafür sollten wir unsere Stimme nutzen.

Die Meinungen in unseren Kommentaren und Analysen müssen nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen.

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