Bisher waren Ende März mit knapp 6.300 Neuinfizierten die meisten registriert worden.
Die Zahl der binnen eines Tages mit dem Coronavirus neu infizierten Menschen in Deutschland ist erneut sprunghaft gestiegen und hat damit einen Rekordwert erreicht. Die Gesundheitsämter meldeten nach Angaben des Robert Koch-Instituts vom Donnerstag 6.638 Neuinfektionen - rund 1.500 mehr als am Mittwoch. Bisher waren Ende März mit knapp 6.300 Neuinfizierten die meisten registriert worden.
Allerdings sind die jetzigen Werte nicht mit denen aus dem Frühjahr vergleichbar, weil mittlerweile wesentlich mehr getestet wird - und damit auch mehr Infektionen entdeckt werden.
Am Mittwoch vergangener Woche hatten die Gesundheitsämter dem RKI 4.059 Neuinfektionen mitgeteilt. Damit war zum ersten Mal seit April die 4.000er Marke überschritten worden.
Neue Maßnahmen in Deutschland
Aus Sorge vor einer unkontrollierbaren Ausbreitung des Coronavirus verschärft Deutschland die Gegenmaßnahmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der deutschen Bundesländer verständigten sich am Mittwoch auf einheitliche Regeln für Städte und Regionen mit hohen Infektionszahlen. Dazu gehören eine Ausweitung der Maskenpflicht, eine Begrenzung der Gästezahl bei privaten Feiern, Kontaktbeschränkungen und eine Sperrstunde für die Gastronomie.
Bund und Länder schließen noch härtere Maßnahmen nicht aus, wenn sich die Infektionslage in den kommenden zehn bis zwölf Tagen nicht bessert. Merkel zeigte sich in den Beratungen im Kanzleramt nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur mit den Beschlüssen jedoch unzufrieden. "Die Ansagen von uns sind nicht hart genug, um das Unheil von uns abzuwenden", sagte die CDU-Politikerin nach übereinstimmenden Angaben von Teilnehmern. "Es reicht einfach nicht, was wir hier machen."
Nach der Sitzung betonte Merkel, ob die Beschlüsse reichen oder nicht, werde man sehen. "Deshalb ist meine Unruhe mit dem heutigen Tag noch nicht weg." Beunruhigt sei sie vom exponentiellen Anstieg der Infektionen. "Den müssen wir stoppen. Sonst wird es in kein gutes Ende führen." Merkel machte deutlich, dass sich ihre Unzufriedenheit vor allem auf die umstrittenen Beherbergungsverbote bezieht.
Konkret vereinbarten die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten dies:
- MASKENPFLICHT: In Städten und Regionen mit stark steigenden Corona-Zahlen soll die Maskenpflicht erweitert werden. Sie soll ab 35 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner in sieben Tagen auch überall da gelten, wo Menschen dichter beziehungsweise länger zusammenkommen.
- PRIVATE FEIERN: In Regionen mit einem Wert über 35 Neuinfektionen soll es eine Begrenzung von 25 Teilnehmern im öffentlichen und 15 Teilnehmern im privaten Raum geben. Ab 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen sollen private Feiern auf maximal zehn Teilnehmer im öffentlichen Raum sowie auf höchstens zehn Teilnehmer aus höchstens zwei Haushalten im privaten Raum begrenzt werden.
- KONTAKTBESCHRÄNKUNGEN: Übersteigen die Neuinfektionen den 50er Wert dürfen sich künftig nur noch maximal zehn Personen im öffentlichen Raum treffen. Sollten die neuen Maßnahmen den Anstieg nicht zum Stillstand bringen, wird dies auf bis zu fünf Personen oder die Angehörigen zweier Haushalte verringert.
- SPERRSTUNDE: Ebenfalls bei 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen soll eine Sperrstunde um 23.00 Uhr für die Gastronomie verhängt werden. Bars und Clubs sollen geschlossen werden.
- VERANSTALTUNGEN: Wird der 50er Wert überschritten, wird die Zahl der Teilnehmer bei Veranstaltungen auf 100 Personen begrenzt. Ausnahmen bedürfen eines mit dem zuständigen Gesundheitsamt abgestimmten Hygienekonzeptes.
- BEHERBERGUNGSVERBOTE: Die Beherbergungsverbote für Urlauber aus innerdeutschen Risikogebieten waren vor den Beratungen am umstrittensten. Bund und Länder fanden auch im Kanzleramt keine Einigung und vertagten das Thema erst einmal bis zum 8. November. Bis dahin soll diese Maßnahme auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.
Bund und Länder forderten aber eindringlich alle Bürger auf, nicht erforderliche innerdeutsche Reisen in Gebiete hinein und aus Gebieten heraus zu vermeiden, die die Grenze von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb der letzten sieben Tage übersteigen.
Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Hamburg wollen wohl zunächst bei der Regelung bleiben. Die Schweriner Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) denkt aber über Lockerungen nach. Sie kündigte an zu prüfen, ob auf die mindestens fünftägige Quarantäne und die Pflicht zu einem Test danach künftig verzichtet wird.
Die meisten Bundesländer hatten am vergangenen Mittwoch beschlossen, dass Bürger aus Orten mit sehr hohen Corona-Infektionszahlen bei Reisen innerhalb von Deutschland nur dann beherbergt werden dürfen, wenn sie einen höchstens 48 Stunden alten negativen Corona-Test vorlegen können. Greifen soll dies für Reisende aus Gebieten mit mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen.
Die Zahl der Coronatests schwankt seit Mitte August zwischen rund 1,1 Millionen und 1,2 Millionen pro Woche. Die Rate der positiven Tests ist nach RKI-Angaben vom Mittwochabend jedoch deutlich gestiegen: von 0,74 Prozent Ende August auf 2,48 Prozent in der Woche vom 5. bis 11. Oktober.
In mehreren Labors gebe es einen Rückstau, einige gaben laut RKI Lieferschwierigkeiten für Reagenzien an. "Das RKI erreichen in den letzten Wochen zunehmend Berichte von Laboren, die sich stark an den Grenzen ihrer Auslastung befinden", schreibt das Institut im Lagebericht vom Mittwoch. Der zusätzliche Testbedarf durch Urlauber nach Einführung des Beherbergungsverbots mit der Option zu einer "Freitestung" habe die Situation weiter verschärft.
Seit Beginn der Corona-Krise haben sich nach RKI-Angaben mindestens 341.223 Menschen in Deutschland nachweislich mit dem Virus SARS-CoV-2 infiziert (Datenstand 15.10., 0.00 Uhr). Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion lag demnach bei 9.710. Das waren 33 mehr als am Vortag. Nach Schätzungen des RKI gibt es etwa 284 600 Genesene.
Die Reproduktionszahl, kurz R-Wert, lag nach RKI-Schätzungen in Deutschland laut Lagebericht vom Mittwoch bei 1,04 (Vortag: 1,18). Das bedeutet, dass ein Infizierter im Mittel etwa einen weiteren Menschen ansteckt. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen etwa eineinhalb Wochen zuvor ab.
Zudem gibt das RKI in seinem aktuellen Lagebericht ein sogenanntes Sieben-Tage-R an. Der Wert bezieht sich auf einen längeren Zeitraum und unterliegt daher weniger tagesaktuellen Schwankungen. Nach RKI-Schätzungen lag dieser Wert bei 1,16 (Vortag: 1,20). Er zeigt das Infektionsgeschehen von vor 8 bis 16 Tagen.