Wiener hielt Familie jahrelang fest

Die irre Welt des Sekten-Josef

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Dieser Kriminalfall rückt Österreich wieder ins Zentrum. Ein Wiener ist festgenommen.

 

Sechs Personen neun Jahre lang auf einem Bauernhof gefangen (ÖSTERREICH berichtete). Die ganze Welt rätselt über diesen mysteriösen Fall, der in dem kleinen Ort Ruinerwold (2.800 Einwohner) in den Niederlanden geschehen ist.

 

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Zentrale Figur ist der Österreicher Josef B. (58), ihm wird Freiheitsberaubung vorgeworfen (heute ist die Haftverhandlung). Eine Familie – sechs Kinder zwischen 18 und 25 Jahren und ihren bettlägerigen Vater – soll er gefangen gehalten haben. Sie hauste in einem versperrbaren Miniraum.

Der Festgenommene – man nannte ihn in der Gegend ­„Josef der Österreicher“ – will nicht in Verbindung mit ­österreichischen Behörden treten: „Er wünscht keinen Kontakt zur Botschaft in Den Haag und will keine konsularische Hilfe“, sagt Peter Guschelbauer, Sprecher des Außenministeriums.

Josef B. ist gebürtiger Wiener, lebte vor seinem Umzug in die Niederlande in Perg (OÖ). In Ruinerwold mietete er 2010 ein Bauernhaus. Zornig wurde B., wenn sich Nachbarn dem Anwesen näherten. Vermieterin Alida ten Oever (66): „Er zahlte immer pünktlich seine Miete. Ich bin erstaunt, das alles zu hören.“

Fritzl-Fall Ruinerwold
© APA/AFP/ANP/WILBERT BIJZITTER

 

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Sie fürchteten Tageslicht, glaubten, es sei gefährlich

Josef B. wird weltweit in Medien mit Josef Fritzl verglichen. Doch in der Provinz Drenthe spielte sich eine ganz andere Tragödie ab.

Die Familie (die Mutter starb noch vor dem Einzug) lebte versteckt und völlig isoliert in diesem Bauernhaus. Keine der anwesenden Personen war hier gemeldet, einige Kinder besuchten nie eine Schule. Die Bewohner fürchteten wohl das nahende „Ende der Zeiten“, so Polizeisprecherin Grietje Hartstra. Die Einvernahme ist schwierig: Josef B. schweigt, die Befreiten sprechen nach langer Gefangenschaft eine Fantasiesprache.

Ruinerwold
© all

Die Bewohner versorgten sich völlig autark. Die Familie ernährte sich von selbst angebautem Gemüse und den Tieren, die sie hielt.

Ruinerwold Jan
© Facebook
25-Jähriger floh aus dem Albtraum und suchte im Dorf nach Hilfe.

Der Österreicher betrieb im nur sechs Kilometer entfernten Meppel mehrere Firmen. Eine davon, Native Creative Economy, handelte mit Holz, Holzöfen und Möbeln für den Schiffsbau. Eine andere verkaufte Holzpellet-Kessel.

Aufgeflogen ist der Fall, nachdem der älteste Sohn der Familie sich befreien konnte. Er ging zum Wirt im Ort und bat um Hilfe. Die Polizei ermittelt auf Hochtouren. Eine Sonder­ermittlergruppe mit 25 Leuten ist eingesetzt.

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Es ist kalt, regnet leicht, die Zufahrt zum Anwesen 200 Meter vor der Ortschaft ist abgesperrt. Polizei ist keine vor Ort, eine private Sicherheitsfirma hat das Areal abgeriegelt, das versteckt hinter Bäumen liegt. Die Kinder, die hier neun Jahre auf engsten Raum gehaust haben, sind weg. Tierschützer holen die Ziegen und die anderen Haustiere ab. Josef B. wird heute dem Haftrichter vorgeführt. Österreichs Außenministerium wollte ihn kontaktieren. Erfolglos. Er wünscht sich keine Hilfe von der österreichischen Botschaft in Den Haag. Wir treffen Jugendliche. Sie erzählen, dass sie auf dem Hof nie jemanden gesehen haben. Von einer Gruppe hätten sie nichts gewusst. Möglicherweise hat sich die Familie jahrelang selbst versorgt. Sie soll einer Sekte angehört haben und auf „das Ende der Zeiten“ gewartet haben. Bestätigen will dies hier allerdings niemand.

 

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Wirt löste Alarm bei der Polizei aus: "Er sagte, dass er Hilfe braucht"

Er ist der Held dieser Geschichte. Chris Westerbeek (27) stand am Tresen des Lokals De Kastelein, als Jan (25), der älteste Sohn der eingesperrten Familie, eintrat.

Wirt Westerbeek zur Bild-Zeitung: „Er sagte, dass er weggelaufen ist und Hilfe braucht.“ Sofort rief der Wirt die Polizei.

Der Barkeeper erinnert sich, dass der Mann schon zehn Tage zuvor Gast war. Da habe er fünf Bier getrunken und sei schnell verschwunden.

Andere Lokalgäste berichten davon, dass Jan über einen seltsamen Glauben berichtet habe. „Er sagte, das Tageslicht sei schlecht. Als wir fragten, ob es ein Kult sei, wusste er nicht, was dieses Wort bedeutet.“

 

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