Dieses Video verblüfft das Netz: Eine riesige Löwin, gehüllt in die irakische Flagge, streift mit ihrem "Herrchen" durch die Straßen während einer von vielen Protestkundgebungen im Krisengebeutelten Irak.
Dieses Video verblüfft das Netz: Eine riesige Löwin, gehüllt in die irakische Flagge, streift mit ihrem "Herrchen" durch die Straßen während einer von vielen Protestkundgebungen im Krisengebeutelten Irak. Laut Online-Berichten soll der Besitzer seine Löwin zum Schutz vor Angriffen durch Polizeihunde zu der Demonstration mitgebracht haben. Der Plan schien nicht so ganz aufzugehen: immer wieder musste der Iraker seinen Löwen zurechtweisen, um ein "Schnappen" nach anderen Demonstranten zu verhindern. Auf dem Video ist jedenfalls zu erkennen, dass der Löwe beinahe sich ohne Eingreifen durch sein "Herrchen" auf eine Gruppe junger Männer gestürzt hätte. Woher das Tier stammt ist unklar – Löwen gelten seit 1918 im Irak als ausgerottet.
Vermutlich nicht die beste Methode sich vor Polizeihunden zu schützen, wenngleich die Aktion auch zum riesengroßen Renner auf Social Media wurde.
Seit Anfang Oktober befindet sich der Irak in der Krise: Millionen von Menschen gehen auf die Straßen um gegen Korruption, Arbeitslosigkeit und das "Nicht-Funktionieren" des Staates zu demonstrieren. Der Staat reagierte zum Teil mit dem Einsatz tödlicher Waffen – seit Oktober sollen mehrere hundert Menschen bei Protesten getötet worden sein.
Gleiche Ziele und gleiche Slogans bei Protesten in Beirut und Bagdad
Mehr als 900 Kilometer trennen Beirut und Bagdad, doch die Ziele und die Slogans der Proteste in den Hauptstädten des Libanon und des Irak sind die gleichen. In beiden Ländern ist es die Wut auf die als unfähig und korrupt wahrgenommenen Eliten, welche die Menschen auf die Straße treibt. Viele Demonstranten solidarisieren sich mit der Protestbewegung im jeweiligen Nachbarland und lassen sich von deren Protestformen inspirieren.
"Vom Irak bis Beirut, eine Revolution, die niemals stirbt", riefen hunderte Demonstranten kürzlich bei einem Protestmarsch im Süden des Libanon. "Vom Libanon bis zum Irak der gleiche Schmerz, die gleichen Rechte, unser Sieg ist nahe", heißt es auf einem Plakat im Zentrum von Beirut. Vielerorts im Libanon schwenken Demonstranten die irakische Fahne, während bei den Protesten im Irak die Fahne des Libanon weht.
Die Demonstranten "beobachten einander und lernen voneinander", sagt die 26-jährige libanesische Musikerin Farah Kadur, die auf einem Platz in Beirut mit einer Gruppe Demonstranten ein Lied des irakischen Predigers Ali Yussef al-Kerbalai singt, das den "Diebstahl" der politischen Führung anprangert. Mit dem Gesang wollten sie die Ähnlichkeit der Proteste hervorheben und die Moral der Demonstranten stärken, sagt Kadur.
Beide Länder kämpfen mit hoher Staatsverschuldung, hoher Arbeitslosigkeit und einem verknöcherten politischen System, in dem die führenden Posten unter den Religionsgruppen aufgeteilt werden. In beiden Länder leidet die Bevölkerung zudem unter der verbreiteten Korruption der Behörden und den schlechten staatlichen Dienstleistungen, die sich in chronischer Strom- und Wasserknappheit niederschlagen.
In beiden Ländern ist zudem die Verachtung für die politischen Eliten groß. Im konservativen Süden des Irak hängen nun große Bilder der libanesischen Pornodarstellerin Mia Khalifa mit der Aufschrift, sie sei "ehrenhafter" als alle Politiker des Landes zusammen. Auf dem Tahrir-Platz in Bagdad, auf dem die Proteste im Irak begonnen haben, heißt es auf Transparenten: "Von Beirut bis Bagdad, eine Revolution gegen die Korrupten".
Die Demonstranten lassen sich von den Strategien im Nachbarland inspirieren. So nutzen sie im Irak wie im Libanon Autos, um Verkehrsadern zu blockieren. Junge Menschen mit Schutzbrillen und Atemmasken besetzen in beiden Staaten Brücken, um die Unfähigkeit, den Klientelismus und die Korruption der politischen Führung anzuprangern. Zum Austausch trägt bei, dass in beiden Ländern Arabisch gesprochen wird.
Allerdings gibt es einen wichtigen Unterschied: Während im Libanon die Proteste bis auf seltene Zwischenfälle friedlich geblieben sind, sind sie im Irak von massiver Gewalt geprägt. Mehr als 300 Menschen wurden nach offiziellen Angaben bereits bei Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften getötet. Die irakischen Sicherheitskräfte haben auch scharfe Munition und schwere Tränengasgranaten eingesetzt und damit bereits mehrere Menschen getötet.
Die Iraker lassen sich dennoch nicht einschüchtern und setzen ihre Proteste fort. Der libanesische Demonstrant Obeida setzt denn auch mehr Hoffnung auf die Proteste im Irak. "Im Libanon ist das System noch tiefer verwurzelt", sagt der 28-Jährige mit Blick auf das politische System, das seit dem Ende des Bürgerkriegs 1990 in Kraft ist. Im Irak dagegen wurde es erst nach der US-Invasion zum Sturz von Saddam Hussein 2003 geschaffen.