Brexit nun am 30. Juni?

Brexit-Verschiebung: Das ist Mays Bettel-Brief an EU

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Britische Premierministerin schrieb an EU-Ratspräsident.

Die britische Premierministerin Theresa May bittet um eine Verschiebung des Brexit-Datums vom 12. April auf den 30. Juni. Dies schrieb sie in einem am Freitag veröffentlichten Brief an EU-Ratspräsident Donald Tusk. Die Deutsche Presse-Agentur übersetzt und dokumentiert Auszüge aus dem Brief:

"Lieber Donald (...)

Wenn wir uns bei dem von Dir für den 10. April einberufenen Europäischen Rat nicht auf eine weitere Verlängerung einigen, wird das Vereinigte Königreich die Europäische Union am 12. April 2019 um 23.00 Uhr britischer Sommerzeit ohne ein Abkommen verlassen. (...)

Politik der Regierung war und ist es, die Europäische Union in geordneter Weise und ohne eine unangemessene Verzögerung zu verlassen. Das Unterhaus hat bisher weder das Abkommen gebilligt, das dies ermöglichen würde, noch (...) eine Mehrheit für einen anderen Vorschlag gefunden. Das Unterhaus hat sich jedoch weiterhin dagegen ausgesprochen, die Europäische Union ohne ein Abkommen zu verlassen. Die Regierung stimmt zu, dass der beste Ausgang ein Verlassen mit Abkommen ist.

Diese Sackgasse darf nicht länger bestehen bleiben. Es schafft Unsicherheit im Vereinigten Königreich und schadet dem Glauben an die Politik, während die Europäische Union den legitimen Wunsch hat, mit Entscheidungen über ihre eigene Zukunft fortzufahren. (...)

Wenn die Gespräche nicht bald zu einem einzigen einheitlichen Ansatz führen, würde die Regierung stattdessen versuchen, einen Konsens über eine kleine Anzahl klarer Optionen für die zukünftigen Beziehungen zu finden, die dem Unterhaus in einer Reihe von Abstimmungen vorgelegt werden könnten, um einen Kurs festlegen zu können. Die Regierung ist bereit, sich an die Entscheidung des Unterhauses zu halten, wenn sich die Opposition verpflichtet, dasselbe zu tun. (...)

Verlängerung der Frist beantragt

Nachdem die Regierung im vergangenen Monat widerwillig eine Verlängerung der Frist für Artikel 50 beantragt hatte, muss sie dies nun erneut tun.
 
Die Regierung ist nach wie vor der Ansicht, dass es (...) weder im Interesse des Vereinigten Königreichs als ausscheidender Mitgliedstaat noch im Interesse der Europäischen Union als Ganzes ist, dass das Vereinigte Königreich an den Wahlen zum Europäischen Parlament teilnimmt. (...)
 
Ich schreibe (...), um den Europäischen Rat darüber zu informieren, dass das Vereinigte Königreich eine weitere Verlängerung (...) anstrebt. Das Vereinigte Königreich schlägt vor, dass dieser Zeitraum am 30. Juni 2019 endet. Wenn die Parteien vor diesem Datum in der Lage sind, zuzustimmen, schlägt die Regierung vor, die Frist vorzeitig zu beenden. Die Regierung ist bereit, sich auf einen Zeitplan für eine Ratifizierung zu einigen, der es dem Vereinigten Königreich ermöglicht, vor dem 23. Mai 2019 aus der Europäischen Union auszutreten und somit die Wahlen zum Europäischen Parlament abzusagen, wird aber weiterhin verantwortungsvolle Vorbereitungen für die Wahlen treffen, sollte sich dies als nicht möglich erweisen.
 
Es ist frustrierend, dass wir diesen Prozess noch nicht zu einem erfolgreichen und geordneten Abschluss gebracht haben. Die Regierung des Vereinigten Königreichs ist nach wie vor fest entschlossen, dies zu tun, und wird weiterhin als konstruktiver und verantwortungsvoller Mitgliedstaat der Europäischen Union (...) in dieser außergewöhnlichen Zeit handeln. Ich wäre dankbar für die Möglichkeit, unsere Kollegen in unserer Sitzung am Mittwoch darüber zu informieren.

Tusk will "Flextension" für ein Jahr 

Der Brexit will und will nicht kommen. Kurz vor dem Wochenende gab es zwei weitere überraschende Wendungen. Die britische Premierministerin Theresa May will von der EU eine weitere Verlängerung des Austritts aus der Union bis Ende Juni, während EU-Ratspräsident Donald Tusk eine einjährige flexible Verschiebung vorschlug und dies als "Flextension" bezeichnete.
 
Die Hardliner unter den Tories von May, die für einen sofortigen Austritt ohne Vertrag eintreten, konnten sich kaum mehr vor Entrüstung zurückhalten. Sie kritisierten, dass May in ihrem Plan auch notfalls eine Teilnahme an den EU-Wahlen in Kauf nehme. Dabei drohte der Tory-Abgeordnete Jacob Rees-Mogg, ein Befürworter eines "no deal", der EU an, dass die britischen Abgeordneten dann die europäische Politik möglichst obstruktiv konterkarieren sollten. So sollte es ein Veto der Briten gegen ein wachsendes EU-Budget geben, eine Behinderung einer EU-Armee oder eine Blockade gegenüber den europäischen Ideen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron.
 
Die EU-Kommission wollte sich zunächst nicht konkret äußern und verwies auf den EU-Sondergipfel kommenden Mittwoch in Brüssel. Die Staats- und Regierungschefs würden entscheiden. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) trat gegen eine neuerliche Verlängerung der Austrittsfrist ein.

Reaktionen auf May zurückhaltend

Bei der Eurogruppe in Bukarest waren die Reaktionen auf May zurückhaltend. Man müsse zuerst einmal Klarheit von Großbritannien erhalten, dann könne man urteilen. Wenn es aber keine Klarheit gebe, sei auch kein Grund für eine Verlängerung gegeben. Österreichs Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) nannte jedenfalls einen "hard Brexit verdaubar". Trotzdem hoffe er bis zuletzt auf einen geordneten Austritt der Briten. Die Lage sei bei der Sitzung der Währungsunion besprochen worden. Dabei habe es Einstimmigkeit gegeben, dass "Europa gerade im Finanzbereich gut vorbereitet" sei. Österreich wäre "selbst einem harten Brexit gegenüber stabil".
 
Die chaotische Lage in Großbritannien hat sich damit weiter verkompliziert. Der von May mit der EU ausverhandelte Deal für einen geordneten Austritt am 29. März ist bisher drei Mal durchgefallen. Sollte sie ihn ein viertes Mal dem britischen Unterhaus vorlegen, droht ein neuerliches Scheitern. Gleichzeitig haben sich die britischen Abgeordneten de facto zu keiner von zahlreichen Alternativ-Varianten zum Brexit durchringen können. Fast alle Optionen wurden mit einem kategorischen "Nein" beantwortet. Lediglich bei der Ablehnung eines "no deal" gab es eine Mehrheit. Dies ist bisher auch der einzige Punkt, in dem sich die Briten mit der EU treffen.
 
Der Austrittstermin ist bereits einmal verschoben worden. Ohne Deal müssten die Briten am 12. April austreten, wenn sie doch noch einen Vertrag zustande bringen, lautet die Frist 22. Mai. Der von May nun erbetene Aufschub auf den 30. Juni war beim letzten EU-Gipfel schon einmal abgelehnt worden. Da sich die Voraussetzungen geändert haben, bringt ihn May aber nun noch einmal ein.
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