Das Briten-Parlament hat am Mittwoch entschieden: Der Austritt wird nach hinten verschoben.
Die spannende Abstimmung im Unterhaus fiel klar aus: 412 Abgeordnete stimmten dafür, nur 202 dagegen. Damit steht fest:
- Das vorgesehene Austrittsdatum am 29. März ist nun nicht mehr zu halten.
- Ein „harter Brexit“, also ein Austritt ohne Abkommen, ist vorerst ebenfalls vom Tisch. Dafür haben sich die Abgeordneten bereits am Dienstagabend mit 321 zu 278 Stimmen ausgesprochen. Abgelehnt haben die Abgeordneten ein zweites Referendum über den Ausstieg. Nur 85 Abgeordnete stimmten mit Ja, 334 mit Nein. Für die Befürworter einer zweiten Volksabstimmung ist das ein Rückschlag. Aufgeben dürften sie dennoch nicht. Der Beschluss hat keine rechtlich bindende Wirkung.
Moment der Erleichterung: May atmet in der Sekunde der Ergebnisverkündung auf.
May will abermals über ihren EU-Deal abstimmen
Für Premierministerin Theresa May ist die Verschiebung endlich eine gute Nachricht, ihr erster Sieg seit Wochen. Jetzt liegt es an der Europäischen Union, dem „Bettelangebot“ der Briten zuzustimmen. Beraten werden die EU-Staats- und Regierungschefs darüber auf ihrem Gipfel in der nächsten Woche. EU-Ratspräsident Donald Tusk hat schon im Vorfeld signalisiert, dass die EU einer Verlängerung der Frist zustimmen wolle. Wenn nötig, könne es eine Fristverlängerung von einem Jahr geben.
Auch Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz sagte in einem ÖSTERREICH-Interview, „dass ein Aufschub die sinnvollste Lösung ist".
Theresa May verknüpfte die Abstimmung über die Verschiebung indirekt auch mit einer Entscheidung über ihr Brexit-Abkommen. May zufolge sollen die Abgeordneten die Wahl zwischen einem langen und einem kurzen Aufschub haben. Nur wenn die Abgeordneten bis zum 20. März, also einen Tag vor dem nächsten EU-Gipfel, ihrem ursprünglichen Deal mit der EU zustimmen, sei eine kurze Verschiebung des Austritts bis zum 30. Juni möglich. Sonst müsste die Frist um Monate verlängert werden.(wek)
Kurz: "Brexit-Aufschub ist sinnvoll"
ÖSTERREICH: Sie waren einer der ersten EU-Regierungschefs, die für eine Verschiebung des Brexit eingetreten sind. Läuft es jetzt in diese Richtung?
SEBASTIAN KURZ: Wir sollten alles tun, um einen harten Brexit zu vermeiden. Deshalb hielte ich einen Aufschub für sinnvoll.
ÖSTERREICH: Für wie lange? EU-Ratspräsident Donald Tusk spricht ja jetzt sogar von einem Jahr Aufschub …
KURZ: Noch hat ja Großbritannien gar nicht um eine Verschiebung angesucht. Sollte so eine Bitte an uns gerichtet werden, müssen wir das natürlich beraten. Und das ist noch offen.
ÖSTERREICH: Wie bewerten Sie die Lage in Großbritannien?
KURZ: Theresa May weiß, was sie tun will – das Problem ist allerdings, dass sie zuletzt keine Mehrheit im Parlament hatte. Nachdem das britische Unterhaus für eine Verschiebung gestimmt hat, müssen nun die EU-27 beraten, wie sie weiter vorgehen wollen.
ÖSTERREICH: Wie lange ist das überhaupt möglich? Im Mai sind die EU-Wahlen.
KURZ: Es gibt ja nur drei Szenarien: Entweder das Unterhaus stimmt einem geordneten Brexit doch noch zu, das wäre das Beste. Zweitbeste Möglichkeit wäre die Verschiebung. Das Schlimmste wäre ein ungeordneter Brexit – und den sollten wir auf jeden Fall vermeiden.(gü)