Das britische Parlament entscheidet am kommenden Dienstag über das umstrittene Austrittsabkommen mit der EU.
Premierministerin Theresa May habe das Kabinett darüber informiert, dass die Abstimmung für den 15. Jänner angesetzt sei, erklärte ein Regierungssprecher am Dienstag. Damit bestätigte die Regierung entsprechende Medienberichte vom Vortag.
Debatte über umstrittenen Entwurf wird am Mittwoch fortgesetzt
Eine Mehrheit im Parlament ist für das von May in Brüssel ausgehandelte Abkommen aber immer noch nicht in Sicht. Ursprünglich war die Abstimmung am 11. Dezember geplant. May verschob sie wegen der sich abzeichnenden Niederlage. Die Beratungen im Unterhaus über den Vertragsentwurf werden demnach am Mittwoch und Donnerstag wieder aufgenommen. Sie könnten bis Freitag dauern, erklärte der Sprecher.
London strebt keine Verschiebung des EU-Austritts an
Angesichts der Blockade im Parlament wird zunehmend über eine Verschiebung des für den 29. März geplanten Brexits spekuliert. Die britische Regierung betonte am Dienstag, sie strebe keine Verschiebung des Austritts aus der Europäischen Union an. "Wir verlassen die EU am 29. März dieses Jahres", sagte Brexit-Staatsminister Martin Callanan am Dienstag in Brüssel. Es sei Politik seiner Regierung, dass die Phase vor dem Brexit "nicht verlängert wird".
Die britische Zeitung "Daily Telegraph" hatte zuvor berichtet, wegen der Probleme mit der Ratifizierung des Austrittsvertrags prüfe London auch die Option einer Verschiebung des Brexit. "Drei verschiedene EU-Quellen" hätten dem Blatt bestätigt, dass britische Beamte mit Blick auf die Verlängerung der Zeit vor dem Brexit "die Fühler ausstrecken" und "das Wasser testen".
Diplomaten sagten in Brüssel, darüber werde vor der Abstimmung in London nicht explizit gesprochen. Aber es sei eine Option, die alle im Hinterkopf hätten. Entscheidend sei zunächst der Ausgang des Votums in London. Der Ball liege bei Großbritannien.
Loiseau: "Wir brauchen keine Ratifizierung des Austrittsvertrags"
Würde Großbritannien einen gut begründeten Antrag auf Verlängerung der Verhandlungsfrist stellen, würden die übrigen 27 EU-Länder dies wohl kaum ablehnen, hieß es in Brüssel. Aber dazu müsste klar werden, wozu die neue Frist dienen soll. An einer unbestimmten Verlängerung der Unsicherheit könne die EU kein Interesse haben.
Die französische Europaministerin Nathalie Loiseau sagte beim Treffen mit ihren EU-Kollegen in Brüssel, die britische Regierung habe die Verlängerung nicht beantragt. "Bleiben wir also, wo wir sind", sagte sie. "Wir brauchen wirklich eine Ratifizierung des Austrittsvertrags. Das ist die beste Lösung für beide Seiten.
Die Hürden für eine Verlängerung sind hoch. Laut EU-Vertrag müssen die restlichen 27 Staats- und Regierungschefs sich geschlossen dafür aussprechen. In Anbetracht der desolaten Lage der britischen Regierung wird die Idee laut EU-Vertretern aber bereits seit einigen Wochen hinter den Kulissen durchgespielt. Man wäre offen für eine Verlängerung, wenn London danach fragen würde. Der Weg sei aber keinesfalls die bevorzugte Option. Durchaus möglich wäre eine Ausweitung um wenige Wochen aber nur dann, wenn der Abschluss des Ausstiegsvertrags unmittelbar bevorstünde. Kompliziert würde die Sache durch die Wahlen zum Europäischen Parlament Ende Mai. Großbritannien ist dann eigentlich nicht mehr dabei. Die Sitze der Parlamentarier von der Insel fallen weg.
Knackpunkt sind Kontrollen zwischen britischen Nordirland und Irland
Im Dezember hatte May die Abstimmung über den Brexit Vertrag kurzfristig abgesagt, nachdem sich eine klare Ablehnung des Deals abgezeichnet hatte. Sie scheiterte aber mit dem Versuch, der EU auf einem Gipfel weitere Zugeständnisse abzutrotzen. Knackpunkt ist vor allem die Frage, wie sich nach dem Brexit Kontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland umgehen lassen - auch um ein Wiederaufflammen des Nordirland-Konflikts zu verhindern.
Die Briten hatten sich 2016 in einer Volksabstimmung mit knapper Mehrheit dafür ausgesprochen, die Europäische Union zu verlassen. May versucht nun, die Abgeordneten in London von einem mit Brüssel ausgehandelten Austrittsabkommen zu überzeugen, trifft dabei aber auf einen breiten Widerstand im Parlament. Der EU-Austritt des Vereinigten Königreichs soll am 29. März erfolgen.
Für Empörung sorgte am Dienstag ein Vorfall vor dem Parlament in London. Die EU-freundliche Abgeordnete Anna Soubry von der Konservativen Partei war nach Interviews am Montag von Pro-Brexit-Demonstranten verfolgt und als "Nazi" und "Lügnerin" beschimpft worden. Die Polizei schritt nicht ein. Parlamentssprecher John Bercow sprach am Dienstag in einem Brief an Scotland Yard von einer "inakzeptablen Situation"; es sei nicht der einzige Fall dieser Art.