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Burn-out: So kaputt sind unsere Ärzte

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Eine Studie enthüllt: Jeder fünfte Arzt ist ausgebrannt, die Hälfte gilt als „gefährdet“. Burn-out-Opfer erzählen vom Alltag bis zum Umfallen.

Es entwickelte sich schleichend: Zuerst isolierte sich die Allgemeinmedizinern Ingrid M. (Name von der Redaktion geändert) immer mehr von ihrer Umgebung, brach ihre sozialen Kontakte ab. Später kamen körperliche Probleme wie Erschöpfung, Schlafstörungen, und ein Bandscheibenvorfall dazu. Bis M. keinen anderen Ausweg mehr sah, in Therapie ging und eine Vertretung engagierte (siehe Interview rechts).

Mehr als 26.000 Ärzte sind vom Burn-out betroffen
M. ist kein Einzelfall: Laut einer aktuellen Studie der Ärztekammer gilt jeder zweite Arzt in Österreich als burn-out-gefährdet. Gar jeder fünfte zeigt bereits Burn-out-Symptome. Betroffen sind Allgemein-, Fach- und Spitalsärzte aller Altersklassen, quer durch ganz Österreich.

Die Studie ist ein Alarmschrei: Von 38.000 Ärzten in Österreich leiden mehr als 26.000 unter Burn-out oder sind am Weg dort hin. Walter Dorner, Präsident der Wiener Ärztekammer: „Ein Drittel der Befragten sagt, rückblickend nicht mehr diesen Beruf ergreifen zu wollen. Mehr als die Hälfte gab an, am Ende des Tages völlig fertig zu sein.“

Burn-out-Opfer: Die einzige Lösung war Krankenstand
Und das ist bitterer Alltag, wie eine ehemalige Spitalsärztin bestätigt: „Man hat das Gefühl, nicht mehr zu können. Schlaflosigkeit und körperliche Symptome treten vermehrt auf. Man ist überlastet und zwar über einen langen Zeitraum. Ich konnte nur noch in den Krankenstand flüchten“, sagt sie zu ÖSTERREICH.

Auffallend: Burn-out ist eine Krankheit, die nicht nur bei „Kapazundern“ und routinierten Ärzten vorkommt. Immer mehr junge Turnusärzte leiden in ihrem Job und gehen an ihre Grenzen. „Das Hauptproblem sind die vielen Stunden und die personelle Unterbesetzung. Oft hat man nicht einmal Zeit, aufs Klo zu gehen“, berichtet ein 28-jähriger Turnusarzt aus Innsbruck.

Alle Opfer möchten ihren Namen nicht in der Zeitung lesen. Zu groß ist die Angst, vor Kollegen, Vorgesetzten, Freunden als „schwach“ und „nicht belastbar“ zu gelten. „Geht jemand mit diesem Problem an die Öffentlichkeit, beginnen Versetzungen und Mobbing. Das kann so weit führen, dass der Vertrag nicht verlängert wird“, sagt ein Spitals-Insider zu ÖSTERREICH.

Experte: „Ärzte am Limit, müssen Mitgefühl zeigen“
Die Gründe für die hohe Burn-out-Rate liegen auf der Hand. „Ärzte arbeiten ständig unter hohen Anforderungen und mit dem Gefühl, die Bedingungen nur gering beeinflussen zu können. Zudem sind sie immer von Kranken umgeben und müssen Mitgefühl zeigen“, sagt der Neurologe Wolfgang Lalouschek.

Eine Rolle spielt auch der Gruppendruck. „Auch die Kollegen üben viel Druck aus, sie wollen sich gegenseitig übertreffen. Viele Ärzte gehen in den Ruhezeiten nicht nach Hause, sondern arbeiten wissenschaftlich“, so Claus-Georg Krenn, Vizepräsident der Anästhesisten.

Ärztin: "Wollte alles hinwerfen"

Eine praktische Ärztin aus Wien schildert, wie der Job sie völlig ausbrannte.

ÖSTERREICH: Ihr Job als Ärztin trieb Sie ins Burn-out. Warum?

Ingrid M.: Der Druck war zu groß – von Hauptverband, Kasse und Patienten. Um auf ein entsprechendes Gehalt zu kommen, musste ich 1.000 Patienten pro Quartal behandeln. Ich kenne viele Ärzte, die deshalb Nebenjobs haben. Das alles ging an die Kraft. Es war nicht die Zeit, sondern der Druck während der Ordination, den ich nicht aushielt.

ÖSTERREICH: Welche Ursachen sehen Sie noch?

Ingrid M.: Es ist schlimm, wenn noch 20 Patienten im Wartezimmer sitzen und man keine Zeit für die Behandlung des einzelnen hat. Zudem hat sich durch die E-Card vieles verändert. Es wird versucht, Diagnosen elektronisch zu erfassen. Die Bürokratie ist enorm, alles ist auf 3-Minuten-Medizin angelegt.

ÖSTERREICH: Wie haben Sie darauf reagiert?

Ingrid M.: Ich bewegte mich an der Grenze. Ich zog mich zurück, reduzierte meine sozialen Kontakte. Die Batterien waren leer, ich war nur noch erschöpft. Dann kam ein Bandscheibenvorfall dazu. Oft überlegte ich, alles hinzuwerfen.

ÖSTERREICH: Wie ging es dann weiter?

Ingrid M.: Ich therapierte mich selbst und organisierte eine Vertretung für zwei Tage. Nun arbeite ich nur drei Tage pro Woche. Mehr geht einfach nicht. Arzt war eigentlich mein Traumjob, fast musste ich ihn aufgeben.

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