Britische Wissenschafter im Fachblatt ''Lancet'': Reaktionszeit bis zur Isolierung Betroffener entscheidendster Faktor.
London. Die Covid-Epidemie kann unter Kontrolle gebracht werden. Voraussetzung ist, dass der SARS-CoV-2-Erreger den Gesundheitsbehörden nicht "davonläuft". Entscheidender Faktor dabei ist das schnelle Erkennen einer Infektion ab Symptombeginn, haben jetzt Experten der London School of Hygiene in Computersimulationen berechnet.
"Die Isolierung von Fällen (Patienten; Anm.) und das Nachverfolgen der Personenkontakte wird benutzt, um Ausbrüche infektiöser Erkrankungen unter Kontrolle zu bringen und wurde auch für Covid-19 durchgeführt. Ob diese Strategie aber die Krankheit wirklich unter Kontrolle bringt, hängt von den Charakteristika des Erregers und der Antwort (durch das Gesundheitssystem; Anm.) ab", schrieben Joel Hellellwell und die Ko-Autoren im Fachblatt "Lancet".
Die Experten haben mathematische Modelle für die Ausbreitung von SARS-CoV-2 entwickelt und unter den verschiedenen Parametern rund 1.000 Mal durchgerechnet. Stehen am Anfang nur fünf Erkrankte und beträgt die Basisreproduktionsrate des Virus 1,5 (ein Infizierter steckt statistisch 1,5 Personen an) und erfolgt keine weitere Übertragung vor Auftreten von Krankheitssymptomen, kommt es kaum auf das Auffinden von Kontaktpersonen an, stellten die Fachleute fest.
Das ist aber bei SARS-CoV-2 nach derzeitigem Wissen nicht der Fall. Bei mehr anfänglichen Erkrankungsfällen und einer Basisreproduktionsrate von 2,5 bis 3,5 (bei Covid-19 wird ein Faktor von etwa zwei angenommen) sowie mehreren weiteren Infektionen bis zum Auftreten von Symptomen wird die Wahrscheinlichkeit, den Ausbruch binnen drei Monaten unter Kontrolle zu bringen, schon geringer.
Ein entscheidender Faktor ist, wie viele der Kontaktpersonen eines Erkrankten wirklich aufgefunden werden können. "Die Mehrheit der Szenarios mit einer (niedrigen; Anm.) Basisreproduktionsrate von 1,5 waren unter Kontrolle zu bringen, wenn weniger als 50 Prozent der Kontaktpersonen erfolgreich gefunden werden konnten", schrieben die Autoren.
Das laut den Berechnungen der Wissenschafter für SARS-CoV-2 derzeit wahrscheinlichere Szenario: "Um 90 Prozent der simulierten Ausbrüche bei einer Basisreproduktionsrate von 2,5 unter Kontrolle zu bringen, mussten 80 Prozent der Kontaktpersonen aufgefunden werden. Bei einer Basisreproduktionsrate von 3,5 sind es mehr als 90 Prozent."
Je schneller sich Personen mit Coronavirus-Verdacht melden oder identifiziert werden, desto besser. "Die Zeitverzögerung zwischen Auftreten von Symptomen und der Quarantäne von Betroffenen hat eine große Bedeutung für die Kontrolle von Ausbrüchen. Kann man 80 Prozent der Kontaktpersonen auffinden, sinkt diese Wahrscheinlichkeit von 89 auf 31 Prozent, wenn dieser Zeitraum lang ist", schrieben die Wissenschafter. Es ist also Eile geboten, wenn es um das Auffinden von Erkrankten, Auffinden von Kontaktpersonen und um die Quarantänemaßnahmen geht.