Experte erklärt

Deshalb wählten die Austro-Türken Erdogan

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Atac: Ergebnis könnte Warnsignal für bevorstehende Wahlen 2019 sein.

Beim türkischen Referendum hat Präsident Recep Tayyip Erdogan bei den Auslandstürken eine hohe Zustimmung erreicht. In Österreich stimmten 73,33 Prozent der Türken, die am Sonntag beim Referendum über die Verfassungsreform teilnahmen, dafür, Erdogans Macht zu stärken. Dem Politikwissenschafter und Türkei-Experten Ilker Ataç zufolge hat dies vor allem mit ihrer Herkunft in der Türkei zu tun.

Religion & politische Zugehörigkeit

Besonders Austro-Türken, die überwiegend aus religiös konservativen Städten und Regionen der Türkei stammen - wie Yozgat (74 Prozent für Ja), Sakarya (68 Prozent) und Trabzon (66 Prozent) - haben in Österreich ebenfalls für das Präsidialsystem gestimmt, sagte Atac am Dienstag im Gespräch mit der APA. Zudem sei die Wahlbeteiligung der Türken in Österreich im Vergleich zur Parlamentswahl 2015 von 40 auf 47 Prozent gestiegen. Gründe dafür seien dem Charisma Erdogans zuzuschreiben, dessen Beliebtheit nach dem Putsch zugenommen hatte, so Atac.

Aber auch die politische Zugehörigkeit spielte dem Experten zufolge eine wichtige Rolle für Auslandstürken. Ein Faktor, der für die Bevölkerung in der Türkei weniger relevant war. Dort waren Aspekte wie ökonomische Stabilität und die Glaubwürdigkeit der Politik entscheidende Faktoren, weshalb das "Ja"-Lager Stimmen einbüßen musste.

Klassische Arbeitsmigration

Die hohe Zustimmung in Österreich, Deutschland und den Niederlanden ist laut Atac auch auf die klassische Arbeitsmigration zurückzuführen. Ein weiterer Faktor sei die soziale und ökonomische Integration. So verfüge Deutschland aufgrund größerer Betriebe über bessere Aufstiegschancen für die türkische Bevölkerung als Österreich mit vorwiegend kleineren Betrieben. In den Niederlanden führte die Politisierung allerdings zu einer Abnahme der Wahlbeteiligung und der Zustimmung.

In der Schweiz und in Großbritannien zeigte sich ein relativ starker Anstieg bei der Wahlbeteiligung im Vergleich zur Wahl 2015. Dies sind auch die Länder, in denen für "Nein" gestimmt wurde (Schweiz 53 Prozent; Großbritannien 79 Prozent). Dort finde sich nicht die klassische Form der Arbeitsmigration, so Atac. Seit 1980 hätten vor allem politische Flüchtlinge wie Kurden um Asyl angesucht.

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Warnsignal

Atac sieht das Wahlergebnis auch als Warnsignal für die geplanten Wahlen im 2019. "Trotz des Ausnahmezustands und der vielen Ressourcen, die der AKP im Wahlkampf zur Verfügung stehen, konnte die AKP nur knapp siegen. Der knappe Wahlausgang bedeutet, dass die AKP auch auf das 'Nein'-Lager zugehen sollte", so Atac. Demnach könnte der Spielraum der AKP nun kleiner werden.

Atac ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien sowie als Konsulent für VIDC (Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation) tätig. Gemeinsam mit dem VIDC organisiert er Veranstaltungen zum Thema Türkei mit Beteiligung von Experten aus der Türkei.

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