Als Folge des Verfassungsgerichtsurteils zum Klimafonds erwägt die deutsche Bundesregierung, die Schuldenbremse im Grundgesetz für 2023 und damit das vierte Jahr in Folge auszusetzen.
Das sei ein möglicher Weg in Verbindung mit einem Nachtragsbudget, sagte ein Regierungsvertreter am Dienstag. An anderer Stelle hieß es, mit den Koalitionsfraktionen von SPD, Grünen und FDP sei dies noch nicht final geklärt. Nach dieser Darstellung wären damit keine neuen Ausgaben verbunden.
Durch eine höhere Neuverschuldung sollten allein die Ausgaben des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) im Jahr 2023 etwa für die Gas-und Strompreisbremsen auf eine sichere Grundlage gestellt werden. Die Union hatte bereits zuvor ein entsprechende Nachtragsbudget für 2023 gefordert.
Budgetsperre verhängt
Das Finanzministerium wollte sich nicht zur Frage einer erneuten Aussetzung der Schuldenbremse äußern, über die zuerst das "Handelsblatt" berichtet hatte. Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagte in Berlin, die Herausforderung sei, finanzpolitisch diszipliniert zu bleiben. Die Finanzpolitik werde in Deutschland im nächsten Jahr restriktiver werden. Lindner hatte als Notmaßnahme nach dem Höchstgerichtsurteil eine Budgetsperre verhängt.
Diese Maßnahmen und die Diskussionen über neue Budgetprioritäten zeigten am Dienstag, welche gravierenden Folgen das Urteil des Verfassungsgerichts für das Budget der größten europäischen Volkswirtschaft hat. Das Bundesverfassungsgericht hatte der Bundesregierung vergangene Woche 60 Milliarden Euro gestrichen, weil die Übertragung nicht genutzter Corona-Kredite auf den Klimafonds (KTF) verfassungswidrig war. Das Geld fehlt der Regierung nun. Hinzu kam, dass nach dem Gerichtsurteil auch der WSF fragwürdig wurde.
"Doppelwumms"
Der von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als "Doppelwumms" bezeichnete Fonds zur Dämpfung der Energiepreise war 2022 unter Aussetzung der Schuldenbremse mit Kreditermächtigungen von 200 Milliarden Euro ausgestattet worden, die größtenteils aber erst 2023 und 2024 verwendet werden sollten. Das Gericht hatte klargemacht, dass solche Notlagen-Kredite nur in dem Jahr verwendet werden dürften, in dem sie beschlossen worden seien.
Das Finanzministerium räumte die Probleme mit dem WSF intern ein, indem es auch für den WSF eine Budgetsperre verfügte. "Aufgrund der Auswirkungen des Urteils (...) können die Kreditermächtigungen für das Sondervermögen Wirtschaftsstabilisierungsfonds-Energie im Jahr 2023 nach derzeitiger Rechtslage nicht mehr genutzt werden", heißt es in dem Schreiben an die Ministerien. Aus dem Finanzministerium hieß es ergänzend: "Die Auszahlung der Energiepreisbremsen im Jahr 2023 ist nicht betroffen." Der WSF solle Ende 2023 auslaufen.
Probleme für das Budget 2024
Dies wirft aber Probleme für das Budget 2024 auf, in dem bisher kein Geld für die bereits beschlossene Verlängerung der Gas-und Strompreisbremse vorgesehen war. Die Union verlangte, den geplanten Abschluss der Etatberatungen für 2024 zu verschieben. "Sonst läuft die Ampel sehenden Auges in einen verfassungswidrigen Haushalt", sagte CDU-Budgetpolitiker Christian Haase.
Lindner zog am Montagabend mit einer Budgetsperre für alle Ministerien die Notbremse, um angesichts der unsicheren Lage nach dem Urteil weitere Ausgabenzusagen zu verhindern. Budgetpolitikern war auf Anhieb nicht präsent, wann es das zuletzt gegeben hat. Sie verwiesen auf eine teilweise Budgetsperre 2003 in der damaligen rot-grünen Koalition.
Die Ampel-Regierung ringt um die Aufstellung des Etats für 2024 und die Frage, für welche Projekte es noch Geld geben soll. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte mit Blick auf Großprojekte wie eine Intel-Chipfabrik in Magdeburg großen volkswirtschaftlichen Schaden im Fall einer Absage des Vorhabens voraus. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) forderte eine neue Priorisierung im Haushalt. Beide Minister begrüßten die Haushaltssperre als richtigen Schritt. Habeck warnte aber davor, die Projekte, die aus den 60 Milliarden Euro des KTF finanziert werden sollten, nun zur Disposition zu stellen.