"Gefroren wie Hunde"

Ukrainer rüsten sich für zweiten Winter an der Front

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In der Ostukraine herrschen schon Temperaturen um den Gefrierpunkt – Russland dürfte die Energieinfrastruktur im Winter wieder massiv angreifen.

Sonntagabend fiel der erste Schnee im Osten der Ukraine, die Temperatur ist auf den Gefrierpunkt gesunken. Die Soldaten an der Front setzen alles daran, dass der zweite Kriegswinter nicht so hart wird wie der erste. "Letzten Winter habe ich gefroren wie ein Hund", erzählt der Soldat Dmytro in einem unterirdischen Unterschlupf bei Bachmut.

Im vergangenen Winter hatte Russland die Energieinfrastruktur der Ukraine massiv unter Beschuss genommen. Für tausende Menschen bedeutete das lange Ausfälle von Strom oder Heizung bei eisiger Kälte. Am Dienstag traf der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in Kiew ein: Er sagte der Ukraine unter anderem weitere Luftabwehrsysteme zu, um die Energieinfrastruktur diesmal besser zu schützen.

Autoheizung wärmt auf 20 Grad

Auch die Einheiten an der Front sind besser vorbereitet. Dmytros Einheit ist in der Nähe von Bachmut stationiert, einer der aktivsten Fronten im Kampf gegen die russischen Invasoren. Ihren Schutzraum hat die Truppe im Wald tief in die Erde gegraben - und winterfest ausgestattet. Draußen ist es nasskalt und grau, drinnen wärmt eine mit Diesel betriebene Autoheizung den 20 Quadratmeter großen Bau auf 20 Grad.

Ukrainische Soldaten in Bachmut
© Getty
× Ukrainische Soldaten in Bachmut

Kein Vergleich zum vergangenen Jahr. Damals hätten sie 24 Stunden am Stück in schlammigen oder gefrorenen Schützengräben gesessen, sagt Dmytro, der für das Steuern und Laden eines Grad-Mehrfachraketenwerfers zuständig ist. "Wir waren immer kampfbereit, wir schossen den ganzen Tag. Wenn ich von der Front zurückkam, zog ich alles an, was ich konnte: drei Hosen und mehrere Jacken", erinnert sich der 36-Jährige.

Nachdem Bachmut nach einer langen und blutigen Schlacht im Frühjahr an Russland fiel, wechselte Dmytros Einheit ihre Position. Die Soldaten bleiben jetzt immer drei Tage vor Ort und nutzen den beheizten Schutzraum, der sie vor Bomben oder explodierenden Drohnen schützt. Die Raketenwerfer sind mehrere hundert Meter von der kleinen Basis entfernt stationiert, geschossen wird nur noch auf zuvor genau bestimmte Ziele.

Ukrainische Soldaten in Bachmut
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× Ukrainische Soldaten in Bachmut

Die Kälte ist für Dmytro im Moment kein Problem - aber die Mäuse. Er zeigt auf einen Nager, der gerade unter der schwarzen Plastikplane verschwindet, mit der die Wände ausgekleidet sind. Drei tote Mäuse kleben auf einer Leimfalle. "Ich kann mich nicht erinnern, im letzten Winter so viele gesehen zu haben", sagt Dmytro. "Das Problem ist, dass sie die Kabel anknabbern", wie das für den Satelliteninternetdienst Starlink, erklärt Wolodymyr, der Kommandeur der Einheit.

Größere Gefahr im Winter

Im Winter leben die Soldaten gefährlicher: Die kahlen Bäume bieten keinen Schutz mehr vor den Kameras der russischen Drohnen. Die Wege verwandeln sich in Schlammpisten, in denen die Militärfahrzeuge immer wieder stecken bleiben. Wolodymyr zeigt auf die tiefen Spurrillen in der schweren schwarzen Erde.

Ein paar Kilometer weiter entfernt hat sich Doktor Osmak, wie ihn die Kameraden nennen, ebenfalls besser auf den zweiten Kriegswinter vorbereitet. Er leitet die Sanitätsstation, die erste Anlaufstelle für Verwundete.

Die Wände des Erdgeschosses sind mit Mineralwolle und Brettern isoliert. Es gibt einen Holzofen und in manchen Räumen Autoheizungen. Vor dem Gebäude erzeugt ein großer Generator Strom. "Im letzten Winter war es viel schwieriger zu arbeiten, weil wir keine Zeit hatten, uns richtig auszurüsten. Wir mussten in der Kälte arbeiten", sagt der Arzt.

Ukrainische Soldaten in Bachmut
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× Ukrainische Soldaten in Bachmut

Jetzt ist es im Behandlungsraum mindesten 28 Grad warm, Doktor Osmak und die Pfleger tragen T-Shirts. Zwei Soldaten werden auf Tragen herein gebracht, Granatsplitter haben ihre Oberschenkel verletzt. Einer der beiden zittert am ganzen Körper. Die Pfleger hüllen ihn in eine Aluminiumdecke. Darunter legen sie einen Schlauch, aus dem warme Luft strömt.

Nicht nur die Sanitätsstation ist für diesen Winter gerüstet. Auch die Soldaten selbst sorgen vor. "Die Verletzten, die kommen, haben nun oft chemische Wärmepads am Körper und in ihren Handschuhen kleben", hat der Mediziner beobachtet. "Die Jungs achten jetzt mehr auf sich selbst."

Von Emmanuel Peuchot/AFP

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