Rede in Karlsruhe

Erdogan: Auslandstürken sind Teil der Macht

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Türken in Deutschland spielen eine wichtige Rolle in der Außenpolitik.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den Türken in Deutschland eine wichtige Rolle in der Außenpolitik seines Landes zugewiesen. Sie seien "unsere Macht außerhalb des Landes", sagte er am Sonntag bei Karlsruhe in der Rede vor rund 14.000 Anhängern. Bei Zusammenstößen zwischen Anhängern Erdogans und Gegendemonstranten wurden laut Polizei drei Menschen verletzt. Es gab zwei Festnahmen.

14.000 Zuhörer
Einen Monat vor den Parlamentswahlen in der Türkei hat Erdogan die in Deutschland lebenden Bürger mit türkischer Staatsangehörigkeit zur Stimmabgabe aufgerufen. Vor mehr als 14.000 Zuhörern forderte der islamisch-konservative Politiker die in Deutschland lebenden Menschen mit türkischen Wurzeln dazu auf, sich in der Bundesrepublik zu integrieren, dabei aber die Werte, die Religion und die Sprache ihrer Heimat zu bewahren. "Je stärker unser Zusammenhalt in der Welt, umso stärker sind wir alle", sagte Erdogan.

Die Errichtung der "Neuen Türkei" beginne in Deutschland, sagte Erdogan mit Blick auf die anstehende Wahl. Die Türken in der Bundesrepublik seien die türkische "Stimme der Nation". Auf Erdogans Aufforderung hin skandierte die Menge die Formel "Eine Nation - eine Fahne - ein Vaterland - ein Staat". Die vom türkischen Fernsehen live übertragene Ansprache stand im Zeichen des Wahlkampfs für die Parlamentswahl in der Türkei am 7. Juni. Die im Ausland lebenden Türken könnten ab Freitag in den Konsulaten wählen, bis zum 31. Mai. In Österreich sind rund 90.000 Personen wahlberechtigt.

Menge feiert Erdogan
In der Messehalle in Rheinstetten bei Karlsruhe feierte die Menge den Präsidenten begeistert mit einem Meer aus Fahnen und Sprechchören. "Wir lieben dich, Erdogan, wir sind stolz auf Dich", riefen die Zuhörer. Sie streckten die Hand zum Rabia-Zeichen aus: Die vier ausgestreckten Finger mit eingeklapptem Daumen entstanden in der Protestbewegung der ägyptischen Muslimbruderschaft gegen die Streitkräfte; das Symbol wird auch von islamisch-politischen Gruppen in der Türkei verwendet.

"Die Wahlurne ist eure Waffe", rief Erdogan, der von Karlsruhe aus in die belgische Stadt Hasselt weiterreisen wollte. Ohne direkt zur Wahl der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP aufzurufen, sprach der langjährige Regierungschef von Erfolgen der AKP-Regierungszeit wie erneuerten Straßen und mehr Lebensqualität in den Städten. In Anspielung auf die Einparteienregierung der AKP forderte Erdogan die 1,45 Millionen türkischen Wähler in Deutschland auf, bei der Parlamentswahl für Stabilität zu stimmen.

"Neue Türkei"
Für die "Neue Türkei" werde das von ihm selbst angestrebte Präsidialsystem gebraucht, sagte Erdogan. Gleichzeitig kritisierte er die Opposition, die den Übergang zum Präsidialsystem ablehnt: Die Wähler sollten den Kritikern der Regierung am 7. Juni die "passende Antwort geben", sagte der 61-Jährige. Insbesondere attackierte Erdogan die Kurdenpartei HDP, ohne deren Namen zu nennen.

"Niemand kann euch überhören in der Welt, wenn ihr wählt", rief Erdogan aus, "auch nicht diejenigen, die in der EU eine Schweigeminute für Armenier eingelegt haben, können euch ignorieren." Bei diesem Bezug auf das Gedenken an den Massenmord an Armeniern vor 100 Jahren, brachen die Zuhörer in Buhrufe aus.

Mehrere tausend Gegner Erdogans demonstrierten vor der Messehalle bei Karlsruhe gegen die Veranstaltung. Auch mehrere tausend Anhänger des Präsidenten, die keinen Platz mehr in der Halle gefunden hatten, versammelten sich dort, wie eine Polizeisprecherin mitteilte. Die Stimmung zwischen beiden Gruppen sei aufgeheizt gewesen, hieß es.

Nach Zusammenstößen zwischen Erdogan-Anhängern und kurdischen Gegendemonstranten, bei denen es sich laut Polizei zum Teil um Anhänger der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gehandelt haben dürfte, sprach die Polizei gegen mehrere Kurden Platzverweise aus. Diesen sei auch Folge geleistet worden. Gegen Erdogan demonstrierten auch Anhänger des Alevitischen Kulturvereins und weiterer Gruppen.

Der Auftritt des Präsidenten in Karlsruhe war umstritten, weil er laut der Verfassung nicht an Wahlkämpfen teilnehmen darf. Laut der türkischen Verfassung ist der Staatspräsident zur Unparteilichkeit verpflichtet. Die HDP hat deshalb wegen Erdogans Wahlkampfeinsätzen Verfassungsklage eingereicht.
 

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