Fico vor Comeback

EU zittert vor Wahl in der Slowakei

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Robert Fico  will die Hilfe für die Ukraine einstellen und die EU-Sanktionen gegen Russland blockieren.

In der Slowakei hat am Samstag in der Früh die Wahl eines neuen Parlaments für die kommenden vier Jahre begonnen. Es wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der sozialdemokratischen Smer des populistischen und russland-freundlichen Langzeitpremiers Robert Fico (59) und der liberal ausgerichteten, jungen Progressiven Slowakei (PS) unter der Leitung des EU-Vizeparlamentspräsidenten Michal Simecka (39) erwartet. Beobachter sprechen von einer Richtungswahl in der Slowakei.

Fico, der nach einem Journalistenmord vor fünfeinhalb Jahren in Folge von Großdemonstrationen zurückgetreten ist, könnte jetzt vor einem Comeback stehen und das EU- und NATO-Land von seinem bisher strikt pro-europäischen und pro-ukrainischen Kurs abbringen. Die Progressiven unter Simecka stehen dagegen für eine pro-westliche demokratische Ausrichtung der Slowakei. Den meisten Umfragen nach führt Fico mit einem geringen Vorsprung, einige Umfrageagenturen sahen aber bereits Simecka knapp vorne.

Kehrtwende in der Ukraine-Politik

Im Wahlkampf versprach der Politveteran Fico die bisher großzügige Militärhilfe der Slowakei an die Ukraine im Kampf gegen den russischen Angriffskrieg sofort einzustellen und auch die EU-Sanktionen gegen Russland in Brüssel zu blockieren. Er wolle die Slowaken gegen Migrantenwellen, steigende Energiepreise und eine drastische Inflation von immer noch rund 10 Prozent in Schutz nehmen und ihre soziale Sicherheiten nicht gefährden, so Fico. Kritiker warnen, Fico werde das Land auf einen autoritären Kurs nach dem Beispiel des ungarischen Ministerpräsident Viktor Orban führen. Das Wahlergebnis in der Slowakei wird daher auch international mit viel Spannung erwartet.

Die Progressiven unter Simecka wollen den Missständen der Vorgängerregierung ein Ende setzen und für eine Stimmungsänderung im Land sorgen, um eine weitere Auswanderung junger, gut gebildeter Slowaken entgegenzuwirken. Simecka sprach im Wahlkampf von einer zivilisatorischen Entscheidung, vor der das Land stehe: Zwischen dem Westen und dem Osten, und somit einer drohenden Isolation der Slowakei.

Mit ihren gesellschaftspolitischen Überzeugungen, zu denen auch registrierte Partnerschaften Homosexueller und mehr Rechte für die LGBT-Community gehören, könnten die Progressiven aber in der katholisch geprägten Slowakei ein Problem haben, Koalitionspartner zu finden. Bei der Parlamentswahl 2020 musste die PS ein Wahlfiasko einstecken, es fehlten wenige Hundert Stimmen zum Parlamentseinzug, obwohl auch damals ein zweistelliges Wahlergebnis für sie erwartet worden war.

Hlas  als Königsmacher

Als Königsmacher gilt die ebenfalls sozialdemokratische Hlas (Stimmen) von Ex-Premier Peter Pellegrini (47), die sich nach dem letzten Urnengang von Ficos Smer abgespalten hatte. Sie gilt als gemäßigter als die Smer und könnte auch als Juniorpartner in einer von Fico geführten Koalition die befürchtete Kehrtwende abschwächen. Sollte Fico hingegen auf eine Koalition mit Rechtsparteien wie der nationalistischen SNS und der rechtsextremen Republika angewiesen sein, wäre laut Beobachtern ein Orban-Kurs der Slowakei so gut wie sicher. Die beiden Parteien haben gute Chancen für einen Einzug in den Nationalrat.

Pellegrini hatte monatelang in Umfragen geführt, erst Anfang dieses Jahres sackte seine Partei ab und liegt mittlerweile nur noch auf Platz drei. Kürzlich wurde noch über eine bevorstehende Zusammenarbeit von Hlas mit den Progressiven spekuliert, zu Ende des Wahlkampfs wurde aber immer mehr eine Annäherung zwischen Fico und Pellegrini sichtbar.

Die inzwischen zum Großteil zersplitterten Parteien der konservativ-populistischen Vorgängerregierungen von Igor Matovic und Eduard Heger, die seit 2020 an der Macht waren, müssen hingegen um ihre politische Zukunft bangen. Ihre Umfragewerte lagen jüngst nur noch knapp an der Fünf-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament. Statt einem demokratischen Neustart und der Bekämpfung von Korruption, die sich Slowaken nach dem Journalisten-Mord 2018 gewünscht hatten, brachten sie Chaos über das Land. Die Koalition stürzte schließlich über interne Streitereien.

Geblieben ist eine Rekordverschuldung des Landes und tiefer Frust in der Bevölkerung. Immer mehr Slowaken wünschen sich laut Umfragen einen autoritären Führer, der für Ruhe und Stabilität sorgen würde.

Seit dem Sturz der Vorgänger regiert ein von Staatspräsidentin Zuzana Caputova ernanntes Expertenkabinett unter dem Ökonomen Ludovit Odor in der Slowakei. Dieses wird die Amtsgeschäfte weiterführen, bis eine neue Regierungskoalition aus dem Urnengang hervorgegangen ist.

Beobachter haben jüngst auch ein mögliches Pat eingeräumt. Sollte keines der beiden Lager, weder Fico noch Simecka, in der Lage sein, die notwendige Mehrheit von 76 Stimmen im Parlament zu stellen, würde die Slowakei unausweichlich erneut auf Neuwahlen hinaussteuern, hieß es.

Die rund 6.000 Wahllokale stehen den knapp 4,4 Millionen Wählern am Samstag von 7 bis 22 Uhr offen. Um die 150 Sitze im slowakischen Nationalrat sind insgesamt 25 politische Parteien bemüht, Erfolgschancen werden allerdings nur acht bis neun Gruppierungen eingeräumt. Ein relevantes vorläufiges Ergebnis wird noch in der Nacht auf Sonntag erwartet.

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