AKW Mochovce

Ex-Arbeiter packt aus: "Alles war Pfusch"

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600 Fotos sollen aktuelle Missstände belegen 

Rund vier Monate nach ersten Berichten über Bau- und Sicherheitsmängel des neuen Reaktorblocks 3 des slowakischen Atomkraftwerks Mochovce prangern Informanten erneut Missstände an. "Alles war Pfusch", sagte ein Ex-Facharbeiter am Freitag im Ö1-Radio. Anhand von 600 Fotos soll er eine umfassende Mängelliste dokumentiert haben.
 
Risse im Beton, Löcher in Dächern der Turbinenhalle, chaotisch und zu kurz verlegte Strom- und Kontrollkabel, unsachgemäße Schweißnähte und verformte Stahlträger seien nur einige der Missstände im Reaktor 3, berichteten Reinhard Uhrig, Anti-Atom-Sprecher von Global 2000, sowie Ö1 unter Berufung auf den Informanten. Die Fotos hatte der ehemalige Facharbeiter, der anonym bleiben wollte, in den vergangenen zwei Jahren aufgenommen.
 

Grobe Verstöße

Der Mann, der die Sicherheitsvorschriften überwachen sollte, schilderte zudem grobe Verstöße der Arbeiter sowie fehlende Koordination bei den Bauarbeiten im Reaktor 3. So mussten mehre Arbeiter entlassen werden, viele Beschäftigte seien vom AKW-Betreiber, den Slowakischen Stromwerken (Slovenske elektrarne/SE), lediglich für ihre Anwesenheit bezahlt worden. Auch die Zugangskontrollen für Arbeiter und Fahrzeuge prangerte er als ungenügend an, es kam zu groß angelegten Materialdiebstählen, er selbst hätte ohne Probleme die Baupläne der gesamten Atomanlage entwenden können. Eine Kopie der Pläne lag Ö1 vor.
 
Der Facharbeiter hatte nach eigenen Angaben die Qualitätsmängel an zuständige Stellen gemeldet - offenbar erfolglos. "Das kann man nicht anschalten, das ist eine Katastrophe", warnte der Mann. Auch Global 2000 wies in einer Aussendung vom Freitag darauf hin, dass der Atomreaktor Mochovce 3 - mit Unterbrechung - "seit 34 Jahren in Bau" sei und ein Sicherheitskonzept aus den 70ern habe. Für einen Terroranschlag oder einen Flugzeugabsturz sei er nicht ausreichend geschützt und somit "nicht akzeptabel für einen Betriebsbeginn im 21. Jahrhundert".
 
"Es braucht weiter den politischen Druck", forderte Global 2000-Anti-Atomsprecher Uhrig von der neuen Regierung unter Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein, und er betonte: Die Bauarbeiten an dem Reaktorblock müssten bis zur angekündigten, unabhängigen, transparenten Prüfung gestoppt werden. Der Klubobmann und Umweltsprecher von der Liste JETZT, Bruno Rossmann, sowie der oberösterreichische Umweltlandesrat Rudi Anschober (Grüne) stießen ins gleiche Horn. Die "neuerlichen Enthüllungen" in Mochovce bezeichnete Anschober als "hochgradig alarmierend".
 

Internationale Untersuchung

Der AKW-Betreiber SE hatte Ende Mai einer Untersuchung des neuen 3. Reaktorblocks in Mochovce durch die Internationale Atomenergiebehörde IAEO (IAEA) vor seiner Inbetriebnahme zugestimmt. SE hatte die Sicherheitsmängel stets bestritten und von einer Panikmache der Umweltschützer gesprochen. Die im April veröffentlichen Vorwürfe wies SE als veraltete bzw. mittlerweile gelöste Probleme zurück, erklärte Global 2000 in der Aussendung. Die neuen Enthüllungen würden jedoch den aktuellen Zustand des Projekts (Jänner/März 2019) betreffen.
 
Die Inbetriebnahme der Blöcke 3 und 4 des rund 100 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernten Atomkraftwerks war ursprünglich schon für 2012 und 2013 geplant und wurde mehrmals verschoben. SE räumte kürzlich ein, dass sich der Fertigbau der neuen Blöcke auch wegen Einwänden aus Österreich bis November 2019, möglicherweise sogar bis März 2020, verzögern werde.
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