Droht Spaltung Europas?

Flüchtlingsstreit: Wer welche Position vertritt

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Die wichtigsten Akteure von Berlin und München über Wien bis nach Rom und Paris.

Der Streit um die Flüchtlingspolitik droht nicht nur CDU und CSU zu spalten, sondern auch Europa. Während die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel auf europäische Vereinbarungen setzt, sehen ihre Kontrahenten in Härte und Abschottung die Lösung. Die wichtigsten Akteure des Konflikts kommen aus Berlin, Paris und Brüssel auf der einen Seite, sowie aus München, Wien und Rom auf der Gegenseite.

Horst Seehofer und die CSU

Der deutsche Innenminister hat ein Maßnahmenpaket zur Migration erarbeitet, die Zurückweisung bestimmter Flüchtlinge an der Grenze ist ein Teil davon. Der CSU-Vorsitzende begründet dies mit der Sicherheit in Deutschland und der Stimmung in der Bevölkerung. Um seine harte Linie durchzusetzen, scheint er sogar zum Bruch mit der CDU bereit, mit einem Zerfall der Regierungskoalition als Folge. Kritiker werfen Seehofer vor, allein einen Erfolg der CSU bei den bayerischen Landtagswahlen im Herbst im Blick zu haben. Doch in der CDU wird auch vermutet, dass Seehofer eigentlich Merkels Sturz zum Ziel hat.

Angela Merkel

Die deutsche Kanzlerin ist die Getriebene in dem Konflikt. Unter dem Druck der CSU hat sie zugesagt, bis Monatsende über bilaterale Abkommen zu Zurückweisungen zu verhandeln - obwohl sie solche Maßnahmen eigentlich ablehnt. Nun will sie wenigstens eine europäische Lösung dazu hinbekommen. Doch in Europa schlägt ihr überwiegend Ablehnung entgegen, ihre wichtigsten Verbündeten sind Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Was immer Merkel erreicht, der Konflikt hat sie bereits jetzt als Kanzlerin und CDU-Vorsitzende gefährlich geschwächt.

Emmanuel Macron

Der französische Präsident warnt vor einer anti-europäischen Stimmung, die sich "wie die Lepra fast überall in Europa breitmacht". Er spricht sich gegen Nationalismus und geschlossene Grenzen aus und wirbt zusammen mit Kanzlerin Merkel für gemeinsame EU-Asylstandards und mehr Solidarität bei der Verteilung von Flüchtlingen. Kritiker auch in seiner eigenen Partei werfen Macron Doppelmoral vor: Denn Frankreich weist an der Grenze zu Italien systematisch Flüchtlinge ab.

Italiens Regierung mit Innenminister Matteo Salvini

Unter der neuen Populisten-Regierung geht Rom auf Konfrontationskurs zu Merkel. Treibende Kraft ist Innenminister Matteo Salvini, Chef der fremdenfeindlichen Lega. Er weigert sich, bereits in Italien registrierte Asylbewerber wieder zurückzunehmen: "Wir können keinen Einzigen mehr aufnehmen." Damit droht er, Merkels Plan für bilaterale Abkommen zum Scheitern zu bringen. Stattdessen zeigt sich Rom offen für die Zusammenarbeit mit EU-Staaten wie Österreich, die ebenfalls auf eine harte Gangart in der Migrationspolitik drängen.

Sebastian Kurz und die ÖVP-FPÖ-Koalition

Der österreichische Bundeskanzler will mit einer "Achse der Willigen" eine restriktivere Migrationspolitik in Europa durchsetzen. Er wirbt dabei für eine regionale Zusammenarbeit zwischen Rom, Wien und Berlin - wobei er insbesondere Seehofer im Blick hat. Sollte Deutschland die Grenzkontrollen verschärfen, kündigte Kurz seinerseits Kontrollen an Österreichs Südgrenzen an. Zugleich positioniert er sich als Vermittler zwischen den westlichen EU-Mitgliedern und den osteuropäischen Visegrad-Staaten, die eine Flüchtlingsaufnahme strikt ablehnen. Am Donnerstag betonte er bei einem Treffen mit den Visegrad-Staaten in Budapest den Gleichklang, was die Abschottung an den EU-Außengrenzen und die Errichtung von Lagern in Drittstaaten betrifft. Ab 1. Juli übernimmt Österreich die EU-Ratspräsidentschaft und will dem Schutz der EU-Außengrenzen Priorität einräumen. Kurz will "spätestens" beim informellen EU-Gipfel am 20. September in Salzburg Fortschritte haben.

Donald Tusk

Der EU-Ratspräsident hat wenig Freude mit Vorstößen einzelner EU-Staaten und hat sich daher auch von dem auf Initiative Merkels veranstalteten Minigipfel distanziert. Für Aufsehen sorgte er vor dem EU-Gipfel im vergangenen Dezember, als er die verpflichteten Flüchtlingsquoten in der Europäischen Union - und damit eigenen EU-Beschlüssen - infrage stellte. Bei einem Treffen mit Bundeskanzler Kurz betonte er, dass es vor allem um den Außengrenzschutz gehe. "Die wahre Priorität für uns ist es, unsere Außengrenzen zu schützen. Das ist die erste Bedingung, um das Problem der Migration zu lösen", sagte er.

Jean Claude Juncker

Der EU-Kommissionspräsident und seine Behörde versuchen seit der Flüchtlingskrise vergeblich, eine Umverteilung von Flüchtlingen aus den stark belasteten Ankunftsländern im Süden Europas auf alle EU-Staaten durchzusetzen - er scheiterte am Widerstand osteuropäischer Länder. In ihren Vorschlägen für den künftigen EU-Finanzrahmen schlug die Kommission jüngst eine massive Aufstockung der Grenz- und Küstenschutzbehörde Frontex von 1000 auf 10.000 Beamte vor sowie eine stärkere finanzielle Unterstützung von Ländern bei der Flüchtlingsaufnahme.

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