Der in Minsk verhaftete Regierungskritiker ist nun erstmals seit seiner Verhaftung auf einem Video zu sehen. Was er sagt, ist überraschend. Unterdessen sperrt die EU den Luftraum für Flieger aus Weißrussland.
Brüssel/Wien/Minsk. Nach dem erzwungenen Zwischenstopp eines Ryanair-Flugs am Sonntag in Minsk haben litauischen Angaben zufolge fünf Passagiere nicht den Weiterflug nach Litauen angetreten. Der Chef der litauischen Kriminalpolizei, Rolandas Kiskis, sagte am Montag, beim Start in Athen hätten sich 126 Passagiere an Bord befunden. Am planmäßigen Ziel in der litauischen Hauptstadt Vilnius seien am Sonntagabend aber nur 121 Passagiere angekommen.
Belarus hatte am Sonntag einen Zwischenstopp des Linienflugs zwischen den EU-Ländern Griechenland und Litauen erzwungen. Bei der Landung in Minsk wurde der von Belarus gesuchte Regierungskritiker Roman Protasewitsch festgenommen. Diese Festnahme bestätigten Behörden in Minsk Montagabend. Er sei in Untersuchungshaft genommen worden, teilte das Innenministerium am Montagabend im Nachrichtenkanal Telegram mit. Der 26-Jährige war am Sonntag am Minsker Flughafen in Haft genommen worden.
Zugleich wies das Innenministerium Berichte in sozialen Netzwerken zurück, wonach der Journalist im Spital liege. Der Haftanstalt lägen keine Informationen über gesundheitliche Beschwerden vor, hieß es. Mehr als 24 Stunden hatte die autoritäre Führung des Landes keine Angaben zum Verbleib des Oppositionsaktivisten gemacht.
Wer noch in Minsk blieb
Offenbar ist auch eine russische Staatsbürgerin in Polizeigewahrsam. Sie sei in Begleitung Protasewitschs gewesen, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow am Montag der Agentur Interfax zufolge. Er sprach von einer "Bekannten" des festgenommenen Oppositionsaktivisten, mehrere Medien schrieben, dass es sich um die Freundin des Bloggers handeln soll.
Die russische Botschaft habe sich auch an das Außenministerium von Belarus gewandt, um konsularischen Zugang zu ihr zu bekommen, sagte Lawrow. "Wir haben Kontakt zu ihrem Vater aufgenommen." Details nannte er bei einer Pressekonferenz mit seinem griechischen Kollegen Nikos Dendias in der Schwarzmeer-Stadt Sotschi nicht.
Ryanair-Chef Michael O'Leary und der irische Außenminister Simon Coveney hatten die Vermutung geäußert, dass es sich bei den übrigen fehlenden Passagieren um belarussische Geheimdienstmitarbeiter gehandelt habe. Demnach hätte Belarus Agenten bereits beim Abflug auf griechischem Boden eingesetzt.
Protassewitsch gesteht in Video Organisation von Massenunruhen
Weißrussische Telegramkanäle verbreiteten am späten Montagabend ein Video, das den am Sonntag am Minsker Flughafen verhaftete Roman Protassewitsch zeigt. Der oppositionelle Journalist erklärte darin, dass es ihm gut gehe und er sich im Untersuchungsgefängnis Nr. 1 in Minsk befinde. "Ich bin dabei, weiter mit den Ermittlungsbehörden zu kooperieren und liefere ein Geständnis in Bezug auf die Organisation von Massenunruhen in Minsk", sagte er in dem Mitschnitt.
Er könne bestätigen, dass er keine Probleme mit seiner Gesundheit habe und sich die Mitarbeiter der Behörden ihm gegenüber maximal korrekt und gesetzeskonform verhalten würden, erklärte Protassewitsch.
Unabhängige Bestätigungen für die Authentizität des 30-Sekunden Videos lagen zunächst nicht vor. Vertreter der weißrussischen Opposition erachteten es jedoch für echt. Seit dem vergangenen Sommer haben weißrussische Strafverfolgungsbehörden wiederholt Videos mit politischen Gegnern veröffentlicht, die in Haft vor laufenden Kameras sich selbst bezichtigten, Verbrechen begangen zu haben.
Внимательно слушайте 0:13-0:16 — дрожит голос, когда говорит, что у него нет проблем с органами. Какой же кошмар. Лукашенко псих полнейший.
— Olya ❌ Guseva (@GusevaOlyaa) May 24, 2021
pic.twitter.com/4iKeDFj55E
Wieder Maschine in Minsk festgehalten
Unter Verweis auf Sicherheitsbedenken haben weißrussische Behörden am Flughafen in der Hauptstadt Minsk das Boarding einer Lufthansa-Maschine am Montag unterbrochen. Sie nannten zur Begründung einen Hinweis auf einen möglichen terroristischen Akt. Am frühen Abend folgte dann die Entwarnung. Die deutsche Fluglinien hatte zuvor auf Anfrage erklärt, dass auf Anweisung der Behörden Gepäck und Passagiere der Maschine mit dem Ziel Frankfurt einer erneuten Prüfung unterzogen worden seien.
EU sperrt gesamten Luftraum
Wie ein Sprecher von EU-Ratspräsident Charles Michel am Montagabend nach Beratungen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel mitteilte, sollen belarussische Fluggesellschaften künftig nicht mehr den Luftraum der EU nutzen dürfen und auch nicht mehr auf Flughäfen in der EU starten und landen dürfen.
Zudem soll es zusätzliche gezielte Wirtschaftssanktionen und eine Ausweitung der Liste mit Personen und Unternehmen geben, gegen die Vermögenssperren und EU-Einreiseverbote gelten. Fluggesellschaften mit Sitz in der EU werden darüber hinaus aufgefordert, den Luftraum über Belarus zu meiden. "Der Europäische Rat verurteilt nachdrücklich die erzwungene Landung eines Ryanair-Fluges am 23. Mai 2021 in Minsk (Belarus) und die Inhaftierung des Journalisten Roman Protassewitsch und von Sofia Sapega durch die belarussischen Behörden", heißt es in einer Erklärung der Staats- und Regierungschefs. Der Blogger und seine Partnerin müssten umgehend freigelassen werden. Die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation forderte der EU-Gifpfel auf, den "beispiellosen und nicht hinnehmbaren Vorfall" dringend zu untersuchen.