Ermittlungen bringen erste Details des Mordanschlags ans Licht.
Nach dem Tod der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia gibt es offiziell noch keine Spur zu den Urhebern des Attentats. Erste Ermittlungen der Polizei ergaben, dass das Auto der 53-Jährigen am Montag unweit ihres Zuhauses in Bidnija mit dem Plastiksprengstoff Semtex in die Luft gejagt wurde, wie die "Times of Malta" am Mittwoch unter Berufung auf Polizeikreise berichtete.
Maltas Premier Joseph Muscat erhob am Mittwoch schwere Vorwürfe gegen die Opposition. Zwar wollte er nicht darüber spekulieren, wer hinter dem Anschlag stehen könnte, das "Einfachste" wäre aber für ihn, "mit dem Finger auf die Opposition zu zeigen", sagte Muscat der italienischen Zeitung "La Repubblica" (Mittwoch).
Drohungen erhalten
Caruana Galizia habe sich in ihren letzten Artikeln mit dem Chef der oppositionellen Nationalistischen Partei, Adrian Delia, befasst, sagte Muscat. Der italienischen Zeitung "La Stampa" sagte Muscat, die Journalistin habe Delia der "Geldwäsche, Prostitution und mehr" bezichtigt. Überdies habe sie auf ihrem Blog geschrieben, dass sie Drohungen "von Leuten in der Opposition" erhalten habe. Er könne dies aber nicht belegen, sagte Muscat.
In der "Repubblica" bezeichnete Muscat Caruana Galizia erneut als seine "größte Gegnerin". Die Journalistin habe ihn seit seiner Zeit als Oppositionsführer "angegriffen". "Aber das war ihr Job", betonte der Regierungschef. In einem Land wie Malta sei es "undenkbar, dass jemand wegen seines Jobs sterben muss". Er versprach erneut, die Täter zu finden und zur Rechenschaft zu ziehen. Dazu habe er die US-Bundespolizei FBI sowie europäische Sicherheitsbehörden zu den Ermittlungen hinzugezogen.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Kabinett reagierten am Mittwoch entsetzt auf die Ermordung der Journalistin. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte in Berlin, es sei eine Voraussetzung für das Funktionieren von Rechtsstaat und Demokratie, dass Journalisten ohne Bedrohung für Leib und Leben ihrer Arbeit nachgehen könnten. "Das darf unter keinen Umständen infrage gestellt werden", betonte Seibert. Deshalb sei es auch eminent wichtig, das Verbrechen rasch und vollständig aufzuklären.
Die 53-jährige Journalistin hatte sich mit ihrer unnachgiebigen Berichterstattung über kleine und große Missstände in dem Inselstaat wenige Freunde gemacht, wie sie selbst immer wieder auf ihrem Blog "Running Commentary" schrieb.
International bekannt wurde Caruana Galizia durch ihre Recherchen zu Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Sie hatte Mitarbeitern von Regierungschef Muscat unter anderem vorgeworfen, Offshore-Formen in Panama zu haben. Auch schrieb sie, eine in den "Panama Papers" erwähnte Firma gehöre Muscats Frau. Muscat wies dies zurück.
Oppositionsführer Adrian Delia von der konservativ-christlichen Partei Partit Nazzjonalista forderte den Sozialdemokraten Muscat zum Rücktritt wegen fehlender Schutzmaßnahmen für die getötete Journalistin auf. Muscat sagte in einem Fernsehinterview, Caruana Galizia habe Polizeischutz verweigert. Bei der Polizei sei auch nicht offiziell angezeigt worden, dass sie Morddrohungen erhalten habe.
Über Drohungen schrieb Caruana Galizia aber auf ihrem Blog "Running Commentary", wo sie in den vergangenen Wochen das Umfeld von Oppositionsführer Delia und seinen vermeintlichen Verbindungen zu Drogenhändlern unter die Lupe nahm. Unter einem Artikel veröffentlichte Caruana Galizia ein Bildschirmfoto eines Facebook-Profils, auf dem ein Foto von ihr in einem Käfig zu sehen ist. Das Profil schreibt sie einem angeblichen Freund Delias zu, den sie als verurteilten Drogendealer bezeichnet.
Bei der Aufklärung des Anschlags sollten die maltesischen Behörden neben niederländischen Forensikern auch von Ermittlern des FBI und Scotland Yard unterstützt werden, wie "Times of Malta" berichtete. Zunächst gehe es darum zu klären, wo der Sprengstoff angebracht worden war. Der Sprengstoff Semtex wird bei kommerziellen Sprengungen eingesetzt, gelangt aber auch immer wieder in die Hände von Terroristen.
Die konservative EVP-Fraktion im Europaparlament forderte eine unabhängige internationale Untersuchung der Tat. "Wir verlangen Gerechtigkeit", schrieb EVP-Chef Manfred Weber (CSU) am Mittwoch im Kurznachrichtendienst Twitter. Das Thema soll in der kommenden Woche im EU-Parlamentsplenum auf die Tagesordnung kommen.