Großbritannien-Wahl

Bombe vor Wahllokal - Brown will bleiben

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Noch ist unklar, wer hinter dem Attentatsversuch in Nordirland steckt - Da keine Partei die Absolute geschafft hat, will Brown auch die nächste Regierung bilden.

Vor einem Wahlbüro in Nordirland ist ein Fahrzeug mit einer Autobombe entdeckt worden. In dem gestohlenen Auto vor dem Templemore-Freizeitzentrum in Londonderry, der zweitgrößten Stadt Nordirlands, hat sich ein funktionsfähiger Sprengsatz befunden.

Wahlhelfer raus
Das Freizeitzentrum, in dem die Stimmen der Wahlkreise Foyle und East Londonderry für das neue britische Unterhaus ausgezählt wurden, wurde evakuiert. Die Wahlhelfer sowie Unterstützer verschiedener Parteien mussten das Gebäude verlassen. Die Auszählung wurde fortgesetzt, der Parkplatz des Freizeitzentrums blieb aber gesperrt.

Der nordirische Regierungschef Peter Robinson verurteilte den Anschlagsversuch. "Es ist entscheidend, dass wir nicht zu den schlimmen alten Tagen der Vergangenheit zurückkehren, auch wenn es diejenigen gibt, die uns dort hintreiben wollen", sagte Robinson mit Blick auf den beigelegten Nordirland-Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten. Die Wahlen in Nordirland waren von strengen Sicherheitsvorkehrungen begleitet. Vorab war vor gewaltbereiten katholischen Splittergruppen gewarnt worden.

Konservative gewinnen
Bei der Unterhaus-Wahl in Großbritannien haben nach Auszählung der überwiegenden Zahl der Wahlkreise die oppositionellen Konservativen unter David Cameron die meisten Mandate errungen, die absolute Mehrheit aber verfehlt. Damit bleibt weiter unklar, wer die künftige Regierung des Königreichs stellen wird. Die regierende Labour Party berief sich auf die Verfassung, die im Falle eines "hung parliament" mit unklarer Mehrheit zunächst den amtierenden Premierminister mit der Regierungsbildung betraue. Gordon Brown hätte aber nicht einmal mit den Stimmen der drittplatzierten Liberaldemokraten die Chance auf eine Regierungsmehrheit. Die Lib Dems wollen parteiintern erst am Samstag darüber beraten, wie sie weiter vorgehen.

Brown bleibt trotzdem
In einer ersten Reaktion ließ Brown bereits durchblicken, dass er an der Macht bleiben will. Er sehe es als seine Pflicht an, dass Großbritannien eine starke Regierung bekomme, um das Land zu einer wirtschaftlichen Erholung zu führen. Im Gegenzug sprach Tory-Chef Cameron dem bisherigen Ministerpräsidenten und dessen Partei die Regierungslegitimation ab.

Nach 612 von 650 ausgezählten Wahlkreisen lagen die Konservativen mit 289 Sitzen vorne, Labour erreichte 245 und die Liberaldemokraten 51 Mandate. Für die absolute Mehrheit sind 326 Sitze im Parlament erforderlich. Die Wahlbeteiligung lag bei 65,3 Prozent gegenüber 61,4 Prozent bei der letzten Unterhauswahl 2005.

Keine klare Mehrheit
Es ist das erste Mal seit 1974, dass die Wahl ohne klare Mehrheiten ausgeht. Die Aussicht auf ein "hung parliament" trug zu Verlusten des Pfund bei, da Experten eine Lähmung der Politik befürchten. Rating-Agenturen haben aber entsprechende Befürchtungen relativiert und darauf verwiesen, alle großen Parteien seien darüber einig, dass der Abbau des riesigen Budgetdefizits Priorität habe.

Nun wird sich der Fokus darauf richten, welche Parteien in Gespräche treten werden. Mark Wickham-Jones von der Bristol University sprach von einer Minderheitsregierung der Konservativen als wahrscheinlichsten Ausgang. "Cameron wird versuchen, seine politischen Programme einzubringen, seine Kompetenz unter Beweis zu stellen und dann im Herbst oder im kommenden Frühling erneut Wahlen ansetzen", sagte er.

Liberal enttäuschen
Die Liberal-Demokraten von Nick Clegg erhielten ersten Ergebnissen zufolge überraschend sogar weniger Sitze als bei der Wahl zuvor. Umfragen hatten ein deutliches Plus erwarten lassen. Zum Zünglein an der Waage könnten diesmal auch kleine Regionalparteien, etwa aus Schottland, Wales oder Nordirland werden. Erstmals überhaupt zieht mit der Europaparlamentarierin Caroline Lucas eine Abgeordnete der Grünen ins britische Unterhaus ein. Verstärktes Augenmerk richtete sich auch auf die Rolle der Königin. Sie empfängt normalerweise am Tag nach der Wahl den neuen Premierminister. In der diesmal undurchsichtigen Lage hielt sich Elizabeth II. zunächst betont zurück.

Brown im Amt
In Großbritannien hat der amtierende Premierminister das Recht - ja sogar die Pflicht - so lange im Amt zu bleiben, bis feststeht, welche Partei oder Koalition die meiste Unterstützung im Parlament hat. Er darf dabei auch als erster eine Regierungsbildung angehen. Labour-Wirtschaftsminister Peter Mandelson sagte: "Die Regel bei einem Parlament ohne klare Mehrheitsverhältnisse ist, dass nicht die Partei mit der größten Zahl der Sitze als erstes zum Zug kommt, sondern die amtierende Regierung." Der Parteichef der "Lib Dems" hielt sich Freitag früh noch bedeckt. Clegg sagte lediglich: "Das war eine enttäuschende Nacht. Wir haben einfach nicht das erreicht, was wir uns erhofft haben."

Hunderte konnten nicht wählen
Zudem kam es in mehreren Orten im Land zu Pannen bei dem Urnengang. Wähler berichteten, sie seien abgewiesen und wieder nach Hause geschickt worden. Das könne dazu führen, dass die Ergebnisse angefochten würden, erklärte am frühen Freitagmorgen die Vorsitzende der Wahlkommission, Jenny Watson. Sie sprach von einer "alten, klapprigen, viktorianischen Infrastruktur" für die Durchführung der Wahl.

Betroffen waren vermutlich mehrere hundert Wähler. In einem Fall wurde sogar die Polizei zum Wahllokal gerufen, nachdem es zu einer Protestdemonstration gekommen war. Probleme gab es unter anderem in Milton Keynes, in Sheffield, in Newcastle sowie in London. Wähler berichteten auf der Website der BBC, sie seien abgewiesen worden, als sich kurz vor Schließung der Wahllokale um 22.00 Uhr lange Schlangen gebildet hätten.

Auszählungsstand 9:30 Uhr (MEZ)

Konservative: 287 Sitze (+89)
Labour: 240 Sitze (-83)
Liberaldemokraten: 51 Sitze (-6)
Scottish National Party 6 Sitze (+/-0)
Plaid Cymru 3 Sitze (+1)
Andere 18 Sitze (-1)

Absolute Mehrheit bei mindestens 326 Sitzen.

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