Nahost

Israelische Armee "im Zentrum der Stadt Gaza"

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Israelische Soldaten sind laut Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant ins Zentrum von Gaza eingerückt.

"Wir sind im Herzen der Stadt Gaza", sagte Gallant am Dienstag einen Monat nach Beginn des Krieges zwischen Israel und der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen. Die Stadt sei "der größte je errichtete Terroristen-Stützpunkt der Welt". Der Chef der Hamas im Gazastreifen, Jahja Sinwar, sei in seinem Bunker isoliert, erklärt er weiter.

Auch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sprach von Militäreinsätzen in Gaza. "Gaza-Stadt ist eingekreist, wir operieren innerhalb der Stadt", erklärte er im Fernsehen. "Wir erhöhen jede Stunde, jeden Tag den Druck auf die Hamas. Bisher haben wir Tausende von Terroristen getötet, sowohl über als auch unter der Erde."

In einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz sagte Gallant weiter, weder Israel noch die Hamas würden die palästinensische Enklave regieren, sobald der laufende Krieg beendet sei. Bei jüngsten Gefechten konnte nach Angaben der israelischen Armee ein "militärischer Stützpunkt der Hamas-Terrororganisation im nördlichen Gazastreifen gesichert werden". Auf dem Gelände befanden sich demnach Panzerabwehrraketen und Abschussvorrichtungen, Waffen und verschiedene Geheimdienstmaterialien.

"Gräueltaten haben schrecklichen Einschnitt hinterlassen"

Während der Krieg gegen die Islamisten im Gazastreifen andauerte, hielt Israel um 11.00 Uhr (Ortszeit) inne. "Die Gräueltaten haben einen schrecklichen Einschnitt hinterlassen", sagte der Präsident der Hebräischen Universität in Jerusalem, Asher Cohen, bei einer Trauerzeremonie. "Aber es gibt Hoffnung. Es wird eine Wiedergeburt geben."

Es gebe "keinen einzigen Menschen, der nicht von diesen schrecklichen Angriffen betroffen" sei, sagte die 52-jährige Sharon Balaban bei der Gedenkveranstaltung. "Jeder kennt jemanden, der verletzt, getötet, ermordet wurde oder betroffen ist." Der um seine beiden Brüder trauernde Jossi Rivlin sagte, er hoffe, dass die Menschen die Toten und Verschleppten "nicht vergessen" und nicht einfach zur Tagesordnung übergingen. Rivlins Brüder waren bei dem Musikfestival getötet worden.

Zuvor hatte der israelische Regierungschef Benjamin Netanyahu in einem Interview dem US-Sender ABC gesagt, dass Israel nach Ende des Krieges mit der islamistischen Hamas die Verantwortung für die Sicherheit im Gazastreifen übernehmen werde. "Wir haben gesehen, was passiert, wenn wir sie nicht haben", sagte Netanyahu. "Denn wenn wir die Kontrolle über die Sicherheit nicht haben, wird der Terror der Hamas in einem Ausmaß ausbrechen, das wir uns nicht vorstellen können."

Lage in Gaza-Stadt spitzte sich zu

In Gaza-Stadt spitzte sich die Lage am Dienstag zu. Das israelische Militär gab den dort noch verbliebenen Zivilisten vier Stunden Zeit zur Flucht. Die israelischen Streitkräfte rückten einen Monat nach dem von Hamas-Terroristen verübten Massaker am 7. Oktober tief in den Küstenstreifen am Mittelmeer vor. Die Streitkräfte teilten nach den Angaben den Gazastreifen in zwei Hälften und kreisten die Stadt vollständig ein. Im Gazastreifen mit etwa 2,2 Millionen Menschen droht ein intensiver Häuserkampf.

Nach Einschätzung von Michael Knights von der Denkfabrik Washington-Institut für Nahost-Politik hatte die Hamas "15 Jahre Zeit", um ihre "unterirdischen, bodennahen und oberirdischen Befestigungen" auszubauen. Insbesondere wegen der mutmaßlich in Hamas-Tunneln festgehaltenen Geiseln, darunter Kleinkinder und ältere Menschen, wird das Vorgehen der israelischen Armee als riskant angesehen.

Die Zahl der im Gazastreifen getöteten Palästinenser ist seit Kriegsbeginn vor einem Monat nach Angaben des Hamas-kontrollierten Gesundheitsministeriums auf 10.328 gestiegen. Mehr als 25.000 Menschen seien verletzt worden, teilte die Behörde am Dienstag mit. Unter den Toten seien 4.237 Minderjährige. Die Zahlen lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.

Den Angaben zufolge handelt es sich um die mit Abstand größte Zahl von Toten unter Palästinensern während eines Krieges in der Geschichte des israelisch-palästinensischen Konflikts. Auslöser des Krieges war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der islamistischen Hamas sowie anderer extremistischer Palästinenserorganisationen am 7. Oktober im Grenzgebiet verübt haben. Auf israelischer Seite sind dabei und in den Tagen darauf mehr als 1.400 Menschen getötet worden, darunter auch viele Frauen, Kinder und Jugendliche.

70 Prozent der Bevölkerung vertrieben

Seit Beginn des Kriegs sind im Gazastreifen nach UN-Angaben 70 Prozent der Bevölkerung vertrieben worden. Notunterkünfte seien teils mit dem Vierfachen ihrer Kapazität überbelegt. Die Zustände seien unmenschlich und verschlechterten sich jeden Tag weiter. In einer Unterkunft stünden pro Person weniger als zwei Quadratmeter zur Verfügung. Mindestens 600 Menschen würden sich dort eine Toilette teilen.

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, will in die Krisenregion im Nahen Osten reisen. Er werde sich unter anderem in Ägypten und Jordanien über die Menschenrechtssituation in der Region austauschen, teilte sein Büro mit. So werde sich der österreichische UN-Diplomat in Kairo mit dem Außenminister Ägyptens sowie Vertretern regionaler Organisationen und dem Generalsekretär der Liga der Arabischen Staaten treffen. Am Mittwoch will Türk den Grenzübergang Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten besuchen.

Albanese warnte vor weiterer Zuspitzung

Die UN-Menschenrechtsexpertin Francesca Albanese warnte vor einer weiteren Zuspitzung des Konflikts. Der Versuch Israels, die Hamas zu beseitigen, werde wahrscheinlich nur zu einer weiteren Radikalisierung führen und sei zudem rechtswidrig, sagte sie dem britischen "Guardian" (Dienstagsausgabe). Die italienische Juristin ist Berichterstatterin des UN-Menschenrechtsrats über die Lage der Menschenrechte in den besetzten Palästinensergebieten. Die israelische Regierung wirft ihr vor, zugunsten der Palästinenser voreingenommen zu sein.

Die Gefechte an der Demarkationslinie zwischen Israel und dem Libanon reißen indes nicht ab. Das israelische Militär griff eigenen Angaben zufolge mutmaßliche Terroristen im Libanon an. Aus UN-Kreisen im Libanon hieß es, dass das israelische Militär Außenbezirke des libanesischen Nakura beschossen habe. Dort befindet sich auch das Hauptquartier der UN-Beobachtermission Unifil im Libanon.

Seit Beginn des Gaza-Kriegs hat sich die Lage in dem Grenzgebiet zugespitzt. Bei Gefechten zwischen der israelischen Armee und der proiranischen Hisbollah gab es auf beiden Seiten Tote, darunter auch Zivilisten. Die Hisbollah hat Verbindungen zur im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas.

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