Italienische Bürgermeister rebellieren gegen Migrationspaket
Seit sieben Monaten ist Italiens Innenminister Matteo Salvini im Amt. Der polternde Rechtspopulist ist der beliebteste Politiker des Landes und gibt beinahe uneingeschränkt den Kurs der Regierung in Rom vor. Doch erstmals seit seinem Amtsantritt im Juni ist der 45-jährige Mailänder nun mit rauem Gegenwind konfrontiert.
Salvini will nicht nachgeben
"Ich bleibe hart", schrieb Salvini Anfang dieser Woche auf Twitter. Es war seine Antwort auf eine Debatte um die 49 Migranten, die seit zwei Wochen an Bord von Rettungsschiffen auf einen Landehafen warten. Private Seenotretter dürfen seit Salvinis Verbot nicht mehr in Italiens Häfen landen. Doch angesichts der prekären Lage an Bord der beiden NGO-Schiffe wächst der Druck auf den Innenminister, die Flüchtlinge aufzunehmen. Auch der Papst drängte die EU-Länder, Menschlichkeit zu beweisen und den Migranten die Tore zu öffnen.
Mit seiner harten Haltung in Sachen Einwanderung setzt der Innenminister und Chef der rechten Lega seit seinem Amtsantritt Europa unter Druck. Seine Unnachgiebigkeit treibt aber immer mehr politische Gegner auf die Barrikaden. Selbst mit dem Koalitionspartner Fünf Sterne kam es zuletzt in der Migrationspolitik zu Divergenzen. Während Fünf-Sterne-Chef und Vizepremier Luigi Di Maio sich für die Aufnahme der Kinder und Frauen unter den 49 Migranten aussprach, stemmt sich Salvini gegen jede Aufnahme. Immer wieder weist er auf die Erfolge seines harten Einwanderungskurses hin: 2018 sank die Zahl der eingetroffenen Migranten in Italien um 80 Prozent, stattdessen kommen mehr Bootsflüchtlinge in Spanien an. "Weniger Migrantenabfahrten, weniger Landungen, weniger Tote im Meer", lautet der Slogan des Lega-Chefs.
Umstrittenes Paket
Salvini, der von seinen politischen Gegnern als gnadenloser Demagoge kritisiert wird, bekommt auch wegen seines umstrittenen Sicherheits- und Migrationspakets Widerstand von linksorientierten Bürgermeistern und Regionspräsidenten konkreten Widerstand zu spüren. Die Präsidenten von fünf italienischen Regionen haben angekündigt, gegen das Sicherheitsgesetz vor das Verfassungsgericht zu ziehen. Sie verlangen, dass die Verfassungsmäßigkeit des von Salvini entworfenen Migrationspakets geprüft wird.
Das neue Maßnahmenpaket beinhaltet eine Verschärfung der Sicherheits- und Einwanderungsgesetze. Besonders umstritten ist ein Paragraf, der Gemeinden verbietet, Asylbewerber weiterhin ins Einwohnerregister einzutragen. Mit einer Anmeldung in der Gemeinde ist aber auch der Zugang zu staatlichen Basisleistungen wie etwa dem kostenlosen Gesundheitssystem und öffentlichen Kindergartenplätzen verbunden. Deshalb weigern sich mehrere Bürgermeister diese Maßnahme umzusetzen und werfen der Regierung "Unmenschlichkeit" vor.
Salvini reagiert wie gewohnt polemisch auf den Widerstand der Bürgermeister und Regionspräsidenten. "Die Linke will das Sicherheitsdekret löschen. Nichts Neues: Sie denkt an die illegalen Migranten und pfeift auf die Italiener. Wer wird diese Partei noch wählen?", twitterte Salvini.
Starke Umfragewerte
Der Innenminister, der von seinen ergebenen Fans als "Capitano" bezeichnet wird, fühlt sich durch die Umfragewerte weiterhin stark. Salvini ist der unangefochten beliebteste Politiker Italiens, seine Partei Lega ist mit 32 Prozent seit Monaten in Umfragen die stärkste Partei. Fünf-Sterne-Chef Di Maio versucht vergeblich, aus dem Schatten seines Koalitionspartners Salvini zu treten, doch seine politische Unerfahrenheit kommt ihm teuer zu stehen. Di Maios Bewegung ist die stärkste Partei im Parlament, in Umfragen sind die Fünf Sterne aber längst hinter ihren Juniorpartner in der Regierung zurückgefallen.
Mit seinem Slogan "Prima gli italiani" (Zuerst die Italiener) hat Salvini seit den Parlamentswahlen im März 2018 laut Analysen seine potenziellen Wählerstimmen verdoppeln können, doch wie lange seine deftigen Slogans bei der Öffentlichkeit Gehör finden werden, ist noch fraglich. Vieles hängt davon ab, ob die von der Regierung beschlossenen Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft und sozialen Unterstützung greifen werden. Sollten sie sich als wenig effizient erweisen und Italiens Wirtschaft nicht den erhofften Wachstumskurs zeitigen, droht den Italienern, die bisher geschlossen hinter der Regierung des stillen Premiers Giuseppe Conte gestanden ist, eine schmerzhafte Desillusionierung.
Kommende Wahlen
Der von Jahren an der Opposition getrimmte Salvini lässt sich bisher vom Widerstand nicht entmutigen und bereitet sich auf die nächsten Wahltermine vor. Er wirft sich bereits in den Wahlkampf vor den Regionalwahlen am 10. Februar in der Apenninregion Abruzzen. Zwei Wochen später folgen Regionalwahlen auf Sardinien. Die Lega, die ihre auf Norditalien fokussierten separatistischen Wurzeln längst begraben hat, will sich immer mehr als gesamtnationale Rechtspartei profilieren und auch in Süditalien punkten.
Der große Wahltermin in diesem Jahr ist für Salvini jedoch die EU-Wahl am 26. Mai. Nicht ausgeschlossen wird, dass sich der ehrgeizige Innenminister selbst an die Spitze einer europäischen Rechtspopulisten-Allianz stellen wird. Schließlich ragen Salvinis Ambitionen weit über die italienischen Grenzen hinaus. Der Lega-Chef spricht davon, dass er Europa "von innen" revolutionieren will. "Ab Mai wird sich alles ändern. Wir werden die friedliche Revolution, die wir in Italien gestartet haben, nach Europa bringen", lautet Salvinis Credo. Ob die Italiener bis Mai getreu hinter ihm stehen werden, bleibt noch ein großes Fragezeichen.