Islam-Experte

'Kampf der Kulturen voll im Gange'

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Der Islam-Experte Peter Scholl-Latour im Interview über die Papst-Reise in die Türkei.

ÖSTERREICH: Warum stößt die heute beginnende viertägige Reise von Papst Benedikt XVI. in der Türkei auf derart große Ablehnung?
PETER SCHOLL-LATOUR: Der Papst ist in der Türkei immer relativ schlecht aufgenommen worden. Da erging es seinem Vorgänger Papst Johannes Paul II. nicht besser. Die römisch-katholische Kirche ist immer noch nicht anerkannt, es dürfen bis heute keine katholischen Gotteshäuser gebaut werden. Es gibt dem Christentum gegenüber in der Türkei eine viel feindseligere Haltung als etwa in anderen Ländern. So war Saddam Hussein im Irak im Vergleich extrem tolerant - die Türkei stellt da wirklich einen Sonderfall dar.

ÖSTERREICH: Ist es vor diesem Hintergrund eine kluge Entscheidung des Papstes, diese Reise anzutreten?
SCHOLL-LATOUR: Meiner Ansicht nach soll er sie auf alle Fälle antreten. Es war ja früher einmal christliches Gebiet. Das osmanische Reich war zu einem Drittel mit Christen besiedelt. Erst dann kam der Islam als sehr fortschrittliche Religion dazu. Es gab im Islam weder Adel noch Klerus, das war durchaus etwas Neues - eine " soziale Revolution".

ÖSTERREICH: Der amerikanische Politikwissenschafter Samuel P. Huntington hat in den Neunzigern vom "Kampf der Kulturen", vor allem zwischen dem Westen und dem Islam, gesprochen. Steht der jetzige Papstbesuch nun im Zeichen dieses Konflikts?
SCHOLL-LATOUR: Ja sicher, dieser Konflikt ist voll im Gange. Den "Kampf der Kulturen" hat aber nicht Huntington erfunden. Ich habe bereits 1983 ein Buch geschrieben, wo dieser Kampf beschrieben wurde. Natürlich gibt es diesen Kampf der Kulturen - aber dieser Begriff ist eher eine Verniedlichung im Deutschen. Auf Englisch heißt es "Clash of Civilizations", also der Zusammenprall der Kulturen.

ÖSTERREICH: Wie könnte der Papst nun vorgehen, damit sich dieser Konflikt nicht weiter zuspitzt?
SCHOLL-LATOUR: Die Absicht des Papstes ist bei dieser Reise ja nicht auf den Islam gerichtet. Er will sich eigentlich um die Einheit der katholischen und orthodoxen Kirche bemühen, die lediglich wegen dogmatischer Kleinigkeiten getrennt sind.

ÖSTERREICH: Der Vatikan sprach sich kurz vor Antritt der Reise für den EU-Beitritt der Türkei aus. Wie beurteilen Sie dieses Zeichen?
SCHOLL-LATOUR: Da sollte der Vatikan die Finger davon lassen. Maßgeblich ist der Papst und nicht irgendjemand aus dem Vatikan. Abgesehen davon: Die Zypernfrage ist ja nur vom Westen vorgeschoben, um den Beitritt in die Länge zu ziehen - das ist eine große Heuchelei. Die Frage eines EU-Beitritts der Türkei sollte sich gar nicht mehr stellen.

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