Giftiges und hochexplosives Gas strömt weiter unkontrolliert aus.
Gefährliches Gas von einer Nordsee-Plattform des Energiekonzerns Total strömt auch am dritten Tag nach der Entdeckung eines Lecks ungehindert ins Meer vor Schottlands Küste. Die Ursache für das Leck an der Bohrinsel "Elgin" ist nach wie vor unklar. "Wir haben den Grund für den Vorfall noch nicht genau ausgemacht", sagte ein Sprecher des französischen Betreiberunternehmens Total am Mittwoch. Es werde weiter an einer Behebung des Problems gearbeitet. Es sei eine Frage von Tagen, bis eine Lösung gefunden werde.
Das Unternehmen habe das Überwachungsschiff "Highland Fortress" in Stellung gebracht, hieß es. Das Schiff verfüge auch über ein ferngesteuertes Mini-U-Boot, mit dem Unterwasseraufnahmen gemacht werden können. Diese Technik sei aber bisher nicht zum Einsatz gekommen, sagte ein Total-Sprecher.
Giftiges Gas sprudelt in die Nordsee: Experte gibt Antworten1/7
Was ist das für ein Gas, das dort austritt?Der Betreiber der Plattform, der französische Total-Konzern, spricht laut Lutter von einer Mischung aus den Kohlenwasserstoffen Methan, Propan und Butan. Außerdem enthalte es Verunreinigungen durch langkettige Kohlenwasserstoffe, die auch einen öligen Film an der Oberfläche verursachen. Besonders gefährlich ist Schwefelwasserstoff, der ebenfalls enthalten ist.(Meeresschutzexperte Stephan Lutter von der Umweltstiftung WWF beantwortet die Fragen im Folgenden)
Was macht dieses Gas so gefährlich? Der Schwefelwasserstoff tötet alles Leben ab. Auch die Kohlenwasserstoffe sind problematisch - vor allem in der Atmosphäre. "Beispielsweise ist Methan ein echter Klimakiller", sagte Lutter. Zudem bekämen Fische Embolien in den Kiemen, wenn sie in die austretenden Gasblasen gerieten. Der Öl-Film an der Wasseroberfläche ist zudem gefährlich für Wasservögel. Wegen des Schwefelwasserstoffs spricht der WWF sogar von "Todeszonen".
Wie breitet sich das Gas aus? "Das ist wie eine Sprudelflasche unten am Meeresboden und kommt wohl aus tieferen Schichten", sagte Lutter. Es sprudele zur Oberfläche, und am Ende verteile es sich in der Luft. Wie stark sich der Gasnebel in verschiedene Richtungen ausbreitet, weiß man derzeit nicht.
Besteht Explosionsgefahr? "Ja, es besteht Explosionsgefahr", betonte der Experte. Deshalb errichtete die Küstenwache bereits eine Zwei-Meilen-Sperrzone für Schiffe und eine Drei-Meilen-Zone für Flugzeuge. "Man hat alles abgeschaltet, was irgendwie Funken schlagen kann", sagte Lutter.
Wie können die Verantwortlichen das Gas jetzt stoppen? Dies sei schon allein schwierig wegen der Sperrzonen, betonte Lutter. "Wenn nicht mal ein Hubschrauber hinfliegen darf wegen der Explosionsgefahr, ist das dramatisch." Generell gebe es aber zwei Möglichkeiten. Entweder müsse man versuchen, das Loch direkt zu stopfen oder Entlastungsbohrungen durchführen.
Leben in diesem Gebiet besonders gefährdete Tiere? Dort leben Lutter zufolge beispielsweise Haie, Rochen und der große Tümmler - "den man als Flipper aus dem Fernsehen kennt." Außerdem lägen dort wichtige Nahrungsgründe für Seevögel
Besteht auch Gefahr für naheliegende Küsten? Zunächst nicht. Lutter vermutete auch, dass das giftige Gas und die relativ geringe Ölmenge das Ufer nicht erreichen werden - die Gasplattform ist etwa 240 Kilometer vom Festland entfernt. Die Nordsee-Strömung bewege sich zudem im Kreis, weshalb sich das Gas vermutlich nicht über sehr weite Strecken ausbreite.
Die aus allen Konzernbereichen zusammengezogenen Experten berieten derzeit darüber, wie das Gas in den Griff zu bekommen sei. Infrage komme eine Entlastungsbohrung, die aber bis zu sechs Monate dauern könne. Auch ein sogenannter "Kill" mit einer Schlamminjektion komme in Betracht. Für welche Methode sich der Konzern entscheide, stehe aber noch nicht fest. Günstigstes Szenario sei, dass der Gasfluss aus mehr als fünf Kilometern Tiefe unter dem Meeresgrund von alleine versiege. Bisher seien rund 20 Tonnen Gas ausgetreten. Das Leck sei noch nicht genau lokalisiert.
Umstritten sind die Auswirkungen auf die Umwelt. Total hat bisher nicht die genaue chemische Zusammensetzung des austretenden Gases bestätigt. Es handle sich um eine entflammbare, potenziell explosive Kohlenwasserstoffverbindung, sagte der Sprecher. Umweltexperten befürchten, dass es auch hochgiftige Schwefelverbindungen enthält.
Während Umweltorganisationen erhebliche Schädigungen der Natur befürchten, stützt sich Total auf einen Bericht der staatlichen Umweltbehörde JNCC (Joint Nature Conservation Comittee), die keine Probleme für die Küsten Schottlands vorhersieht. Das Gas sei flüchtig und werde die Küste nicht erreichen.
Auch der britische Energie-Staatssekretär Charles Hendry relativierte das Risiko: "Wir sollten in Erinnerung behalten, dass es sich hier um eine aufgelassene Gasquelle handelt, deren Gas weitgehend ausgebeutet ist", sagte Hendry am Mittwoch in der BBC. Das Bohrloch sei in der Vergangenheit schon einmal vorsorglich verschlossen worden. Das Leck sei entstanden, während die Gasquelle auch langfristig außer Betrieb genommen werden sollte.
Flamme fackelt Gas ab Die Plattformarbeiter hatten beim Verlassen der Insel am vergangenen Sonntag eine Flamme brennen lassen, mit der Gas abgefackelt wird. Dies sei absichtlich geschehen, sagte der Total-Sprecher. Die Flamme stelle derzeit keine Gefahr dar. Die Gaswolke und der auf dem Meer schwimmende Teppich eines Gas-Kondensats werde vom Westwind in die entgegengesetzte Richtung getrieben, sagte er. Die Windrichtung werde sich in den kommenden fünf bis sechs Tagen den Vorhersagen zufolge nicht ändern.
Greenpeace rückt an Mitarbeiter der Umweltorganisation Greenpeace machten sich am Mittwoch auf den Weg zur Unglücksstelle. "Es gibt eine Flugverbotszone, aber wir wollen so nah wie möglich herankommen und uns ein aktuelles Bild der Lage machen", sagte ein Greenpeace-Sprecher in Hamburg. Zwei Kameraleute und ein Experte für die Themen Öl und Gas sind an Bord des kleinen Fliegers."Man muss immer alles hinterfragen, deshalb wollen wir uns selbst ein Bild vor Ort machen."
Am Sonntag war an der Gasplattform 240 Kilometer östlich der Stadt Aberdeen ein Leck bemerkt worden. Umgehend brachte Total die 238 Arbeiter in Sicherheit. Tags darauf räumte der Shell-Konzern zwei benachbarte Plattformen. Die Küstenwache errichtete eine Sperrzone von drei Meilen für Flugzeuge und von zwei Meilen für Schiffe. Es hat sich auf 4,8 Quadratkilometern ein Film aus kondensiertem Gas auf dem Meer ausgebreitet.
Aktie bricht ein Total bekommt das Gasleck auch an der Börse zu spüren. Das Unternehmen hat inzwischen fast neun Milliarden Euro an Börsenwert eingebüßt. Die Papiere rutschten am Mittwoch um bis zu 3,4 Prozent auf den tiefsten Stand seit drei Monaten ab.
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Die "Elgin"-Plattform ist eine Förderplattform, die rund 240 Kilometer östlich von Aberdeen in der Nordsee vor Schottland liegt. Das Meer ist dort nur knapp 100 Meter tief. Sie ging 2001 in Betrieb und hat ein Gewicht von mehr als 40.000 Tonnen. Die Insel ist von der Grundfläche dreieckig und auf jeder Seite gut 100 Meter lang.
Von der Plattform des französischen Total-Konzerns aus werden sechs Gasquellen in der näheren Umgebung koordiniert. Zum Teil wird in bis zu fünf Kilometer Tiefe unter dem Meeresgrund gebohrt. Die Förderprodukte wie Gas und Gaskondensat werden auf der zentralen Förderinsel "Elgin PUQ" gesammelt und chemisch behandelt.
Flüssigkeiten werden von dort über eine von dem britischen Ölkonzern BP betriebene Pipeline nach Kinneil in Schottland gebracht. Gase werde in einer Pipeline ins englische Norfolk transportiert. Auf der Plattform werden täglich 230.000 Barrel Öläquivalent umgeschlagen.