Wahltag in Israel

Kritik an Netanyahus Partei wegen Kameras in Wahllokalen

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Heimliche Kameraaufnahmen in Israels Wahllokalen sorgten für Empörung.

Bei der Parlamentswahl in Israel haben Anhänger von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu mit heimlichen Kameraaufnahmen in Wahllokalen für Empörung gesorgt. Die größte arabische Partei des Landes erklärte am Dienstag, sie habe Beschwerde beim Wahlkomitee eingereicht. Likud-Mitglieder sollen in mehrheitlich arabischen Wahlbezirken Kameras bei sich am Körper getragen haben.
 
Auf online veröffentlichten Videos ist offenbar zu sehen, wie Likud-Mitglieder mit Kameras erwischt wurden, die sie am Körper trugen. Die Filme zeigen, wie sie von Wahlbeobachtern und der Polizei angesprochen werden.
 
Ahmed Tibi von der arabischen Taal-Partei sagte, der Likud versuche durch verdeckte Mittel, den Wahlausgang zu beeinflussen. Die Partei sieht die Aufnahmen als Einschüchterungsversuch. "Netanyahu will den Anteil der Araber senken, die ins Wahllokal kommen", sagte Tibi. Seine Partei rief das Wahlkomitee auf, die "illegalen" Kameras sofort entfernen zu lassen.
 
Netanyahu wies die Kritik zurück und sagte, die Aufnahmen sorgten für saubere Wahlen. "Es sollte überall versteckte Kameras geben", sagte er in einem Wahllokal in Jerusalem. Kobi Massar, der den Likud im Wahlkomitee vertritt, sprach in einem Radiointerview von einem "Verdacht auf weitreichenden Wahlbetrug im arabischen Gebiet".
 
Israelische Araber machen etwa 17,5 Prozent der Bevölkerung aus. Bei ihnen handelt es sich meist um Palästinenser, die nach der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 weiter auf ihrem bisherigen Land blieben. Bei der Parlamentswahl im Jahr 2015 hatte Netanyahu für Aufsehen gesorgt als er sagte, arabische Wähler kämen "in Herden" zu den Wahllokalen. Später entschuldigte er sich für diese Äußerung
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Netanyahu sucht über Facebook Kontakt zu den Wählern

"Ein Klick genügt, ich warte", schrieb Netanyahu am Dienstag auf Twitter und Facebook. Auf diesem Weg wolle er persönlich mit den Israelis sprechen. In Rundfunk- und Print-Medien ist Wahlkampf am Tag des Urnengangs verboten.
 
 
 
 
 
Netanyahu kämpft um eine fünfte Amtszeit, mit der er in Israel zum Ministerpräsidenten mit der längsten Regierungszeit werden könnte. Doch Korruptionsvorwürfe belasten den 69-Jährigen, der aber jegliches Fehlverhalten von sich weist. In Umfragen fiel Netanyahus Likud hinter das Bündnis seines ärgsten Rivalen, Ex-General Benny Gantz, zurück.
 
Gantz stellte ein von Musik untermaltes Video online, das ihn bei der Stimmabgabe zeigt. Anders als Netanyahu versuchte der 59-Jährige aber nicht, direkt mit den Wählern in Kontakt zu treten.
 
 
 
Der ehemalige Militärchef setzt darauf, Netanyahu in Fragen der nationalen Sicherheit den Rang abzulaufen. Bei zentralen politischen Themen wie dem Verhältnis zum Erzfeind Iran sowie zu den Palästinensern unterscheiden sich die Wahlprogramme von Netanyahu und Gantz kaum. Die Wähler dürften die Kontrahenten also stark nach Charakter und Persönlichkeit beurteilen. Dabei gibt es in der israelischen Bevölkerung sowohl Zeichen für eine ungebrochene Euphorie für den "König Bibi" genannten Netanyahu als auch für Hoffnung auf Wandel.
 
 
Die Wahllokale schließen um 21.00 Uhr (MESZ). Israel dürften danach lange Koalitionsverhandlungen bevorstehen. Netanyahus nationalistisch-religiösem Block werden dabei etwas bessere Chancen eingeräumt als dem in der politischen Mitte angesiedelten Gantz-Bündnis. Insgesamt wird aber mit einem knappen Wahlausgang gerechnet, weshalb am Ende der Außenseiter Moshe Feiglin zum Königsmacher werden könnte. Der 56-Jährige aus dem rechten Lager tritt mit Forderungen nach der Annexion des Westjordanlandes und des Gaza-Streifens, Steuersenkungen und der Legalisierung von Marihuana an.
 

Schicksalswahl in Israel: Kopf-an-Kopf-Rennen von Netanyahu und Gantz

Israels rechtskonservativer Regierungschef Benjamin Netanyahu hat am Wahltag zur Rettung seiner Machtbasis aufgerufen. Die Wähler müssten für seine Likud-Partei stimmen, forderte er am Dienstag nach der Stimmabgabe in Jerusalem. "Es gibt viele Menschen, die wollen, dass wir diesen fantastischen Weg fortsetzen, der Israel das beste Jahrzehnt in seiner Geschichte gebracht hat", sagte der 69-Jährige.
 
Sonst könnte das Mitte-Bündnis seines Herausforderers Benny Gantz siegen, warnte er. Netanyahu ist seit 2009 durchgängig im Amt und war auch von 1996 bis 1999 Ministerpräsident.
 
Ex-Militärchef Benny Gantz vom Bündnis Blau-Weiß rief am Tag der Wahl zur Veränderung auf. "Dies ist ein Tag der Hoffnung, ein Tag der Einheit", sagte Gantz bei der Stimmabgabe in seinem Wohnort Rosh Haayin östlich von Tel Aviv. "Ich sehe den Menschen in Israel in die Augen und sage ihnen: Dieser Wandel ist möglich." Man müsse gemeinsam einen neuen Weg beschreiten. "Lasst uns die Demokratie respektieren und geht wählen!"
 
In der Früh hatten zum Auftakt der Parlamentswahl landesweit mehr als 10.700 Wahllokale geöffnet. Rund 6,3 Millionen Wahlberechtigte sind aufgerufen, die 120 Mitglieder der Knesset in Jerusalem neu zu bestimmen. Die Wahllokale bleiben bis 21.00 Uhr (MESZ) geöffnet. Direkt danach werden erste Prognosen veröffentlicht.
 
Die Wahlbeteiligung lag am Vormittag bei 12,9 Prozent, etwas niedriger als bei der letzten Wahl im Jahre 2015 zur gleichen Zeit (13,7 Prozent).
 
In letzten Umfragen lag Gantz' Mitte-Bündnis Blau-Weiß vorn. Netanyahus rechtsorientierter Likud kam erst an zweiter Stelle. Eine Regierungsbildung dürfte jedoch für Gantz schwierig werden, da Netanyahu und seine Verbündeten, die rechten und religiösen Parteien, insgesamt weiter in der Übermacht sind. Zur Bildung einer Regierung sind mindestens 61 von 120 Mandate notwendig.
 
Der wegen Korruptionsvorwürfen unter Druck stehende Netanyahu führte zuletzt eine Regierungskoalition mit den rechten und strengreligiösen Parteien an. Die Wahlen waren wegen einer Regierungskrise vorgezogen worden. Ursprünglich waren sie erst für November angesetzt gewesen.
 
Israels Generalstaatsanwalt will in drei Fällen wegen Korruption Anklage gegen Netanyahu erheben. Es geht um Bestechlichkeit, Untreue und Betrug. Vor einer endgültigen Entscheidung, ob der Regierungschef wirklich vor Gericht muss, hat aber noch eine Anhörung zu erfolgen. Netanyahu weist alle Vorwürfe zurück.
 
Mit einem deutlichen Rechtsruck hatte Netanyahu noch kurz vor der Wahl in einem Interview die Annektierung bereits israelisch besiedelter Gebiete im Westjordanland in Aussicht gestellt. Einem unabhängigen Palästinenserstaat erteilte er eine Absage.
 
Gantz hat sich für eine Friedensregelung mit den Palästinensern ausgesprochen. Gleichzeitig ist er dafür, dass die großen Siedlungsblöcke im Westjordanland bei Israel bleiben. Von der israelischen Besatzung hat er sich distanziert.
 
Präsident Reuven Rivlin wird nach der Wahl den Kandidaten mit den größten Chancen mit der Bildung einer Regierungskoalition beauftragen. Das neue Parlament soll am 23. April vereidigt werden. Mit einer neuen Regierung wird bis Anfang Juni gerechnet.
 
US-Präsident Donald Trump will nach der Wahl seinen lange erwarteten Friedensplan zur Lösung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern präsentieren.
 

Was man über die Wahl in Israel wissen muss

In einer Schicksalswahl stimmt Israel am Dienstag über ein neues Parlament ab, die 21. Knesset. Welches sind dabei die wichtigsten Punkte?

NETANYAHUS WICHTIGSTER HERAUSFORDERER: Der Ex-Militärchef Benny Gantz könnte den seit zehn Jahren durchgängig amtierenden Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu in Bedrängnis bringen. Gantz' Bündnis der Mitte, Blau-Weiß, lag in den meisten Umfragen vorn. Es gilt jedoch als fraglich, ob der 59-Jährige für eine Regierungsbildung genug Partner mit ins Boot holen könnte. Er braucht eine Mehrheit von mindestens 61 der 120 Abgeordneten im Parlament. Der Block rechter und religiöser Parteien, der eher Netanyahu zugeneigt ist, ist laut den Umfragen insgesamt stärker als die Parteien der Mitte und des linken Lagers.

KORRUPTIONSKLAGE gegen Netanyahu: Israels Generalstaatsanwalt will in drei Fällen wegen Korruption Anklage gegen Netanyahu erheben. Es geht um Bestechlichkeit, Untreue und Betrug. Vor einer endgültigen Entscheidung, ob der Regierungschef wirklich vor Gericht muss, hat noch eine Anhörung zu erfolgen. Netanyahu weist alle Vorwürfe zurück. Was passieren wird, sollte Netanyahu nach einem Wahlsieg als erster amtierender Regierungschef in der Geschichte Israels angeklagt werden, ist noch offen. Formell wäre er nicht zum Rücktritt gezwungen - der öffentliche Druck könnte jedoch übermächtig werden.
 
BESONDERHEITEN DES ISRAELISCHEN WAHLSYSTEMS: Der Ministerpräsident wird in Israel nicht direkt gewählt. Die Wähler können ihre Stimme für eine von rund 40 Listen abgeben. Wer davon die Sperrklausel von 3,25 Prozent schafft, kommt ins Parlament in Jerusalem, die Knesset. Mit der Regierungsbildung wird üblicherweise der Vorsitzende der größten politischen Kraft vom Präsidenten beauftragt. Er hat vier Wochen Zeit, eine Koalition zu bilden, kann aber danach noch zwei Wochen Verlängerung beantragen.
 
ARABISCHE PARTEIEN: Bei der Wahl treten zwei vorwiegend arabische Parteienbündnisse an, die dem linken Lager zugerechnet werden. Arabische Parteien werden in Israel traditionell nicht als legitime Koalitionspartner angesehen, weil sie mehrheitlich den jüdischen Charakter des Staates ablehnen. Sie waren nie Teil einer Regierung und auch das Mitte-Bündnis Blau Weiß von Ex-Militärchef Benny Gantz lehnt eine Koalition mit ihnen ab. Der arabische Abgeordnete Aiman Auda sagte allerdings zuletzt, er könne sich unter bestimmten Umständen vorstellen, Rivlin zu empfehlen, Gantz mit der Regierungsbildung zu beauftragen.
 
WER KÖNNTE NACH DER WAHL ZÜNGLEIN AN DER WAAGE SPIELEN: Bei einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Netanyahu und Gantz könnte Moshe Feiglin, Vorsitzender der Partei Sehut (Identität), die Rolle des "Königsmachers" zufallen. Er kann laut Umfragen mit bis zu sechs Mandaten rechnen. Feiglin war früher Mitglied von Netanyahus Likud-Partei, galt dort als Teil des rechten Rands. Er hat die Legalisierung von Cannabis zur Bedingung für einen Eintritt in die nächste Regierungskoalition gemacht und spricht vor allem junge Wähler an. Feiglin vertritt auch ultrarechte Positionen, will etwa den jüdischen Tempel auf dem Tempelberg in Jerusalem wiedererrichten - für Juden als auch für Muslime eine der wichtigsten religiösen Stätten, die als Pulverfass im Konflikt zwischen beiden Seiten gilt.
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