Nordkorea

Mein Freund, der Diktator Kim Jong-un

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Ein Schulfreund erzählt im Interview, wie der neue Diktator wirklich tickt.

Ein typischer Teenager, etwas zurückhaltend. Eine Vorliebe für US-Sport, Kung-Fu-Filme und James Bond. So war Kim Jong-un Ende der 90er Jahre an einer staatlichen Schule in der Schweiz. Sein bester Freund war damals João Micaelo, Sohn portugiesischer Einwanderer. Der Koch lebt seit drei Jahren in Wien und erzählt im ÖSTERREICH-Interview: "Er war ein ganz normaler Teenager“.

Alles anders
Jetzt, neun Jahre nachdem Kim Jong-un 2001 plötzlich mitten im Schuljahr nach Nordkorea geholt wurde, ist alles anders. Der 27-Jährige soll bald schon seinem Vater Kim Jong-il nachfolgen und die kommunistische Volksrepublik leiten. Ein Land, das von der Außenwelt fast vollständig isoliert ist, wo Armut herrscht und angeblich über eine Million Männer im Militär dienen.

Mein Freund, der Diktator Kim Jong-un
© Privat

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Nachfolge
Beim größten Treffen der Kommunistischen Arbeiterpartei seit 30 Jahren machte der gesundheitlich angeschlagene Kim Jong-il (68) gestern seinen Sohn de facto fix zum Nachfolger: Er wird Vizevorsitzender der Militärkommission, untersteht damit direkt seinem Vater. Zuvor erhielt der ehemalige Basketball-Fan den Rang eines Vier-Sterne-Generals. Beobachter sehen diese Ernennungen als eindeutiges Signal dafür, dass der Diktator seine Nachfolge klären wollte.

Schock
Für den ehemaligen Schulfreund Micaelo ist das schwer zu fassen. Er hat erst im Vorjahr aus den Medien erfahren, wer sein bester Schulfreund wirklich war. Jetzt sagt er: "Er war immer ganz normal, aber wer weiß, was damals alles passiert ist mit ihm.“

"Er liebt US-Basketball und ein Bond-Girl"

Interview mit Kim Jong-ils Schulfreund.

 

ÖSTERREICH: Sie waren mit Kim Jong-ils Sohn Kim Jong-un fast vier Jahre in der Schule. Wie haben Sie ihn kennengelernt?

João Micaelo: Es war 1997, ich war 14 Jahre alt. Das neue Schuljahr im Gymnasium Liebefeld in der Schweiz hat gerade angefangen. Da wurde uns ein neuer Schüler vorgestellt, ein Nordkoreaner. Es war nirgends mehr ein Platz frei, also setzte er sich zu mir. Und wie das bei Banknachbarn so ist, wurden wir gute Freunde. Wer er wirklich war, habe ich erst viel später erfahren.

ÖSTERREICH: Warum?

Micaelo: Er wurde uns als Un Pak vorgestellt, er sei der Sohn des Botschafters, hieß es.

ÖSTERREICH: Wie war er in der Schule?

Micaelo: Insgesamt war er eher zurückhaltend, introvertiert. Seine Noten waren generell gut. In Mathematik hervorragend, und er war ein begnadeter Zeichner. Sportlich war er auch, ein leidenschaftlicher Basketballer.

ÖSTERREICH: Basketball, ein typisch amerikanischer Sport …

Micaelo: Ja, er liebte die NBA (amerikanische Profiliga, Anm.). Er war ein riesiger Fan der Chicago Bulls. Wir spielten nach der Schule oft Basketball. Politik war nie ein Thema, aber Nordkorea hat er geliebt. Aber kein Wunder, es ist seine Heimat ...

ÖSTERREICH: Waren Sie auch bei ihm zu Besuch?

Micaelo: Ja, öfters. Er hat mit seinen „Eltern“ in einem Mehrparteien-Haus gleich bei der Schule gewohnt. Keine Villa, nichts Luxuriöses. Wir waren immer im Wohnzimmer, nie in seinem Zimmer selbst. Dort haben wir viele Filme geschaut, Jackie Chan oder James Bond.

ÖSTERREICH: Sie kannten ihn genau während der Pubertät. Was war mit den Mädchen?

Micaelo: Er sprach immer von seiner Freundin in Nordkorea, zeigte mir Fotos. Beim Filmschauen gab es schon auch Frauen, die ihm gefallen haben. Sophie Marceau etwa in „James Bond – Die Welt ist nicht genug“.

ÖSTERREICH: Wie ist die Vorstellung, dass Ihr Schulfreund Diktator von Nordkorea werden soll?

Micaelo: Irgendwie unvorstellbar. Er war ein ganz normaler Typ. Ich hoffe, es ist von der Schweizer Mentalität und von der Zeit damals etwas bei ihm hängen geblieben ...

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