Renzis Partei vor Rückzug

Mitten in der Corona-Krise: Regierungs-Chaos in Italien

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Der Streit um Corona-Hilfen sorgt in Italien für eine Regierungskrise.

 Italien hat ein gigantisches Wiederaufbauprogramm zur Bewältigung der Coronakrise verabschiedet, doch die Regierungskoalition von Ministerpräsident Giuseppe Conte steht vor der Auflösung. Bei einer langen Ministerratssitzung schaffte es Conte in der Nacht auf Mittwoch, den Recovery Plan mit Maßnahmen in Höhe von 222 Mrd. Euro unter Dach und Fach zu bringen. Er verliert jedoch die Unterstützung der für seine Regierungsmehrheit entscheidenden Partei Italia Viva.
 
Die Fronten sind verhärtet. Die Regierung stimmte bei der Ministerratssitzung für den Recovery Plan. Die beiden Italia Viva-Ministerinnen - Landwirtschaftsministerin Teresa Bellanova und Familienministerin Elena Bonetti - enthielten sich jedoch der Stimme. Vergebens hatte die von Ex-Premier Matteo Renzi im Herbst 2019 gegründete Splitterpartei Italia Viva gefordert, dass Italien Gelder des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) abrufe, um mehr Ressourcen in das Gesundheitssystem investieren zu könne. Jedoch verweigerte die mitregierende Fünf-Sterne-Bewegung einen Zugriff auf den ESM. Italien würde damit riskieren, sich wie einst Griechenland von der Troika aus Währungsfonds, EU und Zentralbank bevormunden zu lassen, so die Argumentation der Fünf Sterne.
 

Neue Regierung?

Renzi plant am Mittwochnachmittag (17.30 Uhr) eine Pressekonferenz, bei der erwartet wird, dass er den Ausstieg seiner Partei ankündigt. "Premier Conte hat bereits eine neue Koalition bereit. Wir entscheiden, ob wir aus der Regierungsmehrheit austreten", kündigte Renzi am Dienstagabend laut italienischen Medienberichten an. Erwartet wird, dass Renzis Ministerinnen aus der Regierung austreten. Dies wäre eine Hiobsbotschaft für Conte, denn sein seit September 2019 amtierendes Kabinett ist auf die Stimmen der kleinen Truppe von Renzi-Parlamentariern im Senat angewiesen.
 
Daher stellt sich die Frage, wie es nun in Rom weitergeht. Regierungschef Conte erklärte, dass im Fall einer Krise ein Weiterregieren mit der Renzi-Partei unmöglich sei. Conte könnte laut Beobachtern die Italia Viva-Ministerinnen ersetzen und sich einer Vertrauensabstimmung im Parlament unterziehen, um zu prüfen, ob sein Kabinett auch ohne Renzis Kleinpartei weiterregieren kann. In diesem Fall wäre die Regierung im Senat von den Stimmen von Parlamentariern der gemischten Fraktion angewiesen, nicht gerade eine Garantie für Stabilität.
 
"Ob es in Italien zu einer neuen Regierung kommt, hängt jetzt vom Parlament ab", analysierte Renzi. Seiner Ansicht nach werde es jedenfalls nicht zu vorgezogenen Parlamentswahlen kommen.
 

Vier-Parteien-Koalition

Premier Conte ist seit Juni 2018 italienischer Ministerpräsident. Seit September 2019 führt er eine Vier-Parteien-Koalition aus der sozialdemokratischen PD, der Fünf-Sterne-Bewegung und den beiden Kleinparteien Italia Viva und der Linkspartei Liberi e Uguali. Italia Viva war von Renzi nach seinem Austritt aus dem PD im Herbst 2019 gegründet worden. Renzi hatte Italien zwischen 2014 und 2016 als Regierungschef regiert.
 
Die massiven Spannungen in der Regierungskoalition in Rom lösten kritische Reaktionen aus. "Eine Regierungskrise wäre für die Italiener in der jetzigen schwierigen Phase unbegreiflich", kommentierte der ehemalige EU-Kommissionspräsident Romano Prodi. "Contes Regierung ist am Ende. Wir sind zur Bildung einer Mitte-rechts-Regierung bereit", betonte der Chef der rechten Lega Matteo Salvini.
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