Wirbel um Franziskus

Moskau freut sich über Ukraine-Sager des Papstes

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Nach den jüngsten Papst-Äußerungen zu Friedensverhandlungen in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hält die Kritik an.  

Neben der ukrainischen Staatsspitze und Kirchen-Vertretern in Kiew meldeten sich laut Kathpress vor allem in Osteuropa Regierungen zu Wort und wiesen die Worte von Franziskus vehement zurück. Auch vonseiten Deutschlands und der NATO gab es Kritik. Moskau fühlt sich durch die Worte hingegen bestätigt.

Papst empört mit Ratschlag an die Ukraine

Der Pontifex hatte in einem am Wochenende bekannt gewordenen Interview des Schweizer Fernsehens RSI der Ukraine Verhandlungen unter internationaler Vermittlung nahegelegt. Wahre Stärke beweise derjenige, "der die Situation betrachtet, an die Bevölkerung denkt und den Mut zur weißen Fahne und zu Verhandlungen hat", sagte der Papst unter anderem. Vatikansprecher Matteo Bruni erklärte später, der Papst habe "vor allem zu einem Waffenstillstand aufrufen und den Mut zu Verhandlungen wiederbeleben" wollen.

Massive Kritik

Die NATO wies den Vorstoß des Papstes für Friedensverhandlungen der Ukraine mit Russland zurück. "Kapitulation ist kein Frieden", sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Montag in Brüssel, ohne Papst Franziskus namentlich zu nennen. Stoltenberg sagte weiter: "(Russlands) Präsident (Wladimir) Putin hat diesen Krieg begonnen und er könnte ihn heute beenden. Die Ukraine hat diese Option dagegen nicht." Er rief alle Verbündeten auf, Kiew weiterhin militärisch zu unterstützen.

Auch der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz teilt nicht die Meinung von Papst Franziskus, dass die Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland eine "weiße Fahne" hissen müsse. Das betont der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin. Die Ukraine wehre sich gegen einen Aggressor.

Russland sieht hingegen in der Aufforderung von Papst Franziskus an die Ukraine, mit der Regierung in Moskau zu verhandeln, eine Bestätigung der eigenen Haltung. "So wie ich es sehe, bittet der Papst den Westen, seine Ambitionen beiseite zu legen und zuzugeben, dass er falsch lag", sagt die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, der italienischen Nachrichtenagentur ANSA. Demnach sagt Sacharowa, der Westen benutze die Ukraine um Russland zu schwächen. Sie erklärte weiter, Russland habe nie Verhandlungen blockiert.

Russland verstehe die Äußerungen des Papstes in dem Interview mit dem Schweizer Fernsehen nicht als Aufruf an die Ukraine zur Kapitulation, sondern als Plädoyer für Verhandlungen, ergänzte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag russischen Nachrichtenagenturen zufolge. Kremlchef Putin habe immer wieder davon gesprochen, bereit und offen zu sein für Verhandlungen. "Das ist der bevorzugte Weg", sagte Peskow.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wies den Appell des Papstes am Sonntagabend scharf zurück. Der Gesamtukrainische Rat der Kirchen und Religionsgemeinschaften kritisierte die Äußerungen laut Kathpress ebenfalls mit deutlichen Worten. Wenn sich die Ukraine "der Gnade des Feindes" ergeben würde, habe das "nichts mit Frieden zu tun", sondern bedeute den "Sieg der Sklaverei über die Freiheit", betonte das Gremium am Sonntagabend. "Vor dem triumphierenden Bösen zu kapitulieren, kommt einem Zusammenbruch der universellen Idee der Gerechtigkeit gleich, einem Verrat an den grundlegenden Leitlinien, die uns in den großen spirituellen Traditionen vermacht wurden." Deshalb segne man die Gläubigen bei der Verteidigung ihres Landes und werde dies auch weiterhin tun. Ebenso werde man weiter "für den Sieg über den Feind und einen gerechten Frieden" beten. - Dem Rat gehören 15 Glaubensgemeinschaften - christliche, jüdische und muslimische - sowie die ukrainische Bibelgesellschaft an. Damit repräsentiert er nach eigenen Angaben mehr als 95 Prozent der religiösen Gemeinden des Landes.

In scharfen Worten reagierte auch der lettische Präsident Edgars Rinkevics: "Man darf vor dem Bösen nicht kapitulieren, man muss es bekämpfen und besiegen, damit das Böse die weiße Fahne hisst und kapituliert", erklärte er. Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski schlug auf der Plattform X (Twitter) mit sarkastischem Unterton vor: "Wie wäre es, zum Ausgleich Putin zu ermutigen, den Mut zu haben, seine Armee aus der Ukraine zurückzuziehen? Dann wäre sofort Frieden, Verhandlungen bräuchte man nicht."

Der Apostolische Nuntius in Kiew, Erzbischof Visvaldas Kulbokas, verteidigte die jüngsten Worte des Papstes zum Ukraine-Krieg. Der italienischen Tageszeitung "La Repubblica" (Montag) kritisierte der aus Litauen stammende Vatikandiplomat den Fragesteller im Interview, der das Bild von der Weißen Flagge gebraucht hatte. "Warum geht er vom Opfer, vom Angegriffenen aus? Was für eine Frage ist denn das?", sagte der Nuntius. Der Papst habe dann das Bild aufgegriffen und in seiner Antwort präzisiert, dass "Verhandeln niemals eine Kapitulation ist", erklärt Kulbokas. Wenn der Interviewer den Papst nach Russland gefragt hätte, wäre die Antwort gewesen: "Du sollst nicht töten und keine Soldaten, Raketen und Drohnen in die Ukraine schicken!"

Um Schadensbegrenzung bemüht, hatte Vatikan-Sprecher Bruni am Sonntag versucht, die umstrittenen Äußerungen des Papstes einzuordnen. Das zum Heiligen Stuhl gehörende Onlineportal Vatican News verbreitete am Sonntag in mehreren Sprachen, darunter auch Ukrainisch, einen Bericht über eine entsprechende Erklärung Brunis. Sinn der Aussagen sei, dass Franziskus sich eine "diplomatische Lösung für einen gerechten und dauerhaften Frieden" wünsche, so Bruni. "An anderer Stelle des Interviews, in dem er von einer anderen Konfliktsituation spricht, sich aber auf jede Kriegssituation bezieht, stellt der Papst weiter klar, dass eine Verhandlung 'niemals eine Kapitulation' ist", zitierte das Portal den Vatikan-Sprecher.

In dem bereits vor einigen Wochen aufgenommenen Interview, das vom italienischsprachigen Schweizer Rundfunk RSI am 20. März in voller Länge ausgestrahlt werden soll, fragte der Journalist Lorenzo Buccella den Papst: "In der Ukraine gibt es diejenigen, die den Mut zur Kapitulation, zur weißen Fahne, fordern. Aber andere sagen, dass dies die Stärksten legitimieren würde. Was sagen Sie dazu?" Darauf antwortete Franziskus: "Das ist eine Interpretationsweise. Aber ich denke, dass der stärker ist, der die Situation erkennt, der an das Volk denkt, der den Mut zur weißen Fahne hat, zu Verhandlungen. Und heute kann man mit der Hilfe der internationalen Mächte verhandeln. Das Wort 'verhandeln' ist ein mutiges Wort."

"Der Wunsch des Papstes", so Vatikan-Sprecher Bruni dazu, "ist und bleibt derselbe, den er in den letzten Jahren immer wieder geäußert und kürzlich anlässlich des zweiten Jahrestages des Konflikts wiederholt hat."

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