David Herrmann Meng

Auch die Niederlande setzen Rückführungen aus

Jetzt setzt auch Deutschland Abschiebungen nach Afghanistan aus

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Neben der Niederlande schiebt auch Deutschland vorerst nicht nach Afghanistan ab. Österreich will an Abschiebungen festhalten.

Kabul/Wien/Berlin. Deutschland und die Niederlande schieben vorerst keine Menschen mehr nach Afghanistan ab. "Der Bundesinnenminister hat aufgrund der aktuellen Entwicklungen der Sicherheitslage entschieden, Abschiebungen nach Afghanistan zunächst auszusetzen", sagte ein Sprecher des deutschen Innenministeriums am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Die beiden Länder hatten noch unlängst gemeinsam mit Österreich eine Fortsetzung der Abschiebungen verlangt.

Österreich bleibt hingegen dabei. "Jeder Staat entscheidet hier für sich. Österreich hält an seinen Planungen für Rückführungen nach wie vor fest", teilte ein Sprecher des Innenministeriums nach den Ankündigungen Deutschlands und der Niederlande mit. Die Lage in Afghanistan werde gemeinsam mit dem Außenministerium laufend beobachtet und beurteilt. "Gleichzeitig steht Österreich bereit, Afghanistan im Rahmen konkreter Hilfsersuchen zu unterstützen, um seinen internationalen Verpflichtungen nachkommen zu können", so der Sprecher weiter.

Gemeinsamer Brief an die EU

Österreich hatte vergangene Woche gemeinsam mit Deutschland, den Niederlanden, Dänemark, Belgien und Griechenland die EU in einem Brief zu einer Fortsetzung der Abschiebungen nach Afghanistan gedrängt - trotz des Vormarsches der radikalislamischen Taliban. Diese hatten am Mittwoch die neunte Provinzhauptstadt binnen weniger Tage erobert. Den Taliban werden dabei schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.

Die Niederlande erklärten nun, in den kommenden sechs Monaten keine abgewiesenen Asylwerber mehr nach Afghanistan abzuschieben. Durch den Vormarsch der Taliban in dem Land habe sich die Lage deutlich verschlechtert, teilte die zuständige Staatssekretärin im Justizministerium, Ankie Broekers-Knol, am Mittwoch in Den Haag dem Parlament mit. Auch würden in den nächsten zwölf Monaten keine weiteren Entscheidungen über Abschiebungen gefällt.

Das niederländische Außenministerium bewerte die Sicherheitslage neu, teilte die Staatssekretärin mit. Danach solle dann eine endgültige Entscheidung über Abschiebungen getroffen werden.

Asselborn kritisierte Vorstoß der sechs Länder

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn hatte zuvor den Vorstoß der sechs EU-Länder kritisiert, die grundsätzlich weiterhin an Abschiebungen nach Afghanistan festhalten wollten. "Es gibt keine Garantie dafür, dass die Betroffenen nicht in die Hände der Taliban fallen", sagte Asselborn dem "Tagesspiegel" (Mittwochausgabe). Er könne angesichts der Initiative "nur den Kopf schütteln". Eine Diskussion über mögliche Abschiebungen sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt angesichts der angespannten Sicherheitslage in Afghanistan verfehlt, sagte Asselborn.

Die außenpolitische Sprecherin der österreichischen Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, lobte die Entscheidung Deutschlands und der Niederlanden. "Das sind gute Nachrichten und aufgrund der Sicherheitslage unumgängliche Entscheidungen", schrieb sie auf Twitter. Angesichts der sich rapide verschlechternden Sicherheits-und humanitäre Lage rief das Österreichische Rote Kreuz die österreichische Regierung dazu auf, ihre Haltung zu Abschiebungen in dieses Land zu überdenken. Allein im Juli habe das Rote Kreuz (IKRK) und sein Partner, die Afghanische Rothalbmondgesellschaft (ARCS), landesweit fast 13.000 Patienten mit Verletzungen durch Waffengewalt geholfen. Diese Zahl werde in diesem Monat wahrscheinlich noch steigen, da die Kämpfe in dicht besiedelten Gebieten zunehmen.

EU-Botschafter in Kabul für Abschiebestopp

Die in Kabul vertretenen EU-Botschafter hatten sich erst am Dienstag für einen Abschiebestopp ausgesprochen. Auch 26 Organisationen, darunter Amnesty International, Pro Asyl, Caritas und die Diakonie plädierten in einer gemeinsamen Erklärung dafür.

Das österreichische Innenministerium wollte gegenüber der APA Medienberichte über einen angeblich für September geplanten Abschiebeflug nach Afghanistan nicht kommentieren. Charterrückführungen würden seitens des Ministeriums "weder im Vorfeld 'angekündigt', noch verifiziert oder falsifiziert. Das würde jegliche Planungen für die zwangsweise Außerlandesbringung von Personen, die trotz einer rechtskräftig negativen Entscheidung und einer Ausreiseverpflichtung Österreich nicht freiwillig verlassen haben, unmöglich machen", sagte ein Sprecher.

Afghanistan hatte im Juli wegen der Sicherheitslage im Land um einen dreimonatigen Abschiebestopp gebeten und einem für vergangene Woche geplanten Abschiebeflug von München nach Afghanistan, an dessen Bord auch zwei aus Österreich abzuschiebende Afghanen hätten sein sollen, keine Landeerlaubnis erteilt. Zudem hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) - mit Verweis auf die Sicherheitslage in Afghanistan - mittels einstweiliger Verfügung die geplante Abschiebung eines abgelehnten Asylwerbers aus Österreich gestoppt.

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