Polen beantragt nach Drohnenabschuss NATO-Konsultationen
Nach dem Abschuss von mehreren Drohnen hat Polen Konsultationen nach Artikel 4 des NATO-Vertrags beantragt. Das sagte Regierungschef Donald Tusk in Warschau. Der Artikel sieht Beratungen mit den Verbündeten vor, wenn sich ein NATO-Staat von außen gefährdet sieht. Unterdessen wies Moskau die Vorwürfe zurück, für den Drohnen-Einflug verantwortlich zu sein. "Wir betrachten die Anschuldigungen als haltlos", zitierte RIA den russischen Geschäftsträger in Warschau, Andrej Ordasch.
Polen habe bisher keine Beweise für eine russische Herkunft der Drohnen vorgelegt. In der Nacht auf Mittwoch hatte Polen Drohnen über seinem Staatsgebiet abgeschossen.
Bundeskanzler Christian Stocker sprach von einer "ernsthaften und inakzeptablen Eskalation". "Wir stehen in voller Solidarität an der Seite Polens", postete der Kanzler auf X. Für Außenministerin Beate Meinl-Reisinger ist der Vorfall "inakzeptabel." "Putin dreht immer weiter an der Eskalationsspirale und zeigt der gesamten Welt, dass er kein Interesse an Frieden hat", reagierte die Außenministerin. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner schrieb auf X, dass es nun wichtig sei, "besonnen zu reagieren und die Lage nicht militärisch weiter eskalieren zu lassen".
19 Luftraumverletzungen
Tusk sagte im polnischen Parlament, dass der Luftraum seines Landes mindestens 19 Mal verletzt worden sei. Nachdem Dienstagabend um 22.06 Uhr erste Informationen über einen massiven russischen Luftangriff mit Drohnen und Raketen auf die Ukraine eingegangen seien, sei unter anderem das AWACS-System der NATO in Bereitschaft versetzt worden. AWACS steht für "Airborne Early Warning and Control System" (Luftgestütztes Frühwarn- und Kontrollsystem). Gegen 23.30 Uhr sei es zur ersten Verletzung des polnischen Luftraums gekommen, sagte Tusk vor den Abgeordneten des polnischen Sejm. Diese Verletzungen des Luftraums hätten bis etwa 6.30 Uhr Mittwochfrüh angedauert.
Der Abschuss von drei Drohnen sei bestätigt, möglicherweise sei auch eine vierte getroffen worden, sagte Tusk. Der Vorfall lasse sich nicht mit vorangegangenen Drohnen im polnischen Luftraum vergleichen: "Dies ist das erste Mal in diesem Krieg, dass sie nicht aufgrund von Fehlern oder kleineren russischen Provokationen aus der Ukraine kamen. Zum ersten Mal kam ein erheblicher Teil der Drohnen direkt aus Belarus", sagte Tusk.
Drohnen abgeschossen
Polen hat in der Nacht auf Mittwoch Drohnen über seinem Staatsgebiet abgeschossen. Zuvor sei der polnische Luftraum während eines Angriffs auf die Ukraine mehrfach verletzt worden, teilten die polnischen Streitkräfte mit. Ministerpräsident Donald Tusk bestätigte nach einer Krisensitzung der Regierung, es habe sich um russische Drohnen gehandelt. EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sah Absicht hinter dem Einflug.
"Dies ist der erste Fall, in dem russische Drohnen über dem Gebiet eines NATO-Staates abgeschossen wurden, weshalb alle unsere Verbündeten die Situation sehr ernst nehmen", sagte Tusk. Er sei im ständigen Kontakt mit NATO-Generalsekretär Mark Rutte und den anderen Bündnispartnern. "Wir haben es höchstwahrscheinlich mit einer Provokation im großen Maßstab zu tun."
Kallas: Einflug russischer Drohnen war Absicht
Der Einflug russischer Drohnen in den europäischen Luftraum war nach Einschätzung der EU-Außenbeauftragten Kallas Absicht. Ersten Erkenntnissen zufolge habe es sich nicht um ein Versehen gehandelt, schreibt Kallas auf X. "Russlands Krieg eskaliert, er endet nicht." Die EU müsse den Druck auf Moskau erhöhen, die Unterstützung für die Ukraine verstärken und in die europäische Verteidigung investieren.
Die NATO wertete das Eindringen russischer Drohnen in den polnischen Luftraum einem Insider zufolge nicht als Angriff. Ersten Anzeichen zufolge sei der Einflug von sechs bis zehn Drohnen absichtlich erfolgt, erfährt die Nachrichtenagentur Reuters aus NATO-Kreisen. Es sei das erste Mal gewesen, dass Flugzeuge des Bündnisses potenziellen Bedrohungen im alliierten Luftraum entgegengetreten seien.
Selenskyj fordert "starke Reaktion"
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, mindestens acht russische Drohnen seien in Richtung Polen geflogen. Polen teilte mit, es habe sich um rund ein Dutzend Drohnen gehandelt. Selenskyj forderte eine "starke Reaktion". Moskau teste immer die Grenzen des Möglichen und bleibe, wenn es keine starke Reaktion gebe, auf einer neuen Eskalationsstufe, schrieb er in sozialen Medien. Er sprach von einem "äußerst gefährlichen Präzedenzfall für Europa".
Der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha bezeichnete das Eindringen russischer Drohnen in den polnischen Luftraum als Beweis für die Eskalation des Krieges durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Putin eskaliert, weitet seinen Krieg immer weiter aus und testet den Westen", schrieb Sybiha auf der Plattform X. Es müsse nun die Entscheidung getroffen werden, die Luftabwehr von Partnerländern zum Abfangen von Drohnen und Raketen über der Ukraine einzusetzen - einschließlich jener Geschoße, die sich den NATO-Grenzen näherten.
EU-Ratspräsident Antonio Costa sichert Polen nach dem Eindringen russischer Drohnen die "volle Solidarität" der EU zu. "Die Ereignisse der vergangenen Nacht sind eine deutliche Mahnung, dass die Sicherheit eines Einzelnen die Sicherheit aller ist", schreibt Costa auf X. "Russlands fortgesetzte Aggression gegen die Ukraine und rücksichtslose Verletzungen des Luftraums von EU-Mitgliedstaaten stellen eine direkte Bedrohung für die Sicherheit aller Europäer und für die kritische Infrastruktur auf unserem gesamten Kontinent dar."