Rechtes und religiöses Lager erhielt Mehrheit der Mandate – Glückwünsche von Trump und Kurz für mit Korruptionsvorwürfen konfrontierten, rechten Politiker Netanyahu.
Nach der Parlamentswahl in Israel hat der Herausforderer des langjährigen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu, Ex-Generalstabschef Benny Gantz, seine Niederlage eingeräumt. Er respektiere die Entscheidung des Volkes, erklärte der Chef der Liste Blau-Weiß am Mittwochabend. Der Kampf sei aber nicht vorbei. Jetzt gehe es um das Gespräch mit anderen Parteien.
Gantz' Mitstreiter, Ex-Finanzminister Yair Lapid, sagte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Gantz: "Wir haben diese Runde nicht gewonnen. Ich achte die Wähler. Doch ich schaue mich um und ich sehe das ultimative Werkzeug für einen Sieg in der nächsten Runde." Er werde der Regierung unter Netanyahu "das Leben schwer machen".
Nach der Auszählung von 99,86 Prozent der Stimmen können Netanyahus Likud und Blau-Weiß jeweils mit 35 der 120 Mandate im Parlament rechnen. Zählt man die mit Likud verbündeten Parteien des rechten und religiösen Lagers dazu, kommt Netanyahu auf 65 Mandate gegenüber 55 für die Opposition. Netanyahu sprach von einem "unvorstellbaren Erfolg".
Wahlergebnis am Donnerstagnachmittag erwartet
Das offizielle Wahlergebnis wird für Donnerstagnachmittag erwartet. Bis dahin sollen auch die rund 200.000 Stimmen von Soldaten, Diplomaten, Häftlingen, Matrosen sowie Patienten in Krankenhäusern ausgezählt sein. Die Wahlbeteiligung ging leicht zurück und lag 67,9 Prozent. Bei der Wahl im Jahr 2015 hatte sie 71,8 Prozent betragen.
Noch am Wahlabend hatten sich sowohl Netanyahu als auch Gantz zum Wahlsieger erklärt. Nun steht Israel nichtsdestotrotz vor zähen Koalitionsverhandlungen. Präsident Reuven Rivlin muss nun entscheiden, wen er mit der Regierungsbildung beauftragt. Angesichts der besseren Koalitionsoptionen Netanyahus dürfte die Wahl Rivlins auf den Amtsinhaber fallen. Rivlin will kommende Woche Beratungen mit den verschiedenen Fraktionsvorsitzenden aufnehmen. Binnen zwei Wochen muss er entscheiden, wer den Auftrag zur Regierungsbildung erhält. Für den 23. April ist die feierliche Eröffnungssitzung der 21. Knesset geplant. Bis Ende Mai wird erwartet, dass die neuen Koalitionspartner ihren Vertrag unterzeichnen. Damit könnte bis Anfang Juni eine neue Regierung ihre Arbeit aufnehmen.
Zu den Gewinnern der Wahl zählten auch zwei ultraorthodoxe Formationen. Die Parteien Shas und Vereinigtes Tora-Judentum erhielten je acht Sitze. Sie hatten im Wahlkampf ihre Unterstützung für Netanyahu angekündigt. Bereits dessen letzte Regierung galt als die am weitesten rechts stehende in der Geschichte Israels. Netanyahu ist seit 2009 durchgängig im Amt. Er war auch von 1996 bis 1999 Ministerpräsident. Er steht aktuell wegen Korruptionsvorwürfen massiv unter Druck.
Gratulation von Trump
US-Präsident Donald Trump begrüßte den Sieg Netanyahus. "Ich möchte gratulieren", sagte Trump in Washington. Von dem voraussichtlichen Verbleib Netanyahus im Amt verspricht sich der US-Präsident nach eigenen Worten einen Schub für den US-Friedensplan für den Nahen Osten, der bisher allerdings noch nicht bekannt ist. Das Wahlergebnis gebe dem Plan zur Beilegung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern eine "bessere Chance", meinte Trump.
Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der ebenfalls einer rechtskonservativen Regierung vorsitzt, gratulierte Netanyahu zu dessen "ausgezeichnetem Ergebnis". Glückwünsche kamen auch von Italiens Vize-Regierungschef Matteo Salvini. "Viel Erfolg für meinen Freund Bibi Netanyahu", schrieb der Politiker der rechten Lega ebenfalls auf Twitter.
Merkel vorsichtiger
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel war da vorsichtiger. Sie habe noch nicht gratuliert, weil es noch kein amtliches Endergebnis gebe, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Das Verhältnis zwischen Deutschland und Israel ist in den vergangenen Jahren unter Netanyahu merklich abgekühlt. Dennoch bekräftigte Seibert: "Die Bundesregierung wird mit der neuen israelischen Regierung eng, freundschaftlich, vertrauensvoll zusammenarbeiten."
Palästinensische Politiker zeigten sich enttäuscht über das Ergebnis. Es beweise, dass Israel kein Interesse daran habe, die Besatzung der Palästinensergebiete zu beenden, hieß es.
Die Wahl galt auch als eine Art Referendum über den seit insgesamt 13 Jahren regierenden Netanyahu. Der 69-Jährige hatte sich im Wahlkampf als erfahrener Politiker präsentiert, der allein in der Lage sei, Israels Sicherheit zu garantieren. Am Samstag hatte Netanyahu für den Fall eines Wahlsiegs die Annexion jüdischer Siedlungsgebiete im Westjordanland angekündigt.
Der liberalere Politikneuling Gantz setzte im Wahlkampf auf den Wechselwillen der Bevölkerung. Der 59-jährige Politikneuling prangerte im Wahlkampf die Bestechungsskandale des Amtsinhabers an und versprach für den Fall seines Wahlsiegs "null Toleranz" gegenüber Korruption. Netanyahus Annexionspläne bezeichnete Gantz als "unverantwortliches" Werben um Stimmen.
Arbeiterpartei mit nur sechs Sitzen
Die Arbeitspartei kam auf nur sechs Sitze, genau wie die arabische Partei Hadash-Taal. Die Partei Die Neue Rechte von Erziehungsminister Naftali Bennett und Justizministerin Ayelet Shaked verpasste vermutlich den Einzug in das Parlament. Die ultrarechte Israel Beitenu von Avigdor Lieberman und die Union rechter Parteien erhielten jeweils fünf Mandate. Kulanu von Finanzminister Moshe Kahlon kam auf vier Mandate, ebenso wie die linke Meretz-Partei und die arabische Partei Balad-Vereinigte Arabische Liste.
Rechnerisch möglich wäre nach den Ergebnissen auch eine Große Koalition von Likud und Blau-Weiß. Allerdings hatten sowohl Netanyahu als auch Gantz im Wahlkampf gesagt, sie würden nicht mit dem jeweils anderen in einer Regierung sitzen wollen.
Netanyahu führte zuletzt eine Regierungskoalition mit den rechten und strengreligiösen Parteien an. Die Wahlen waren wegen einer Regierungskrise vorgezogen worden. Ursprünglich waren sie erst für November angesetzt gewesen.
Israels Generalstaatsanwalt will in drei Fällen wegen Korruption Anklage gegen Netanyahu erheben. Es geht um Bestechlichkeit, Untreue und Betrug. Vor einer endgültigen Entscheidung, ob der Regierungschef wirklich vor Gericht muss, hat aber noch eine Anhörung zu erfolgen. Netanyahu weist alle Vorwürfe zurück.