Umfassendste Neuordnung der Branche seit gut 80 Jahren. Obama: "Gegen Missbrauch und Exzess". Der neue Regulierungsrat soll über Risiken wachen. Der Eigenhandel der Banken wird eingeschränkt.
US-Präsident Barack Obama hat mit seiner Unterschrift die umfassendste Finanzmarktreform seit mehr als 80 Jahren in Kraft gesetzt. "Die Amerikaner werden nie wieder für die Fehler der Wall Street bezahlen müssen", betonte Obama. Die Reformen seien "die stärksten Schutzmaßnahmen für den Verbraucher" in der US-Geschichte. Bei den Regelungen stünden die Bürger und nicht die Finanzinstitute im Vordergrund, die Neuerungen seien aber auch "gut für die Wirtschaft". Mit der Finanzmarktreform hat Obama nach der Gesundheitsreform im März ein weiteres seiner zentralen innenpolitischen Anliegen im Kongress durchgesetzt.
Frühwarnsystem eingerichtet
Vergangene Woche hatte die
Neuordnung der US-Finanzmarktaufsicht im Senat die letzte parlamentarische
Hürde genommen. Das mehr als 2.300 Seiten umfassende Reformgesetz unterwirft
die Finanzbranche in den USA einer schärferen Regulierung und verlangt ihr
größere Transparenz ab. Die Reform sieht unter anderem die Einrichtung einer
Verbraucherschutzbehörde unter dem Dach der US-Notenbank Fed vor. Zu den
wichtigsten Maßnahmen zählt ein Frühwarnsystem zur Vermeidung weiterer
Finanzkrisen; vorgeschrieben wird unter anderem eine bessere Kontrolle des
Derivate-Handels und eine größere Transparenz und Haftung für Hedgefonds und
Hypothekenhändler.
Umsetzung könnte Jahre dauern
Viele Experten sehen das
unregulierte und hochriskante Geschäftsgebaren an der New Yorker Wall Street
als Ursache für die weltweite Finanzkrise. Die Umsetzung der Reform könnte
aber noch Monate oder sogar Jahre dauern, weil zahlreiche komplexe
Regelungen ausformuliert werden müssen.
"Diese Reformen leiten den umfassendsten Verbraucherschutz unserer Geschichte ein", sagte Obama. Das Gesetz solle überdies "den Missbrauch und den Exzess" eindämmen, der beinahe das Finanzsystem habe kollabieren lassen, und zudem für Transparenz sorgen. "Dank des Gesetzes werden die Amerikaner nie wieder gefragt werden, die Zeche für die Fehler von Wall Street zu zahlen", sagte der Präsident. "Von Steuerzahlern finanzierte Rettungen (von Finanzinstitutionen) wird es nicht mehr geben. Punkt."
Großer Obama-Sieg
Nach der Gesundheitsreform vom Frühjahr
gilt die Neuordnung der Geldbranche als zweiter großer innenpolitischer Sieg
von Präsident Obama in diesem Jahr. In vielen Bereichen der Reform müssen
allerdings die Regulierungsbehörden noch Einzelheiten ausarbeiten. Das wird
voraussichtlich noch einige Jahre dauern. Das Gesetz hatte in der
vergangenen Woche mit der knappsten denkbaren Mehrheit im Senat die letzte
parlamentarisch Hürde genommen.
Die Reform sieht einen zehnköpfigen Regulierungsrat unter Vorsitz des US-Finanzministers vor, der über mögliche Risiken für das Finanzsystem wachen soll. Zudem erhält die Regierung neue Vollmachten, zusammenbrechende Finanzinstitutionen zu übernehmen und abzuwickeln. Die Befugnis der Regulierungsbehörden wird gestärkt, große Geldhäuser in kleinere Einheiten aufzuspalten, wenn sie das gesamte Finanzsystem gefährden.
Neue Regeln für Bezahlung von Managern
Der hochprofitable,
aber risikoreiche Eigenhandel der Banken wird eingeschränkt. Geldhäuser mit
staatlich versicherten Spareinlagen dürfen nur sehr begrenzt in Hedge- oder
Private-Equity-Fonds investieren. Der Umgang der Banken mit komplexen
Finanzinstrumenten wird schärfer reguliert. Für den Handel mit riskanteren
Derivaten wie etwa aus dem Rohstoffbereich müssen die Finanzinstitute mit
eigenem Kapital ausgestattete Einheiten gründen. Ein Großteil des Geschäfts
muss künftig über Börsen oder Clearing-Stellen laufen.
Vorgesehen sind auch neue Regelungen für die Bezahlung von Top-Managern börsennotierter Firmen. Aktionäre sollen ein - allerdings nicht bindendes - Mitspracherecht bei den Gehältern bekommen.